Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Das Geheule um den Wolf

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Wenn der Garmisch-Partenkirchner Landrat seinen Landkreis per genereller Abschusslizenz zur wolfsfreien Zone machen will, dann wird er es juristisch schwer haben. Politisch darf er auf Beifall aus der Staatsregierung hoffen.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Als die Regierung von Oberbayern Anfang 2022 schon einmal den Abschuss eines Wolfs erlaubt hatte, hätte darauf die erste legale Tötung eines wildlebenden Wolfes in Bayern seit 140 Jahren folgen können. Es folgten aber erst einmal eine Klage vom Bund Naturschutz (BN) und eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts gegen diese Erlaubnis. Und dann folgte irgendwann die Nachricht, dass jener Wolf, der im Landkreis Traunstein etliche Nutz- und Wildtiere gerissen hatte und durch Orte gestreift war, längst in Tschechien überfahren worden war. Der Verwaltungsgerichtshof als nächste Instanz musste sich daher nur noch einen Beschluss fassen, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat.

"Ist der Tod des Wolfes bereits vor Erlass der Allgemeinverfügung zu dessen Entnahme eingetreten, konnte der mit der Allgemeinverfügung verfolgte Zweck, nämlich die erlaubte Tötung dieses Wolfes, von Anfang an nicht erreicht werden", stellte der VGH also vor einem Jahr fest und schloss sich sonst weitgehend der Vorinstanz und damit dem BN an. Wenn nun der Garmisch-Partenkirchner Landrat Anton Speer (FW) von der Regierung von Oberbayern eine Art Generallizenz zum erleichterten Abschuss aller Wölfe haben will, so dürfte er es also juristisch schwer haben. Politisch allerdings könnte sein Antrag vielen von Nutzen sein.

Die allermeisten Tierhalter, Almbauern und Landwirte und auch die meisten anderen Menschen in seinem Landkreis hat Speer hinter sich. Speziell die Schafzucht ist im Werdenfelser Land manchem eine Lebensgrundlage, vor allem aber ist sie vielen Hobby-Haltern mit oft nur einer Handvoll Tiere eine gern gelebte Tradition. Wenn sie aber damit rechnen müssten, dass ihre sommers auf teils weitläufigen und abgelegenen Almen weidenden Schafe und Ziegen jederzeit zur Beute von Wölfen werden könnten, so würden viele Viehhalter ihre Tiere gar nicht mehr auftreiben, argumentiert Speer angesichts einiger dokumentierter Wolfsrisse und sonstiger Nachweise in den vergangenen Monaten.

Ohne Beweidung aber würde es die Almflächen und damit die ganze Kulturlandschaft bald nicht mehr geben, mit der sich der Landkreis gerade um einen Eintrag in die Welterbe-Liste der Unesco bewirbt. Auch der Erhalt dieser Landschaften und Ökosysteme sei ein Gebot des Naturschutzes, argumentiert Speer. Für seine beantragte "Weideschutzzone" mit erleichterter Abschussmöglichkeit für alle Wölfe hat Speer gleich die Landkarten aus der Welterbe-Bewerbung benutzt, das Gebiet umfasst nahezu den gesamten Landkreis.

Die Almen rund um Garmisch-Partenkirchen gehören wie die insgesamt etwa 1400 Almen und Alpen in Oberbayern und im Allgäu zu den Weideschutzzonen, wie sie inzwischen im Auftrag der Staatsregierung definiert wurden. In diesen Gebieten seien Nutztiere nicht mit einem zumutbaren Aufwand etwa durch Zäune oder Hunde vor Wölfen zu schützen, weshalb die Halter gerissener Tiere auch ohne nachgewiesenen Herdenschutz eine staatliche Entschädigung erhalten können. Eine Lizenz zum Abschuss der streng geschützten Wölfe bedeute das jedoch nicht, auch wenn die Staatsregierung gelegentlich anderes suggeriere, betont der Wolfsexperte des BN, Uwe Friedel. Per Definition wolfsfreie Zonen dürfe es laut Bundesrecht auch in Bayern nicht geben.

Gleichwohl könnte Speer mit seinen Antrag bei der Staatsregierung offene Türen einrennen. "Der Wolf gehört hier nicht her", hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Sommer bei einer Almbauernversammlung in Oberbayern gesagt, von erleichterten Abschüssen gesprochen und betont, dass die Almwirtschaft im Zweifel wichtiger sei als ein einzelner Wolf. Auch FW-Chef Hubert Aiwanger, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (FW) haben sich immer wieder ähnlich geäußert.

BN-Experte Friedel hält es angesichts dessen für naheliegend, dass es vor Speers aktuellem Vorstoß "abstimmende Gespräche mit der Staatsregierung gegeben haben könnte". Zugleich gesteht er durchaus zu, dass die Anwesenheit des Wolfs "ein Riesenproblem für die Weidetierhaltung" ist und viele Gebiete in den Bergen kaum mit Zäunen zu schützen seien. Die Definition jener Flächen im staatlichen "Aktionsplan Wolf" hält Friedel allerdings für "zu lax". Statt dauernd nach Abschussmöglichkeiten zu rufen, braucht es für Friedel "weitgehende und umfassende Lösungen, die teilweise über Jahre entwickelt werden müssen", zum Beispiel größere Herden mit immer anwesenden Hirten und Hunden. Dauernde Debatten mit dem Landesamt für Umwelt, ob dieses oder jenes Schaf nun von einem Hund oder doch von einem Wolf gerissen worden sei, lenkten davon nur ab.

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