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Ernährung und Politik:Kommt nach dem Veggieday bald der Fleischtag?

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Bayerns Ministerpräsident Söder und sein Stellvertreter Aiwanger beklagen sich häufig über grüne Bevormundung. Doch beim Essen zeigen auch sie wenig Toleranz. Über den Kampf um die Fleischtöpfe.

Glosse von Thomas Balbierer

Erinnert sich noch jemand an die Bundestagswahl 2013? Es gab spannendere Ereignisse, zugegeben. Ein paar Dinge sind trotzdem hängen geblieben: der glücklose SPD-Kandidat Peer Steinbrück, der der Öffentlichkeit auf dem Cover des SZ Magazins den Mittelfinger zeigte; Angela Merkel, die ihrem feiernden Generalsekretär nach dem Wahlsieg das Deutschlandfähnchen aus der Hand stahl; und die Grünen, die mit ihrer Idee eines fleischlosen Kantinentags krachend scheiterten.

Der sogenannte Veggieday wurde für Kritiker zum Symbol einer lustfeindlichen Politik. Der Idee erging es wie so vielen Vorschlägen, die durch den Teilchenbeschleuniger der öffentlichen Debatte gejagt werden: Sie geriet außer Kontrolle und trudelt seitdem wie Weltraumschrott durch den politischen Orbit.

Zehn Jahre später wirkt die Veggieday-Debatte wie von einem anderen Stern. In den meisten Kantinen gibt es standardmäßig vegetarische Alternativen, die Supermarktregale sind voll von veganem Fleischersatz. Tierfreie Ernährung boomt, ganz ohne grüne Rezeptvorschläge.

Schwer Verdauliches kommt heute aus der konservativen Ideenküche - etwa wenn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf Instagram Bilder von üppigen Fleischgerichten teilt. Oder wenn sein Koalitionspartner Hubert Aiwanger Naturschützern dieser Tage rät, "auch mal ein Stück Fleisch vom heimischen Weiderind oder Hirsch" zu essen, damit "die Lebensfreude wieder zurück" komme.

Ausgerechnet Söder und Aiwanger, die so gern über eine angebliche Bevormundung durch Grüne und Linke klagen, machen den Teller zur politischen Schlachtplatte. Tofu-Wurst und vegane Burger findet Söder "theoretisch möglich, aber sinn- und geschmacklos". Die CSU sei schließlich "nicht die Avocado-, sondern die Schnitzeletage". Und Aiwanger meint zu wissen, dass Bauarbeiter Leberkässemmel und Co. in rauen Mengen bräuchten. "Wenn der nur einmal die Woche Fleisch kriegt und nur Salat, fällt er am dritten Tag vom Gerüst runter."

Der Kampf um die Fleischtöpfe leuchtet ein, seit der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes diese Woche Alarm schlug: "Das Schäufele ist gefährdet." Falls die Tierhaltung in Deutschland reduziert werde - eine Folge von Klimaschutz und veränderten Essgewohnheiten -, komme die fränkische Spezialität demnächst aus Spanien. Wenn das wahr ist, müssen Söder und Aiwanger schleunigst einen Fleischtag in ihr Wahlprogramm aufnehmen.

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