Süddeutsche Zeitung

Wahl-Thesentest zur Europawahl:So stehen die Parteien zur Zuwanderung

Lesezeit: 3 min

Mehr Geld für die Seenotrettung statt für Grenzsicherung? Sollen Asylbewerber sich aussuchen können, in welchem Land sie einen Aufnahmeantrag stellen? Im Wahl-Thesentest der SZ schätzten Hunderte deutsche Politiker Fragen zu Innenpolitik und Zuwanderung in die EU ein. Die Auswertung.

Von Antonie Rietzschel

Tausende Menschen begeben sich jedes Jahr auf eine gefährliche Reise von Afrika nach Europa - in der Hoffnung auf ein neues Leben. Gleichzeitig zieht es immer mehr EU-Bürger aus Rumänien und Ungarn auf der Suche nach Arbeit nach Deutschland - und sofort sie stehen unter dem Verdacht, sich Sozialleistungen erschleichen zu wollen. Das Problem drängt, doch die EU-Mitgliedstaaten sind von einer Lösung weit entfernt. Zu unterschiedlich sind die Ansichten zum Thema Einwanderung.

Mehr als 200 Abgeordnete und Kandidaten für die Europawahl haben am Wahl-Thesentest von Süddeutsche.de teilgenommen. Sie hatten - wie Sie, liebe Leser - die Möglichkeit, zu den von uns formulierten Thesen auf einer Skala von 0 ("Ich stimme absolut nicht zu") bis 100 ("Ich stimme absolut zu") Stellung zu beziehen. Die Zwischenstufen "Ich stimme eher nicht zu", "Ich bin unentschieden" und "Ich stimme eher zu" wurden zur Berechnung durch die Werte 25, 50 und 75 ersetzt. Anschließend berechneten wir für jede Partei den Durchschnitt, das arithmetische Mittel. Je höher dieser Mittelwert, desto größer die Zustimmung der Abgeordneten einer Partei zu einer bestimmten These. Hier die Ergebnisse zu den Fragen aus dem Bereich Innenpolitik und Zuwanderung.

Linke Parteien sind klar gegen verschärfte Grenzsicherung

Durch die (Bürger-)Kriege in Libyen und Syrien hat sich die Zahl der Menschen, die nach Europa fliehen, dramatisch erhöht. In der Hoffnung auf ein neues Leben begeben sie sich mit völlig überfüllten Booten auf eine gefährliche Reise - im Oktober 2013 ertranken vor der italienischen Insel Lampedusa 350 Menschen. Das Bootsunglück hat eine Diskussion über die Flüchtlingspolitik in Gang gebracht. Die EU entschied, mehr Geld in die Sicherung der Grenzen zu stecken. Sollte man nicht besser die Seenotrettung unterstützen? Das fragten wir die Parteienvertreter. Besonders die linken Parteien stimmen dem zu. Die Grünen zeigen mit einem Mittelwert von 97 die größte Zustimmung, dicht gefolgt von der Linkspartei (96) und den Piraten (92). Die SPD erreicht einen Mittelwert von 73. Gleichzeitig machen die Parteienvertreter in Kommentaren deutlich, dass dies allein nicht die Lösung sein könne: Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass es nötig sei, auch direkt in den jeweiligen Ländern anzusetzen - beispielsweise durch gezielte Entwicklungshilfe.

SPD zeigt sich bei Lockerung von Asylrecht unschlüssig

Auch wenn die EU ihr Asylrecht leicht abgemildert hat, bleibt das grundsätzliche System gleich: Für Asylsuchende ist jeweils der EU-Staat zuständig, den der Flüchtling als erstes beitritt. Immer wieder flackert die Diskussion auf, ob er nicht vielmehr die Wahl haben sollte, in welchem Land er einen Antrag stellt. Die Positionen der Parteien zu dieser Frage sind nicht so eindeutig wie beim Thema Grenzsicherung versus Seenotrettung. Während Grüne, Linke und die Piratenpartei unserer Umfrage zufolge klar zustimmen, zeigt sich die SPD unschlüssig (44). Die konservativen Parteien lehnen eine solche Lockerung des Asylrechts größtenteils klar ab, insbesondere die CSU (7) und ihre Schwesterpartei CDU (24).

CSU bleibt beim "Wer betrügt, der fliegt"-Prinzip

Mit dem Slogan "Wer betrügt, der fliegt", startete die CSU Ende 2013 eine heftig umstrittene Kampagne gegen Arbeitsmigration. In ihrem Wahlprogramm für die Kommunal- und Europawahl fordert die Partei scharfe Regeln gegen Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme. So ist es nicht verwunderlich, dass der Mittelwert auf der Zustimmungsskala bei folgender Aussage besonders hoch ist: "Arbeitslose Zuwanderer aus der EU sollten den Anspruch auf Sozialleistungen nach kurzer Zeit wieder verlieren, wenn sie keinen Job finden." Die CSU kommt auf 92, dicht gefolgt von der AfD (90). Die CDU schwankt zwischen einer unentschlossenen und zustimmenden Haltung (65). Besonders die linken Parteien lehnen die Aussage ab (Die Linke: 3; Die Grünen: 13; SPD: 38). Ein Linkenpolitiker merkt an, dass Migranten gar nicht so leicht Zugang zu Sozialleistungen hätten, wie unter anderem die CSU propagiere. Tatsächlich haben EU-Bürger, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, gar keinen Anspruch auf Hartz IV - erst bei einer Erwerbstätigkeit besteht das Recht auf Sozialleistungen.

Meiste Parteien unentscheiden bei Ausweisung von EU-Bürgern, die sich nicht an Gesetze halten

Im Mai 2012 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Deutschland kriminelle EU-Bürger ausweisen kann. Auslöser für das Urteil war der Fall eines Italieners, der die Tochter seiner Lebensgefährtin sexuell missbraucht hatte. Doch was ist, wenn hier lebende Menschen aus einem anderen Mitgliedsland allgemein gegen Gesetze verstoßen? Sollen sie dann auch ausgewiesen werden? Ja, findet die CSU. Auf der Zustimmungsskala erreicht sie einen Mittelwert von 86, gefolgt von der AfD. Alle anderen Parteien zeigen außer den Piraten (0), den Linken (7) und den Grünen (25) eine eher unentschiedene Haltung (CDU: 65; FDP: 57; Freie Wähler: 59; SPD: 35). Den Kommentaren ist zu entnehmen, dass sie sich eine Differenzierung wünschen bei Gesetzesverstößen: Falsch parken solle demnach nicht dazu führen, dass jemand ausgewiesen wird.

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