Süddeutsche Zeitung

US-Truppenabzug aus Deutschland:Abflug mit Turbulenzen

Lesezeit: 3 min

Während der US-Außenminister sich im Kongress harsche Kritik anhören muss, fordern Politiker von SPD und Grünen, einen Milliardendeal platzen zu lassen. "Kindisch" nennt das Norbert Röttgen von der CDU.

Von Matthias Kolb, Brüssel, Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin, München

Das US-Außenministerium ist nicht primär verantwortlich für die Entscheidung der Regierung von Präsident Donald Trump, fast 12 000 Soldaten aus Deutschland abzuziehen. Der Terminplan des Kongresses in Washington aber wollte es so, dass sich Ressortchef Mike Pompeo am Donnerstag einer Befragung zum Budget seines Hauses im Senat stellen musste. Und sich, nachdem er erklärt hatte, in die strategische Entscheidungsfindung einbezogen gewesen zu sein, mit harscher Kritik konfrontiert sah. Das einzige Land, das den Abzug von US-Truppen aus Deutschland öffentlich gutgeheißen habe, sei Russland, ätzte die Demokratin Jeanne Shaheen.

Die Truppen stünden ja weiter zur Verfügung, entgegnete Pompeo, der auf seine eigene Stationierung als GI an der damaligen innerdeutschen Grenze verwies. Nur sei Deutschland anders als damals halt heute kein Frontstaat mehr. Ein Teil der Soldaten werde ja näher an Russland stationiert als bislang. Der Republikaner Mitt Romney bohrte weiter. Aus höchsten Regierungskreisen sei ihm bekannt, dass Deutschland es als Beleidigung auffasse, dass Trump den Abzug als Strafaktion angeordnet habe, weil die Bundesrepublik nicht das bei der Nato vereinbarte Ziel erfülle, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. "Was will die Regierung unternehmen, um unsere Verbündeten zu einen?", fragte er, nachdem Pompeo zuvor den Wert von Allianzen gepriesen hatte, um Russland, vor allem aber auch China entgegenzutreten. Senat und Repräsentantenhaus müssen die Kosten für den Abzug erst noch bewilligen.

Kramp-Karrenbauer will nun Europas Sicherheitspolitik schneller voranbringen

Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) meldet sich nun zu Wort. "Bedauerlich" nennt sie die Pläne, die ihr Kollege Mark Esper zwei Tage zuvor verkündet hatte. Nach dem Sommer will sie die Regierungschefs der vier am meisten betroffenen Bundesländer im Süden Deutschlands einladen, "um zu besprechen, wie die Bundeswehr die betroffenen Regionen unterstützen kann". Die Truppe wächst und braucht Platz. Möglich, dass sie für die eine oder andere Liegenschaft der US-Army Verwendung hat. Kramp-Karrenbauer erinnert aber auch an die sicherheitspolitischen Implikationen: "Zur Wahrheit gehört, dass gutes Leben in Deutschland und Europa immer mehr auch davon abhängt, wie wir selbst für unsere Sicherheit sorgen."

Sie möchte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik "endlich schneller" voranzukommen. Gemeinsam mit Frankreich, aber auch anderen Staaten, sollen neue Panzer und Kampfflugzeuge entwickelt werden - und eine gewisse Unabhängigkeit bewahren.

Es war ein Zufall, aber ausgerechnet in dieser turbulenten Woche war ein ranghoher Vertreter Berlins zu Gast in Washington: Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Die Reise des CSU-Politikers war lange geplant, an Themen mangelt es nicht: gemeinsame Auslandseinsätze, Beschaffungsvorhaben; durch den Abzugsbeschluss erhielt sie nun allerdings einen anderen Stellenwert.

Gespräche über Milliardengeschäfte

Während Präsident Donald Trump also wütete über Deutschlands aus seiner Sicht viel zu geringen Verteidigungsausgaben, bekam Silberhorn einen Empfang im Westflügel des Weißen Hauses mit persönlicher Führung durch die Büros des Vizepräsidenten, Termine im Pentagon mit Generälen, ein Gespräch bei Matt Pottinger, dem stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater, und Abgeordneten.

Silberhorn hielt auf Twitter dagegen, Trumps liebstem Sprachrohr. Deutschland zahle "seine Beiträge und erfüllt seine Verpflichtungen". Der Ton seiner Gesprächspartner: um Sachlichkeit bemüht. Silberhorn bekam auch die Gelegenheit, sich auf einem Luftwaffenstützpunkt die Kampfjets und Transporthubschrauber anzuschauen, die Deutschland zu kaufen erwägt. Auch darüber führte er Gespräche, über diese Milliardengeschäfte.

Soll es die nun wirklich nicht mehr geben, so wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich es verlangt und etwa auch der Grüne Jürgen Trittin? Silberhorn hat den Eindruck, dass die Amerikaner fest mit den Aufträgen rechneten, auch wenn im Fall der F-18 mindestens zwei Jahre bis zur finalen Kaufentscheidung bleiben. "Gemeinsame Projekte jetzt zu überdenken würde nur als Bestätigung betrachtet, dass Deutschland zu wenig tut, und das deutsch-amerikanische Verhältnis weiter belasten", sagt Silberhorn. Außerdem richteten sich die Beschaffungsvorhaben danach, was die Bundeswehr brauche. "Es ist nicht so, dass wir Projekte verwirklichen, um die USA zu besänftigen. Es geht darum, vorhandene Fähigkeiten zu erhalten. Das erwarten auch die USA von uns." Und nicht nur das. Republikaner wie Demokraten hätten ihm klargemacht, dass Deutschland seinen Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit in Europa leisten müsse.

Während Kramp-Karrenbauer einfach über Mützenichs Vorschlag hinwegging, empört dieser Unionspolitiker aus dem Bundestag. Der Außenpolitiker Norbert Röttgen, der sich um den Parteivorsitz der CDU bewirbt, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die Forderung Mützenichs ist politisch unehrlich und entspricht dem kindischen Denkmuster Donald Trumps." Mützenich wolle sowieso den F-18-Kauf stoppen - der SPD-Mann plädiert dafür, die in Deutschland lagernden US-Atomwaffen abzuziehen und auf eine herausgehobene Rolle Deutschland in der nuklearen Teilhabe der Nato zu verzichten. Trumps Politik liefere ihm "eine Ausrede, eine deutsche Sicherheitspolitik zu wollen, die sich von den USA abwendet", kritisiert Röttgen. Parteikollege Roderich Kiesewetter wies darauf hin, dass Berlin mindestens im Fall der Transporthubschrauber keine Alternative hat. Europa profitierte von den Hochtechnologie-Produkten der US-Rüstungsindustrie. "Dafür gibt es in Europa bisher keinen adäquaten und bezahlbaren Ersatz."

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Quelle:
SZ vom 01.08.2020
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