Süddeutsche Zeitung

Waffenschmuggel:Knarren aus Kroatien für die Kameraden

Lesezeit: 3 min

Die Polizei hat einen mutmaßlichen Waffenschmuggler festgenommen. Der Verdächtige ist bestens mit der rechten Szene vernetzt - und AfD-Mitglied.

Von Martin Bernstein

Ein 48 Jahre alter, im Landkreis München gemeldeter Mann steht im Verdacht, Waffen und Munition aus Kroatien nach Deutschland geschmuggelt und sie an Rechtsextremisten und sogenannte Reichsbürger weitergegeben zu haben. Der Verdächtige ist selbst seit Jahren in der rechten Szene im Raum München aktiv. Die meisten der mittlerweile bekannten 13 Abnehmer seiner gefährlichen Ware leben ebenfalls in München oder im Umland der Stadt. Offen ist bislang, ob es sich dabei um eine organisierte Gruppe handelt. Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) ermittelt gegen insgesamt 15 Personen. Der in Kroatien festgenommene und kürzlich an Deutschland ausgelieferte 48-Jährige gilt als Hauptverdächtiger.

Die Ermittlungen begannen vor mehr als zwei Jahren in Kroatien. Dort war der Geheimdienst auf eine Gruppierung der organisierten Kriminalität aufmerksam geworden, die schwunghaften Handel mit Waffen betrieb, die seit dem jugoslawischen Bürgerkrieg in Massen in dem Adriastaat kursieren. In einer "Telum" ("Waffe") genannten Operation schlug die kroatische Polizei zu und nahm 17 mutmaßliche Bandenmitglieder fest. Sichergestellt wurde unter anderem ein Raketenwerfer.

Bereits damals, im Juni 2018, wurden auch sechs Immobilien in Deutschland durchsucht. Die Polizeibehörde Europol warnte vor möglichen Zusammenhängen mit "weiteren kriminellen oder terroristischen Aktivitäten". Auch München war einer der Lieferorte der tödlichen Ware.

Die Ermittler stießen auf einen in Kroatien lebenden Deutschen, der sich als Zwischenhändler betätigt haben soll. Der mittlerweile 48-Jährige wurde Mitte Juli in seinem Adria-Domizil festgenommen. Einige Tage zuvor hatten bereits seine mutmaßlichen deutschen Kunden Besuch bekommen: Mehr als 200 Polizisten und vier Staatsanwälte durchsuchten im Auftrag der Münchner Generalstaatsanwaltschaft die Wohn- und Geschäftsräume von zwölf Verdächtigen in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Österreich. In einer Antwort vom Oktober an die Grünen-Landtagsabgeordneten Cemal Bozoğlu und Katharina Schulze teilt das bayerische Innenministerium mit, wo die Fahnder fündig wurden: In München, Dachau, Erding, Moosinning und Tuntenhausen entdeckten sie Waffen und Munition. Auch in Grafing, Gröbenzell, Karlsfeld und Passau gab es Razzien. Ein Dachauer mit Verbindungen in die Rockerszene wurde festgenommen.

Sichergestellt wurden bei der Razzia unter anderem zwei halb automatische Kurzwaffen, eine Pumpgun und 200 Schuss Munition. Zudem seien rechtsradikale Schriften, Nazi-Devotionalien und Reichsbürgerunterlagen entdeckt worden. Das beunruhigte die Ermittler ebenso sehr wie der mutmaßliche Waffenschmuggel. Denn 14 Beschuldigte - elf von ihnen aus Bayern - stehen nach Angaben des Innenministeriums im Verdacht, dass sie "dem rechtsextremen Spektrum und/oder der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen" sind. Acht von ihnen sind deshalb bereits mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. "Gut vernetzte und organisierte Neonazikader", wie die Grüne Schulze sagt.

Der Kundenkreis ist wohl kein Zufall. Denn der mutmaßliche Drahtzieher des Waffenschmuggels ist für Kenner der rechten Szene ein alter Bekannter. Der Fachjournalist Robert Andreasch von der Münchner Archiv- und Informationsstelle Aida beobachtet den heute 48-Jährigen seit Jahren. Seit 2008 sei der Mann in der NPD, deren Münchner Tarnorganisation BIA (Bürgerinitiative Ausländerstopp) und in der Neonazi-Kameradschaftsszene aktiv gewesen.

Im ZDF sagt ein Zeuge, die Waffen seien für die AfD bestimmt gewesen

Im Frühjahr 2016 tauchte er dann bei der AfD auf. Dort fühlt man sich getäuscht. Der Mann habe bei seiner Aufnahme in den Kreisverband München-Land seine vorherigen Parteimitgliedschaften offenbar verschwiegen, sagt die gegenwärtige Kreisvorsitzende Christina Specht. Woher sie das weiß? "Sonst hätte er aufgrund der Unvereinbarkeitsregeln der AfD als ehemaliges NPD-Mitglied auch nicht aufgenommen werden dürfen." Der Mann schulde der Partei "viele Hundert Euro an nicht gezahlten Beiträgen", er sei "über seine E-Mail-Adresse und auch seine Postadresse seit Jahren nicht erreichbar" gewesen. Ende Dezember hätte er deswegen seine Mitgliedschaft sowieso verloren. Die Aussagen dieser "kriminellen Person" seien mit Sorgfalt zu bewerten, fordert Specht.

Die brisanteste Aussage in dem Fall hat indes gar nicht der 48-Jährige getätigt. Sie war am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Frontal 21" zu hören. Demnach soll ein kroatischer Zeuge über das Ziel des Waffenschmugglers behauptet haben: "Die Waffen, die er nach Deutschland fuhr, seien für die AfD, eine rechte Partei, vorgesehen gewesen." Der Deutsche habe sich unter anderem auch für Skorpion- und Kalaschnikow-Maschinenpistolen "interessiert".

Die AfD-Kreisvorsitzende Specht betont, "dass in unserem Kreisverband meines Wissens niemals jemand illegal Waffen angeboten beziehungsweise gekauft hat". Auch der Verteidiger des 48-Jährigen erklärt laut "Frontal 21", dass sein Mandant nicht mit Waffen gehandelt habe. Der 48-Jährige sei zudem inzwischen aus der rechten Szene ausgestiegen.

Für die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsschützer des Polizeipräsidiums München gilt der 48-Jährige mit seinen vielfältigen Kontakten in die rechtsextreme Szene freilich nach wie vor als Hauptverdächtiger. Ihm werden Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- sowie das Waffengesetz zur Last gelegt. Ein extremistischer Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden, sagt Behördensprecher Klaus Ruhland. Es geht also wohl um mehr als nur um illegale Geschäfte. Auch um gemeinsam verabredete Straftaten? Die Ermittlungen dauerten noch an, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Ruhland. Er könne deshalb dazu keine Angaben machen.

Der Landtagsabgeordnete Bozoğlu möchte aber noch mehr wissen: "Ging es hier ausschließlich um die eigene Bewaffnung? Oder fließen über den Weiterverkauf Gelder in die rechte Szene, um deren Aktivitäten zu finanzieren?"

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Quelle:
SZ vom 12.12.2020
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