Süddeutsche Zeitung

Arbeitszeit:Neue Debatte um Vier-Tage-Woche

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SPD-Chefin Esken ist dafür, die Arbeitszeit zu reduzieren. Damit ist sie nicht allein. Doch es gibt auch Kritik. Der Arbeitgeberverband BDA spricht von einer "Milchmädchenrechnung", die CDU fürchtet einen Schaden für die Wirtschaft. Und auch der Arbeitsminister ist skeptisch.

Von Dimitri Taube

Anlässlich des Tags der Arbeit am 1. Mai gibt es erneut Diskussionen über die Vier-Tage-Woche. Die SPD-Vorsitzende, die Linke und die IG Metall plädieren dafür, die Arbeitszeit zu verringern, und verweisen auf die Vorteile. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gehört dagegen nicht zu den Befürwortern einer flächendeckenden Einführung der Vier-Tage-Woche. Der Arbeitgeberverband BDA, Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius sowie Union und FDP lehnen den Vorschlag ebenfalls ab.

SPD-Chefin Saskia Esken sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sie könne sich "gut vorstellen, dass wir mit einer Vier-Tage-Woche gute Ergebnisse erzielen". Sie verwies auf Studien, "wonach Menschen in einer auf vier Arbeitstage reduzierten Woche effektiver arbeiten, weil sie eine höhere Arbeitszufriedenheit haben". Denn: "Sie haben mehr Privatleben." Gerade Eltern bräuchten andere, flexiblere und geringere Arbeitszeiten, um ihre familiären Pflichten und Bedürfnisse besser organisieren zu können. Esken sprach sich auch für einen Lohnausgleich aus.

Der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, rechnet nach eigenen Angaben damit, dass mit der Vier-Tage-Woche das Arbeitsvolumen insgesamt gesteigert werde. "Elf Millionen Beschäftigte, meist Frauen, arbeiten in Teilzeit. Das sind fast 30 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, das ist mit der höchste Anteil in Europa", erklärte Hofmann im Gespräch mit Bild am Sonntag.

Die Beschäftigtenbefragungen der IG Metall hätten ergeben, dass bei einer Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden mehr Frauen bereit wären, in Vollzeit zurückzukehren, weil das Modell auch mit Familie funktioniere, so Hofmann. "Würden nur zehn Prozent der Frauen in Teilzeit auf die Vier-Tage-Vollzeit gehen, würde das Arbeitsvolumen stärker steigen als durch die von der Regierung angestrebte Fachkräfteeinwanderung von 400 000 Menschen pro Jahr", so Hofmann weiter. Der Arbeitsmarkt habe sich gewandelt und bei jungen Leuten stünde heute Arbeitszeit statt Verdienst ganz oben auf der Prioritätenliste.

Die Linke fordert Lohnzuschüsse für kleinere Betriebe für einen Übergang zur Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Parteichefin Janine Wissler legte einen Plan vor, wie die Arbeitszeitkürzung konkret vonstattengehen könnte. Dazu gehört, zunächst mit Modellversuchen zu starten und die Vier-Tage-Woche dann in drei Schritten in einem Zeitraum von zwei Jahren einzuführen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen aus Wisslers Sicht frei wählen können, ob sie vier oder fünf Tage arbeiten.

Arbeitsminister Heil äußerte sich zum Thema Vier-Tage-Woche zurückhaltend. Zwar könne ein solches Modell im Einzelfall sinnvoll sein, damit etwa ein Unternehmen für Beschäftigte attraktiv sei, sagte der SPD-Politiker im ZDF. Aber: "Ich kann mir das nicht vorstellen für alle Branchen." Wichtiger sei stattdessen mehr Arbeitsflexibilität im Lebensverlauf. Arbeit müsse besser zum Leben passen - etwa, wenn Eltern sich um ihre Kinder oder Angehörige sich um Pflegebedürftige kümmern würden. Ein starres System aber sei falsch, sagte Heil.

Arbeitgeberverband BDA sieht "ein falsches Signal"

Der Arbeitgeberverband BDA weist die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich entschieden zurück. "Deutlich weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich - wirtschaftlich ist das eine Milchmädchenrechnung", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der Bild am Sonntag. Er habe aber nichts gegen individuelle Lösungen in den Betrieben. Der BDA plädiere sehr für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts, dennoch sei eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit "ein falsches Signal in unserer Lage".

Auch Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius ist dagegen. "Wenn unsere erste Priorität ist, bei vollem Lohnausgleich weniger zu arbeiten, gewinnen wir international kein Spiel mehr", sagte Källenius Bild am Sonntag. Die Industrie befände sich in einer Jahrhundert-Transformation, und da müsse man die Ärmel hochkrempeln.

Von Union und FDP kommt ebenfalls Kritik an der Idee der Vier-Tage-Woche. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), warnte, dies werde Deutschlands Wirtschaft schaden. "In Zeiten von Fachkräftemangel die Arbeitszeit zu verkürzen und die Arbeit zu verteuern, würde der Wettbewerbsfähigkeit einen Bärendienst erweisen", sagte Gröhe dem Tagesspiegel. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sagte der Zeitung mit Blick auf Eskens Vorschlag: "Wo eine Vier-Tage-Woche doch vereinbart werden kann, können dies Arbeitnehmer und Arbeitgeber selbst miteinander vereinbaren, ohne auf Ratschläge aus der Politik zurückgreifen zu müssen."

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