Süddeutsche Zeitung

Scholz-Reise:Deutschland setzt auf ein starkes Indien

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Bundeskanzler Olaf Scholz vereinbart bei seinem Besuch in Neu-Delhi mit seinem Amtskollegen Modi eine engere Zusammenarbeit. Damit will er gleich zwei Rivalen einhegen: Russland und China

Von Daniel Brössler und Claus Hulverscheidt, Neu-Delhi

Die Bundesregierung will ihre Beziehungen zu Indien ausbauen und damit in Ostasien ein wirtschaftliches und politisches Gegengewicht zu den Großmächten China und Russland schaffen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Narendra Modi in Neu-Delhi dafür aus, die Arbeiten an einem Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU rasch abzuschließen. Zudem sollen deutsche Firmen verstärkt in dem Land investieren und die Einreisebestimmungen für indische IT-Experten in die Bundesrepublik gelockert werden. Der deutschen Rüstungsindustrie winkt darüber hinaus ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit Indien.

Modi setzt beim Krieg auf Dialog

Mit ihrer Initiative möchte die Bundesregierung einerseits dazu beitragen, dass sich die deutsche Wirtschaft im Ausland breiter aufstellt und aus der teils starken Abhängigkeit von China befreit. Indien gehört in diesem Konzept zu den wichtigsten Alternativmärkten. Zugleich will Scholz das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt ein wenig aus der wirtschaftlichen Umklammerung durch Russland lösen, die dazu beiträgt, dass sich Indien im UN-Sicherheitsrat wiederholt enthalten hatte, wenn es um die Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ging. Indien hat seine Importe aus Russland im letzten Jahr sogar massiv ausgeweitet und profitiert davon, dass Moskau wegen der westlichen Sanktionen vor allem Öl deutlich billiger verkaufen muss. Kritiker werfen Modi vor, die Sanktionen damit auszuhebeln.

Scholz sagte mit Blick auf die jüngste UN-Resolution, er sei sicher, "dass auch unter den Ländern, die nicht mitgestimmt haben, die allermeisten das als einen Angriffskrieg bewerten". Modi dagegen sprach sich für eine Verhandlungslösung aus. "Indien hat von Anfang an, seit dem Ausbruch dieses Krieges, darauf hingewiesen, dass dieser Krieg auf dem Wege des Dialogs und der Diplomatie gelöst werden muss", betonte er. Deutschland, die Ukraine und viele westliche Partner sehen dagegen keinen Sinn in Verhandlungen, solange Russland nicht zum Truppenabzug bereit ist.

Fachkräfte sollen leichter ins Land kommen

Der Kanzler kündigte zudem an, die Erteilung von Visa an indische Fachkräfte zu erleichtern und "das ganze bürokratische Verfahren zu modernisieren". So sollen IT-Spezialisten und ihre Familien ins Land kommen können, auch wenn sie kein konkretes Jobangebot haben und noch kein Deutsch sprechen. Zunächst könnten sich die indischen Spezialisten mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen "locker auf Englisch unterhalten", so Scholz. Die Bundesrepublik braucht dringend IT-Fachkräfte, während es in Indien teils an Jobs für junge Menschen mangelt. Dennoch erhielten 2022 nicht einmal 3000 indische Fachkräften ein Visum für Deutschland.

Scholz und Modi sprachen auch über Rüstungsprojekte, sagten aber nicht, über welche. Nach indischen Medienberichten sucht die Regierung in Neu-Delhi einen Kooperationspartner für den Bau von sechs U-Booten. Aus Deutschland käme dafür ThyssenKrupp Marine Systems in Frage, aber auch Südkorea soll im Rennen sein. Ein solches Geschäft wäre mehrere Milliarden Euro wert.

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