Süddeutsche Zeitung

Energiepolitik:Wie Bayern über die Verstaatlichung der Wasserkraft diskutiert

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Die meisten Parteien wollen, dass der Freistaat die fast 100 Kraftwerke an Isar, Lech, Donau und Main wieder übernimmt, die er vor drei Jahrzehnten privatisiert hat. Und doch dominieren bei der Debatte im Parlament Streit und Schuldzuweisungen.

Von Matthias Köpf

Ginge es rein um die Verstaatlichung der 97 bayerischen Uniper-Wasserkraftwerke an Isar, Lech, Donau und Main, so wäre die Politik längst am Ziel. Mit mehr als 30 Milliarden Euro hat der Bund Uniper im vergangenen Jahr gestützt, weil dessen Handelsgeschäfte mit russischem Erdgas seit dem Angriff auf die Ukraine nicht mehr aufgingen. Seither hält die Bundesrepublik 99 Prozent der Anteile an Uniper und damit auch an den Kraftwerken. Aus Sicht der bayerischen Politik bietet sich deswegen die Chance, die in den Neunzigerjahren von der CSU-geführten Staatsregierung unter Ministerpräsident Edmund Stoiber privatisierten Kraftwerke wieder in die Hand des Freistaats zu bekommen. Unter fast allen Parteien im Landtag herrscht darüber weitgehende Einigkeit. Das Thema ist am Dienstag trotzdem in die Mühlen des Wahlkampfs geraten.

"Wir stehen Gewehr bei Fuß, wir werden im Freistaat in solche Verhandlungen eintreten", sagte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber in einer aktuellen Stunde im Landtag. Glauber und seine Freien Wähler hatten sich wie die Grünen schon im vergangenen Sommer dafür ausgesprochen, die einstigen Bayernwerke wieder zu verstaatlichen. "Manchmal gibt's einfach eine zweite Chance", sagte Glauber am Dienstag. Der Ball liege aber derzeit in Berlin.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe auf seinen Vorstoß im Oktober nur geantwortet, man müsse darüber nachdenken, und das tue er offenbar bis heute, sagte Glauber. "Sagen Sie uns Bescheid", forderte Glauber von den Grünen und der SPD, welche die Staatsregierung besonders vehement zum Handeln aufforderten und wiederholt darauf hinwiesen, dass Stoiber und die CSU damals bayerisches Tafelsilber verscherbelt hätten.

Nun biete sich die Möglichkeit, "einen CSU-Fehler der Vergangenheit im Interesse der Zukunft jetzt zu korrigieren", sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann, dessen Partei das Thema für die aktuelle Stunde vorgeschlagen hatte. Wasserkraft sei "die erneuerbare Sicherheitsenergie", und wenn die Kraftwerke in der Hand des Staates wären, dann halte das nicht nur die finanzielle Wertschöpfung im Land, sondern erleichtere auch den Hochwasserschutz, das Niedrigwassermanagement in Zeiten zunehmender Trockenheit und den besseren Schutz wertvoller Lebensräume entlang der Flüsse. Die CSU habe in der Energiepolitik verschleppt, verhindert und verkauft und Bayern besonders abhängig von Öl und Gas gemacht, bekräftigte Hartmanns Co-Vorsitzende Katharina Schulze. "Es ist unser Wasser, unsere Energie. Der Staat sollte damit Geld verdienen und niemand sonst."

Das allerdings geht der FDP gegen den Strich, für die Albert Duin ans Rednerpult trat und sich als einziger Abgeordneter klar gegen die endgültige Verstaatlichung der Kraftwerke wandte. Es gelte weiterhin "privat vor Staat", denn der Staat sei "nicht der bessere Unternehmer" und verdiene speziell am Strom ohnehin schon kräftig mit, weil 50 Prozent des Strompreises aus Abgaben bestünden. Ohne die FDP und ihren Bundesfinanzminister Christian Lindner wird aber auch in der Ampelkoalition im Bund nicht über den Verkauf von Uniper im Ganzen oder von einzelnen Teilen wie den bayerischen Kraftwerken entschieden werden können.

Der CSU fehlen Fakten wie der Preis

Der CSU fehlen für eine Entscheidung laut Alexander Flierl ohnehin die nötigen Informationen: "Wir brauchen Daten, Fakten, wir brauchen Einzelheiten, wir brauchen gesicherte Erkenntnisse." Kerstin Schreyer stellen sich unter anderem Fragen wie "Was kostet das Ganze?" und "Kann es der Staat besser als diejenigen, die es jetzt machen?" Einen "schweren" oder gar "historischen Fehler" will sich die CSU von SPD-Chef Florian von Brunn und den Grünen ohnehin nicht vorwerfen lassen, denn die Milliardenerlöse aus der Bayernwerk-Privatisierung in den Neunzigerjahren habe die Staatsregierung in Hochschulen, Stoibers High-Tech-Offensive und auch in den bayerischen Umweltfonds investiert.

Die Grünen dagegen sind Schreyer "noch nie als Förderer der Wasserkraft aufgefallen" - schon gar nicht der sogenannten kleinen Wasserkraft, für die sich CSU und Freie Wähler stark gemacht haben, als die Bundesregierung diese vielen, oft winzigen Kraftwerke aus der Förderung für erneuerbare Energien fallen lassen wollte. Aus Sicht vieler Naturschützer ist die Stromproduktion dieser kleinen Kraftwerke viel zu gering im Verhältnis zu den Schäden, die sie an der Ökologie der Flüsse verursachten.

Die 97 Uniper-Kraftwerke spielen da in einer anderen Liga. Sie stehen zusammen für etwa ein Drittel der Wasserkraft in Bayern und stellen etwa fünf Prozent des in Bayern insgesamt produzierten Stroms her, was Minister Glauber "mit einer Leistung von einem mittelgroßen Atomkraftwerk" beschrieb.

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