Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl:Vor allem Senioren sichern Ramelows Erfolg

Lesezeit: 3 min

Hätten nur Frauen gewählt, wäre die CDU vor der AfD zweitstärkste Kraft geworden - und für die Grünen war der Fridays-for-Future-Effekt schwach. Ein Grafik-Überblick zur Frage: Wer hat in Thüringen wen gewählt?

Von Jana Anzlinger und Michael Hörz

Die Partei hat Tradition, sie rückt immer weiter in die Mitte, ist vor allem bei der Generation Ü60 beliebt und erfolgreich - nein, hier ist nicht die CDU gemeint. Es ist die Linke, die aus der Wahl in Thüringen als stärkste Kraft hervorgegangen ist. Ihr Spitzenkandidat, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, gilt als äußerst beliebt und wird auch gern mal der "konservative Linke" genannt.

Doch hat die Linke alle Altersgruppen gleichermaßen erreicht? Ist die SPD noch Arbeiterpartei? Welchen Hintergrund haben die AfD-Wähler? Und bei wem kam die CDU nicht mehr gut an?

Bei den Über-60-Jährigen hätte Rot-Rot-Grün weiter die Mehrheit

Etwa ein Drittel aller Thüringer ist älter als 60 Jahre. Damit ist diese aus etwa 716 000 Menschen bestehende Altersgruppe die größte unter den Wahlberechtigten. In der Regel profitieren eher Konservative von einer älteren Wählerschaft, zuletzt bei der Landtagswahl in Sachsen. In Thüringen aber haben die Senioren den Erfolg der Linkspartei verstärkt. Hätten nur die Über-60-Jährigen gewählt, dann hätte die rot-rot-grüne Koalition weiterhin eine Mehrheit. Die AfD schnitt bei ihnen entsprechend schlechter ab als bei anderen Altersgruppen.

So haben sich die Senioren also nicht für die CDU entschieden, aber doch irgendwie für Traditionsparteien: Die Linke ist aus einer Fusion von PDS und WASG hervorgegangen; die SED-Nachfolgepartei PDS war seit 1999 die größte Oppositionspartei im Erfurter Landtag - und die SPD die zweitgrößte.

Wie bei vielen Wahlen haben sich 30- bis 59-Jährige eher für die AfD entschieden als andere Altersgruppen. Das Durchschnittsalter in Thüringen fällt mit 47 Jahren in diese Gruppe und ist verhältnismäßig hoch.

Auch bei den jungen Menschen liegen die Rechten vorne: Die meisten Wähler unter 30 haben sich für die AfD entschieden. Im Vergleich sind das allerdings deutlich weniger als in allen anderen Altersgruppen. Und wie auch bei der Landtagswahl in Sachsen profitiert die AfD in dieser Gruppe offenbar eher von der Unzufriedenheit mit anderen Parteien als von genuiner Beliebtheit.

Wichtige Wahlkampfthemen in Thüringen waren Schäden im Thüringer Wald durch Stürme, Trockenheit und Borkenkäferbefall. Auch die Klimakrise und die Energiewende spielten eine Rolle. Doch die Grünen haben offenbar nicht davon profitiert, dass ihre Kernthemen diskutiert wurden - nicht einmal unter jungen Leuten. Sie haben zwar etwas häufiger grün gewählt als andere, doch ein Fridays-for-Future-Effekt ist im Gegensatz zu anderen Wahlen in der jüngeren Vergangenheit nicht erkennbar. Unter den jungen Leuten schnitten die Grünen nur ein bisschen besser ab als unter den anderen Parteien - und die CDU nochmal schwächer als beim tatsächlichen Wahlergebnis.

Frauen bevorzugen Linke und CDU

In der Regel wählen Frauen seltener die AfD als Männer. So auch bei dieser Wahl: Hätten nur die Thüringerinnen gewählt, wäre die CDU vor der AfD zweitstärkste Kraft geworden.

Frauen legen durchschnittlich mehr Wert auf Sozial- und Familienpolitik und Kinderbetreuung. Die AfD ist im Allgemeinen aber dafür, dass Frauen ihre Kinder betreuen, statt arbeiten zu gehen. Ein wichtiges Thema bei der Landtagswahl war der Unterrichtsausfall. Grund ist, dass Thüringens Schulen die Lehrer fehlen. Auch an Kita-Erziehern und Pflegepersonal mangelt es in dem Land. In der Nachwahlbefragung der Forschungsgruppe Wahlen erklärte fast jeder dritte Befragte das Thema "Schule/Bildung" zum wichtigsten Problem. Linke und CDU werden als in diesem Bereich am ehesten kompetente Parteien gesehen. Sie haben im Wahlkampf unter anderem versprochen, wohnortnähere Schulen zu eröffnen und den Lehrerberuf attraktiver zu machen.

Je höher der Bildungsgrad, desto eher wird links gewählt

Menschen mit Hochschulabschluss haben in Thüringen wie bei anderen Wahlen besonders selten die AfD gewählt. Sie hängen vor allem der Linken an. Auch Menschen mit Abitur haben sich seltener für die AfD und häufiger für die Linke entschieden als die mit Hauptschulabschluss und Mittlerer Reife. Bei diesen beiden Wählergruppen schneidet die AfD am stärksten ab, auch die CDU war für sie eher eine Option.

Bei Selbständigen und Beamten stürzt die CDU weniger stark ab

Die Zukunft der Arbeit spielt für viele Thüringer eine Rolle, gerade in strukturschwächeren Regionen. Die Arbeitslosenquote ist zwar nicht so frappierend wie in den anderen neuen Bundesländern, aber sie liegt mit 5,4 Prozent immer noch über dem Schnitt aller Bundesländer.

Unter Angestellten und Arbeitern schnitt die Linke am besten ab. Allerdings hat fast jeder dritte Arbeiter sein Kreuz bei der AfD gemacht. Dabei ist eigentlich die CDU die Partei, der die von der Forschungsgruppe Wahlen Befragten am ehesten Kompetenz in Wirtschaftsfragen und bei Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen zusprechen.

Unter Selbständigen schnitt die FDP wie bei allen Wahlen besser ab als in anderen Berufsgruppen. Abgesehen davon verteilen sich die Präferenzen der Selbständigen auf CDU, AfD und Linke. Gerade für sie spielt Infrastruktur eine große Rolle. Schlechte Verkehrsanbindung und langsames Internet sind vor allem in ländlichen Regionen in Thüringen mangelhaft. Bei der Lösung dieser Probleme sprechen Befragte am ehesten der CDU Kompetenz zu.

Bei Selbständigen sowie auch bei Beamten hat die CDU keinen derartigen Absturz erfahren wie bei der Gesamtwählerschaft. Die SPD erzielte bei Beamten ein zweistelliges Ergebnis - sonst aber bei keiner Berufsgruppe. Die rot-rot-grüne Koalition hätte bei keiner Berufsgruppe eine absolute Mehrheit erzielt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4658691
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.