Süddeutsche Zeitung

Regierungserklärung:Scholz wirbt vehement für den Asylkompromiss

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Als "historische Einigung" bezeichnet der Kanzler im Bundestag den umstrittenen Asylkompromiss in der EU - und wirbt um die Grünen. Denn die haben damit immer noch ein Problem.

Von Daniel Brössler, Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den umstrittenen Asylkompromiss in der Europäischen Union als "historische Einigung" gewürdigt, aber auch Verbesserungen in Aussicht gestellt. Die nach langwierigen Verhandlungen von den EU-Innenmistern in Luxemburg erzielte Verständigung auf Asylverfahren an den EU-Außengrenzen zeige, "dass die EU ihre Differenzen auch bei den kontroversesten Themen überwinden kann", sagte Scholz am Donnerstag im Bundestag.

Seine Regierungserklärung zum EU-Gipfel kommende Woche nutzte der Kanzler dabei auch für Signale an den grünen Koalitionspartner. Dort hatte die Zustimmung durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu erheblichen innerparteilichen Verwerfungen geführt.

"Ich weiß, hier in diesem Haus ist die Einigung nicht unumstritten. Alle haben dafür Kompromisse eingehen müssen, auch Deutschland", sagte Scholz. Die Bundesregierung werde bis zur endgültigen Verabschiedung der Reform aber für Verbesserungen sorgen. Faeser hatte bereits nach der Einigung auf die anstehenden Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament verwiesen. Die Bundesregierung hofft mit Unterstützung des EU-Parlaments doch noch humanere Regelungen für Kinder durchsetzen zu können. Im Bundestag erklärte Scholz, die Einigung solle "weiterentwickelt" werden, sprach sich aber grundsätzlich vehement für den Kompromiss aus.

Scholz fordert schnellere Klarheit darüber, wer schutzberechtigt ist und wer nicht

"Ich werde ihn beim Europäischen Rat kommende Woche aus Überzeugung verteidigen und dafür eintreten, dass wir noch vor den Europawahlen nächstes Jahr zu einer Einigung mit dem Europäischen Parlament kommen", sagte er. Die neue Regelung liege "im Interesse der Einheit und Handlungsfähigkeit Europas". Überdies sei das bisherige System "völlig dysfunktional". So sei zuletzt der überwiegende Teil der in Deutschland ankommenden Asylsuchenden vorher in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat registriert worden, obwohl Deutschland von Schengen-Staaten umgeben sei. "Dieses System werden wir durch eine Vereinbarung ersetzen, die Verantwortung an der Außengrenze mit der Solidarität aller verbindet", sagte Scholz.

Die Einigung der EU-Staaten Anfang Juni in Luxemburg sieht vor, dass Asylanträge von Migranten, die aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent stammen, bereits an den EU-Außengrenzen innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. In dieser Zeit sollen die Schutzsuchenden verpflichtet werden, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll umgehend zurückgeschickt werden.

"Wir wollen schneller Klarheit, wer als Kriegsflüchtling oder politisch Verfolgter schutzberechtigt ist und wer nicht. Das ist besser als jahrelange Ungewissheit, auch für die Neuankömmlinge", verteidigte Scholz die angestrebte Neuregelung. Deutschland werde durch ein solches "neues und faires System entlastet". Gerecht sei auch, dass Mitgliedstaaten, die sich nicht an einer "solidarischen" Aufnahme von Geflüchteten beteiligten, einen finanziellen Beitrag zum Migrationsmanagement leisten sollen.

Für die Grünen ist der Konflikt um den Asylkompromiss noch nicht ausgestanden

Deutlich wurde in der Debatte allerdings, dass der Konflikt für die Grünen und damit auch für die Ampel nicht ausgestanden ist. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte es einen "untragbaren Zustand", dass bislang 23 von 27 Ländern Kinder nicht aus dem Grenzverfahren herausnehmen wollten. Es liege in der Verantwortung der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass es zu Verbesserungen komme.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf den Ampelparteien vor, ihre Überzeugungen verraten zu haben. "Wie hätten sie sich aufgeregt, wenn Horst Seehofer einen Asylkompromiss vorgelegt und verteidigt hätte, wo Kinder in Lagern an der europäischen Außengrenze eingesperrt werden", sagte er. Als Innenminister hatte sich der CSU-Politiker jahrelang für einen schärferen Kurs in der EU-Asylpolitik eingesetzt und sich in der großen Koalition damit nicht gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die SPD durchsetzen können.

Während CDU-Chef Friedrich Merz in seiner Antwort auf die Regierungserklärung das Asylthema aussparte, rügte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Ankündigung von Scholz, sich für Verbesserungen einsetzen zu wollen. "Was gilt denn jetzt, Herr Bundeskanzler: Historische Einigung oder Aufweichen und Aushöhlen dieses Kompromisses?", fragte er. Scholz verspiele "das Vertrauen unserer europäischen Partner".

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