Süddeutsche Zeitung

Film:Bayerns große Volksschauspieler

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Gustl Bayrhammer wäre dieser Tage 100 Jahre alt geworden, auch knapp 30 Jahre nach seinem Tod erinnern sich die Menschen an den großen Volksschauspieler. Im Laufe seines Lebens traf er regelmäßig auf andere bayerische Schauspieler: Sie wurden allesamt Publikumslieblinge.

Von Josef Grübl

Der Patriarch: Gustl Bayrhammer

Er galt als Paradebayer mit Vorliebe für Patriarchen-Rollen, doch ausgerechnet einen seiner ersten Filmauftritte sollten die Bayern nicht sehen: 1966 spielte Gustl Bayrhammer in der Filmsatire "Das Bohrloch oder Bayern ist nicht Texas", in der es um Öl und Heilwasser suchende Dörfler ging, um Geschäftemacherei, Gier und Korruption. Der BR-Rundfunkrat unterstellte dem Film eine "Verächtlichmachung bayerischer Lebensart", bei der Wiederholung schaltete sich der Sender aus dem gemeinsamen ARD-Programm aus. Bayrhammers Karriere schadete dieser Eklat nicht, im Gegenteil: Danach ging es für ihn mit der Filmerei erst richtig los, er verkörperte Bauern und Bürgermeister, Köche und Kommissare, Soldaten und Schreinermeister.

Dabei war für den am 12. Februar 1922 in München geborenen Adolf Gustav Rupprecht Maximilian Bayrhammer eine ganz andere Karriere vorgesehen: Seine Eltern Max und Elly Bayrhammer arbeiteten ebenfalls als Schauspieler und wollten, dass ihr Sohn etwas Seriöses lernt und Buchhalter wird. Also besuchte er eine Kaufmannsschule. Dann aber kam der Krieg, er wurde eingezogen und landete als Nachrichtenfunker bei der Luftwaffe. Seinen Sold gab er bei Heinrich George am Berliner Schillertheater für Schauspielunterricht aus. 1945 führte ihn sein erstes Bühnenengagement ins schwäbische Sigmaringen, dort lernte er auch seine Frau Irmgard kennen. Nach Theaterstationen in Tübingen, Karlsruhe oder Salzburg kehrte er 1966 nach München zurück, Therese Giehse empfahl ihn für die Kammerspiele. "Eine glückliche Fügung" sei das gewesen, sagte er einmal. Gleichzeitig begann er zu drehen, stand für junge Regisseure wie Rainer Erler oder Michael Verhoeven vor der Kamera.

Zum Star wurde er 1972 als erster Münchner "Tatort"-Kommissar, Willy Harlander und Helmut Fischer waren seine Assistenten, ein Dackel namens Oswald sein ständiger Begleiter. Er war Volksschauspieler mit Leib und Seele, spielte auch im "Komödienstadel" mit, "volksdümmlichen Bajuwarenkitsch" verachtete er aber. Mit "Meister Eder und sein Pumuckl" wurde er ab 1982 zum Kinderliebling, dem Theater blieb er weiterhin treu. Die Stücke von Ludwig Thoma mochte er besonders, den "Wittiber" spielte er auf der Bühne, im Film und im Radio. Gustl Bayrhammer hat viel gearbeitet - auch dann noch, als es ihm nicht mehr gut ging. 1993 starb er 71-jährig in seinem Haus in Krailling an einem Herzinfarkt. Als Schreinermeister Eder hat er eine ständig nachwachsende Fangemeinde, daran dürfte auch die geplante "Pumuckl"-Neuverfilmung nichts ändern. Im Münchner Stadtteil Freiham gibt es seit 2018 eine Gustl-Bayrhammer-Straße samt dazugehöriger Grundschule, anlässlich seines 100. Geburtstags erinnert der Bayerische Rundfunk in seinem Radio- und Fernsehprogramm an den wohl beliebtesten bayerischen Volksschauspieler.

Das Schlitzohr: Toni Berger

Mehr als tausendmal entschied er über Leben und Tod, zugegebenermaßen mehr schlecht als recht, als Kirschgeist trinkender und Karten spielender Boandlkramer in "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben". Toni Berger spielte diese Rolle seit 1975 viele Jahre lang am Münchner Residenztheater, sie brachte ihn auch mit einem alten Bekannten zusammen: Gustl Bayrhammer trat im selben Stück als heiliger Portner auf, der dem Boandlkramer am Himmelstor die Leviten liest. Berger und Bayrhammer kannten sich schon lange, nach dem Zweiten Weltkrieg verließen sie ihre Heimatstadt München und gingen ans Hoftheater Sigmaringen. Dort sammelten sie erste Berufserfahrungen, beide blieben dem Schauspiel treu, wechselten an verschiedene Theater.

Erst in den Siebzigerjahren kam Berger zurück nach München, dann begann seine Fernsehkarriere, mit Serien wie "Münchner Geschichten", "Zeit genug" oder "Irgendwie und sowieso". Er spielte oft schlitzohrige Charaktere, in "Meister Eder und sein Pumuckl" war er der Stammtischfreund von Meister Eder. Seinen letzten Auftritt hatte Toni Berger im Januar 2005 an den Kammerspielen, kurz darauf verstarb er im Alter von 83 Jahren. Sein Boandlkramer bleibt aber unsterblich, die Aufzeichnung des Theaterstücks wird regelmäßig im Fernsehen wiederholt.

Die Entertainerin: Erni Singerl

"Typisch Wassermann!" Wenn der abergläubischen Frau Eichinger etwas nicht passt, was mitunter öfter vorkommt, schiebt sie das auf das Sternzeichen von Herrn Eder. Frau Eichinger ist Putzfrau und Herr Eder ist Schreinermeister, gespielt wurden sie von Erni Singerl und Gustl Bayrhammer, im Serienhit "Meister Eder und sein Pumuckl". Die geborene Ernestine Kremmel war Volksschauspielerin - was aber nicht nur heißt, dass sie ein sehr schönes Bairisch sprach. Ein Volksschauspieler, sagte sie, sei ein "Darsteller, der nicht spielen muss, sondern bei dem die Handlung aus dem Bauch herauskommt". Und Bauchgefühl hatte Erni Singerl, ihre Schlagfertigkeit und ihr Gespür für Timing waren ebenso legendär wie ihre Entertainment-Qualitäten.

Wenn streitlustige Frauen mit Herz, Humor und losem Mundwerk gesucht wurden, war sie allererste Wahl. Bereits als Zehnjährige trat sie im Kinderfunk auf, sie spielte Theater, im Radio und Fernsehen. Im "Komödienstadel" war sie Stammgast, auch TV-Serien wie "Königlich Bayerisches Amtsgericht", "Weißblaue Geschichten" oder "Heidi und Erni" kamen ohne sie nicht aus. Am besten war sie aber in den Dietl-Serien "Monaco Franze" (als Haushälterin Irmgard) und "Kir Royal" (als Mama Schimmerlos). Erni Singerl wäre im Sommer 2021 hundert Jahre alt geworden, sie starb 2005 in München. Die Erni-Singerl-Straße in Aubing-Lochhausen erinnert an sie.

Der Frauenschwarm: Helmut Fischer

An einem kalten Wintertag sitzt er an seinem Stammplatz vor einem Café an der Münchner Freiheit. So wie immer. Schnee, Regen oder Windstürme können ihm nichts anhaben, denn dieser Helmut Fischer hier ist aus Bronze. Der echte Helmut Fischer starb 1997 im Alter von 70 Jahren, doch die Menschen erinnern sich an ihn, nicht nur die Passanten an der Münchner Freiheit. Er musste lang auf seinen Durchbruch warten, wurstelte sich als Kleindarsteller durch. In einem Interview sagte er einmal, dass er bis zu seinem 50. Lebensjahr mit der Schauspielerei kaum seine Miete verdient habe.

1972 wurde er zum Kriminalobermeister im Münchner "Tatort", im Zentrum stand da aber der von Gustl Bayrhammer verkörperte Kommissar Melchior Veigl. Als dieser 1981 aufhörte, stieg Fischer zum Kriminalhauptkommissar auf. Im selben Jahr begannen auch die Dreharbeiten zu der Serie, die ihn zum Star machen und sein Image prägen sollte: Der große Helmut Dietl inszenierte ihn als "Monaco Franze - Der ewige Stenz". Der freiheitsliebende Kriminalkommissar interessierte sich für alles Mögliche, vor allem aber für die Münchner Damenwelt. Mit dem Job bei der Polizei vertrug sich das nicht wirklich, den gab er bald auf. Sein Chef war aber derselbe wie im "Tatort": Gustl Bayrhammer.

Der Schwierige: Walter Sedlmayr

"Für den Fernsehsender war er ein Heiliger", heißt es in einer neuen Doku über Walter Sedlmayr, "da hat man nicht an der Fassade gekratzt." Wie heilig Sedlmayr tatsächlich war, wird sich wohl nicht mehr feststellen lassen. Sicher aber galt er zu Lebzeiten neben Gustl Bayrhammer als der Bayern liebster Volksschauspieler. Geboren 1926 in München, fing er nach dem Krieg an mit der Schauspielerei. Er war lange an den Kammerspielen, in den Siebzigerjahren vertrauten ihm die Autorenfilmer Syberberg und Fassbinder größere Rollen an. Sedlmayr spielte gerne den "schwierigen Bayern", wurde aber trotzdem oder gerade deswegen zum Serienliebling, in "Polizeiinspektion 1" oder "Der Millionenbauer".

Als Fastenprediger am Nockherberg las Sedlmayr Politikern die Leviten, er hatte eine Radiosendung und mehrere Werbeverträge. Umso größer war der Schock, als man ihn im Juli 1990 ermordet in seiner Schwabinger Wohnung auffand. Über seine Lebensleistung wurde danach kaum noch gesprochen, über seine Verbindungen ins Stricher- und Sadomaso-Milieu umso mehr. Ob sich das nochmal ändern wird? Wohl kaum, auch die neue, zweiteilige Fernsehdoku (zu sehen bei RTL+) interessiert sich mehr für den Kriminalfall als die Karriere, ihr reißerischer Titel lautet: "Walter Sedlmayr - Outing durch Mord".

Die Resolute: Ruth Drexel

Sie standen schon gemeinsam vor der Kamera, als sie noch keine Stars waren: Ruth Drexel und Gustl Bayrhammer spielten im Fernsehfilm "Endkampf" ein Bauernpaar, das zwei Kriegsdeserteure auf dem Heuboden versteckt. Das war im Jahr 1968, da war die im niederbayerischen Vilshofen geborene und an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule ausgebildete Drexel bereits eine gefragte Theaterschauspielerin, mit Engagements an den Kammerspielen, dem Berliner Ensemble oder den Wuppertaler Bühnen. Im Theater arbeitete sie mit Brecht, Kroetz und immer wieder mit ihrem Lebensgefährten Hans Brenner.

Film- und Fernsehkarriere machte sie erst später, sie drehte mit Fassbinder ("Wildwechsel"), Dietl ("Münchner Geschichten") oder Bogner ("Zur Freiheit"). Ruth Drexel arbeitete auch als Theaterregisseurin, von 1988 bis 2002 war sie Intendantin des Münchner Volkstheaters. Die meisten Menschen dürften sie aber aus einer Rolle kennen, die sie von 1995 bis zu ihrem Tod im Jahr 2009 spielte: Als Resi Berghammer war sie die ebenso patente wie resolute Mama in der Krimiserie "Der Bulle von Tölz", nicht selten stahl sie ihrem Filmsohn Ottfried Fischer die Schau. Ruth Drexel starb im Alter von 78 Jahren, ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Friedhof Feldkirchen bei München.

Der Unverfälschte: Karl Obermayr

Obwohl er oft Nebenrollen spielte, gilt er heute als einer der Volksschauspieler, an den sich die Bayern am liebsten erinnern: Das liegt vor allem an der Rolle des Manni Kopfeck, den Karl Obermayr in "Monaco Franze" so herrlich grantelnd spielte, als eine Mischung aus Menschenfreund, Melancholiker und Münchner Original. Der Kopfeck wurde später Namensgeber einer (mittlerweile geschlossenen) Kneipe in der Münchner Altstadt, sein Konterfei wird auf T-Shirts gedruckt (samt dem Spruch: "A Hund bist scho"), auch eine Band hat sich nach ihm benannt. Vor Kurzem erschien eine Obermayr-Biografie im Allitera Verlag: Darin wird auch an die anderen Rollen des gebürtigen Freisingers erinnert, der in seinen Rollen so unverfälscht und glaubwürdig herüberkam, dass man fast vergaß, einem Schauspieler bei der Arbeit zuzuschauen.

Er trat an den Kammerspielen und im Residenztheater auf, war gefragter Hörfunk-Sprecher ("Die Grandauers und ihre Zeit") und spielte in unzähligen Filmen und Serien mit, in "Kehraus", "Münchner Geschichten", "Fast wia im richtigen Leben" oder "Der Ruepp". Auf Gustl Bayrhammer traf er oft, in einer "Tatort"-Episode spielte er einen Obdachlosen, im "Pumuckl" trat er als Wirt auf. Karl Obermayr verstarb 1985 im Alter von nur 54 Jahren, zu seiner Beerdigung kamen 3000 Menschen.

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