Süddeutsche Zeitung

Energie:Das ändert sich ab September

Lesezeit: 7 min

Kein Neun-Euro-Ticket mehr, kein Tankrabatt, dafür neue Vorgaben zum Energiesparen. Und das sind nicht die einzigen Neuerungen ab diesem Monat. Ein Überblick.

Von Tobias Bug

Das Neun-Euro-Ticket ist Geschichte

Im Juni, Juli und August konnte man für neun Euro im Monat den Nah- und Regionalverkehr in ganz Deutschland nutzen. 52 Millionen Tickets sind in den drei Monaten verkauft worden, genutzt haben es Umfragen zufolge auch viele Menschen, die zuvor selten oder nie Bus und Bahn gefahren sind. Nun ist das Angebot ausgelaufen und es gelten wieder die normalen Preise in Bussen und Bahnen.

Viele Grünen-Politiker und die Verkehrsbetriebe hatten sich für eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets ausgesprochen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollte bislang jedoch keine Bundesmittel für einen Nachfolger der Rabattaktion freigeben. Inzwischen aber gibt es Hoffnung auf eine Fortsetzung, am Dienstag ist überraschend Bewegung in die Debatte gekommen. Sein Parteifreund, Verkehrsminister Volker Wissing, habe ihn überzeugt, dass es ein Nachfolgemodell geben könne, sagte Lindner bei einer Pressekonferenz am Rande der Klausurtagung auf Schloss Meseberg. Wissing könne mit einem Bruchteil der Finanzmittel des Neun-Euro-Tickets ein bundesweites Nachfolgeticket realisieren. Für Lindner und Wissing hat das nur eine Bedingung: Am Ende müsse es eine gemeinsame Finanzierung zwischen Bund und Ländern geben.

Nach Angaben aus Regierungskreisen könnte sich die Ampelkoalition tatsächlich schnell auf ein Nachfolgemodell des Tickets einigen. Noch aber werde um den Preis gerungen. Den Grünen schweben Tarife ab 29 Euro, der SPD 49 und der FDP bislang 69 Euro vor. "Wenn die Finanzierungsfrage klar ist, kann der Preis festgelegt werden", sagte Lindner.

Es gibt keinen Tankrabatt mehr

Seit Mitternacht gilt der sogenannte Tankrabatt, also die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe, nicht mehr. Und schon macht sich das an vielen Tankstellen deutlich bemerkbar. Das zeigt eine Schnellauswertung der Preise an knapp 400 Tankstellen in München, Berlin und Hamburg im Zeitraum zwischen 6 und 6.30 Uhr am Donnerstag durch die Deutsche Presse-Agentur mithilfe der Spritpreis-Daten des ADAC.

Dabei lagen die Preise bei vielen Tankstellen deutlich höher als im gleichen Zeitraum am Mittwoch. Superbenzin der Sorte E10 kostete am Donnerstagmorgen bei einem Großteil der untersuchten Tankstellen mehr als zwei Euro. Am Mittwochmorgen hatte der Preis bei keiner einzigen untersuchten Tankstelle jenseits dieser Schwelle gelegen. Diesel dagegen kostete bereits am Mittwoch an der Mehrheit der untersuchten Tankstellen mehr als zwei Euro. Am Donnerstag lag der Dieselpreis nun bei einem Großteil der Tankstellen deutlich jenseits von 2,10 Euro, teils auch bei mehr als 2,30 Euro.

Rechnerisch könnte der Preis für E10 durch die Aufhebung der Steuersenkung um 35 Cent für Diesel um 17 Cent steigen. Allerdings waren die Preise in den vergangenen zwei Wochen bereits deutlich in die Höhe gegangen:

Außerdem haben auch Tankstellenbetreiber bis Mittwoch noch zum gesenkten Steuersatz eingekauft und könnten Benzin und Diesel daher zunächst weiter günstiger abgeben. Bis die Aufhebung der Steuersenkung voll auf die Kunden durchschlägt, könnte es also noch etwas dauern.

In anderen Ländern ist der Tankrabatt verlängert worden. In Frankreich baut die Regierung den Tankrabatt ab September sogar noch aus - von bislang 18 auf jetzt 30 Cent pro Liter. Auch Italiens Regierung hat den Tankrabatt zum fünften Mal verlängert. Die Senkung der Verbrauchssteuer auf Kraftstoffe um 25 Cent pro Liter wäre am 20. September ausgelaufen und soll nun bis zum 5. Oktober gelten. Der Rabatt war kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine eingeführt und schon im Mai, Juni, Juli und Anfang August verlängert worden.

In Deutschland fordert kaum jemand eine Verlängerung, auch nicht der ADAC, im Gegenteil. "In Zeiten knapper Kraftstoffe und des Anlasses zum Spritsparen wäre das das falsche Signal", sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand der Deutschen Presse-Agentur. Autofahrer und vor allem Berufspendler sollten auf anderem Wege entlastet werden, etwa durch eine Erhöhung der Entfernungspauschale.

Die Energiepreispauschale wird ausgezahlt

Im September bekommen Millionen Beschäftigte eine staatliche Finanzspritze aufs Konto. Bereits im März wurde die Einmalzahlung beschlossen. Gerne hätte man das Geld, so heißt es aus Ampel-Koalitionskreisen, einfach an alle ausgezahlt. Doch dafür gibt es keinen simplen Weg, weil nicht alle Steuern zahlen oder anders vom Staat zu erreichen sind. So gab es einen Kompromiss: Beschäftigte bekommen das Geld mit der Gehaltsabrechnung vom Arbeitgeber. Offiziell heißt es nun, das Geld sollen diejenigen bekommen, die mit Auto oder Bahn zur Arbeit fahren und deshalb höhere Kosten haben.

Anspruch auf die 300 Euro haben alle, die in Deutschland leben und arbeiten oder Grenzpendler sind: Angestellte, Auszubildende, Beamte, Soldaten, Vorstände, Minijobber oder Aushilfskräfte. Auch Arbeitnehmer in Altersteilzeit bekommen Geld. Die Pauschale wird in der Regel mit dem September-Gehalt gezahlt. Bei Selbstständigen wird die Steuer-Vorauszahlung vom 10. September gesenkt. Wer Anfang des Jahres noch beschäftigt war, jetzt aber arbeitslos ist, bekommt das Geld ohne besonderen Antrag über die Steuererklärung. Die 300 Euro werden brutto ausgezahlt. Es werden Lohn- und Einkommensteuer abgezogen, aber keine Sozialversicherungsbeiträge. Damit will die Ampel eine soziale Staffelung erreichen: Menschen mit wenig Einkommen bekommen mehr Geld raus als Topverdiener. Im Durchschnitt bleiben dann 193 Euro für jeden übrig, sagt das Finanzministerium. Leer aus gehen alle, die keine steuerpflichtigen Einkünfte haben. Vor allem viele Rentnerinnen und Rentner, aber auch Studenten - wenn sie nicht mindestens einen Minijob haben.

Das Geld reicht übrigens lange nicht aus, um den Preisanstieg auszugleichen. Gas-, Strom- und Spritpreis sind in den vergangenen Monaten explodiert. Allein beim Strom zählte das Vergleichsportal Verivox für August, September und Oktober 123 Preissteigerungen von Grundversorgern, die für einen durchschnittlichen Drei-Personen-Haushalt jährliche Mehrkosten von mehr als 300 Euro bedeuten. Beim Gas fallen die Erhöhungen noch saftiger aus, dazu kommt die staatliche Gasumlage.

Die Pauschale selbst kostet den Bund nach offiziellen Angaben 13,8 Milliarden Euro. Allerdings kassiert der Staat auch 3,4 Milliarden Euro dadurch, dass die Beschäftigten auf die Pauschale Lohn- und Einkommensteuer und in einigen Fällen Solidaritätszuschlag zahlen. Unterm Strich bleiben Kosten von 10,4 Milliarden Euro.

Es gelten neue Energiesparvorgaben

Aus Sorge um mögliche Energie-Engpässe dreht die Regierung auch an kleinen Schrauben: An diesem Donnerstag sind eine Reihe von Energiesparvorgaben in Kraft getreten, die den Verbrauch im nächsten halben Jahr drücken sollen. Es handle sich um eine "Gemeinschaftsaufgabe von Politik, Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern", heißt es im Text der Verordnung, den das Kabinett in der vergangenen Woche beschlossen hat. "Jede eingesparte Kilowattstunde hilft ein Stück weit aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen heraus." Zusammen mit weiteren Vorgaben, die vom 1. Oktober an gelten, soll laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der Gasverbrauch ungefähr im Umfang von zwei bis zweieinhalb Prozent gesenkt werden.

Laut Verordnung dürfen Arbeitsräume in den meisten öffentlichen Gebäuden - bei körperlich leichter und überwiegend sitzender Tätigkeit - nur noch bis höchstens 19 Grad geheizt werden. Bisher lag die Empfehlung bei 20 Grad. Durchgangsbereiche wie Flure, Foyers oder Technikräume werden nicht mehr geheizt - außer, es gibt dafür sicherheitstechnische Gründe. Die Beleuchtung von Gebäuden und Denkmälern aus rein ästhetischen oder repräsentativen Gründen wird ausgeschaltet. Boiler und Durchlauferhitzer dürfen nicht mehr für die Warmwasserbereitung am Waschbecken genutzt werden, es sei denn, das ist aus hygienischen Gründen vorgeschrieben. Private Pools dürfen nicht mehr mit Gas und Strom geheizt werden. Klauseln in Mietverträgen, die eine bestimmte Mindesttemperatur vorsehen, werden vorübergehend ausgesetzt. Beleuchtete Werbeanlagen werden von 22 Uhr abends bis 16 Uhr am Folgetag ausgeschaltet, wenn die Beleuchtung nicht zur Verkehrssicherheit nötig ist. Ladentüren oder sonstige "Eingangssysteme" zu beheizten Geschäftsräumen im Einzelhandel dürfen nicht mehr dauerhaft offen stehen.

Das E-Rezept kommt

Jeder kennt sie: Die rosa Zettel, für die Kassenpatienten in der Apotheke Antibiotika, Blutdrucksenker und andere verschreibungspflichtige Medikamente bekommen. Doch mit den sogenannten Muster-16-Rezepten dürfte bald Schluss sein - und langfristig wohl auch mit der Zettelwirtschaft. Denn ab September können Patienten in allen Apotheken auch elektronische Rezepte einlösen. Dahinter verbirgt sich ein digitaler Rezeptcode, über den Kassenpatienten in Apotheken ihr verschreibungspflichtiges Medikament bekommen. Der Rezeptcode wird von der Arztpraxis in die E-Rezept-App der Gematik, der nationalen Agentur für digitale Medizin, übermittelt und kann dann in der Apotheke auf dem eigenen Smartphone vorgezeigt werden. Das Papierrezept wird es trotzdem weiter geben - etwa für Menschen ohne Smartphone.

Wer die E-Rezept-App nutzt, kann vorab per Smartphone anfragen, ob die Wunsch-Apotheke das Medikament vorrätig hat. Und sich so etwa Zeit durch wegfallende Wege ersparen. Bietet die Apotheke einen Botendienst an, kann das Rezept auch ohne Apothekenbesuch über die App bestellt werden. Bei Online-Apotheken muss zudem kein Originalrezept mehr verschickt werden. Das E-Rezept kann digital an die Versandapotheke übermittelt werden.

Die App "Das E-Rezept" der Gematik gibt es kostenlos in den App-Stores von Google, Apple und Huawei. Außerdem braucht man eine NFC-fähige Gesundheitskarte. Die meisten Krankenkassen haben diese neuen elektronischen Gesundheitskarten schon vielfach verschickt. Erkennen kann man sie an einer sechsstelligen CAN-Nummer im oberen rechten Eck der Gesundheitskarte. Wer noch keine Gesundheitskarte mit NFC-Funktion hat, kann sie bei seiner Krankenkasse bestellen. Außerdem notwendig, um die App zu nutzen: Eine PIN. Die bekommt man ebenfalls bei der Krankenkasse. Übrigens: Internetempfang braucht man in der Apotheke nicht, um das E-Rezept per Smartphone einlösen zu können. Einmal heruntergeladen stehen die E-Rezepte in der App auch offline zur Verfügung. Auch praktisch: Wenn man schon ein Vorrezept hatte und im gleichen Quartal ein Folgerezept braucht, kann man das über die E-Rezept-App auch übertragen bekommen, ohne zum Arzt zu gehen. Bieten Mediziner Videosprechstunden an, kann das E-Rezept ebenfalls ohne Praxisbesuch in die App übermittelt werden.

Ab 2023 sollen E-Rezepte laut Gematik zudem über die Gesundheitskarte in der Apotheke eingelöst werden können - ganz ohne Smartphone und Zettelwirtschaft. Für Medikamente, die nicht rezeptpflichtig sind, stellen Ärztinnen und Ärzte weiter das grüne Papierrezept aus. Noch nicht alle Arztpraxen können das E-Rezept ausgeben, bis zum Frühjahr 2023 soll die Einführung laut Plan bundesweit abgeschlossen sein. Privatversicherte werden vorerst weiterhin das blaue Rezept bekommen, die Einführung des E-Rezepts ist aber auch hier angedacht.

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