Benzinpreise:Der Tankrabatt, der nicht ankommt

Lesezeit: 5 Min.

Die Preise an den Tankstellen sind apokalyptisch hoch - und zwingen viele zu Einschränkungen an anderer Stelle, um überhaupt noch mobil zu bleiben. (Foto: Hartmut Pöstges)

Seit Anfang Juni gilt die Steuervergünstigung für Sprit. Davon spüren die Autofahrer wenig, der Dieselpreis liegt schon wieder höher als vor der Einführung. Was freie Tankstellenbetreiberinnen dazu sagen.

Von Tobias Bug, Bad Tölz-Wolfratshausen

Wowo Habdank fährt einen Kleinwagen, nicht größer als ein Käfer. Trotzdem bleibt die Preisanzeige an der freien Tankstelle FTO Oliv im Wolfratshauser Gewerbegebiet bei 90,22 Euro stehen - für 45,59 Liter Super Benzin. Einmal volltanken für fast 100 Euro. Die hohen Benzinpreise seit Beginn des Ukraine-Kriegs "treffen mich schon", sagt Habdank, der auf das Auto angewiesen ist. Er wohnt auf dem Land in Holzhausen und fährt täglich. Denn da komme nur ein paarmal am Tag der Bus, und auf die S7 von Wolfratshausen könne man sich nicht verlassen, sagt er. "Mich stört, dass der Tankrabatt nicht in dem Maße bei mir ankommt, wie er sollte."

Der sogenannte Tankrabatt gilt seit Anfang Juni und noch bis Ende August und ist eigentlich eine Steuervergünstigung: Die Energiesteuer für Benzin liegt derzeit knapp 30 Cent, die für Diesel gut 14 Cent pro Liter niedriger. Doch tatsächlich kommt der Rabatt bei den Autofahrern nicht voll an, das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Diesel ist sogar ein wenig teurer geworden: Der Liter kostete am 31. Mai im Deutschlandschnitt 2,04 Euro, am 20. Juni kostet er 2,06 Euro. Immerhin ist der Literpreis für Benzin Super E10 um 24 Cent gesunken, von durchschnittlich 2,21 Euro Ende Mai auf 1,97 Euro Mitte Juni. Auch im Preisvergleich mit den Nachbarstaaten hat sich etwas getan: Ende Mai war Tanken EU-weit nur in Dänemark und den Niederlanden teurer als in Deutschland, Mitte Juni tankte man nur in Polen, Tschechien und Luxemburg günstiger. Inzwischen sind die Preise im Landkreis meist knapp unter der Zwei-Euro-Marke.

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Die Preise für Rohöl und damit auch für Kraftstoff schwanken immer. Doch solch hohe Preise wie seit Ende Februar dieses Jahres hat Claudia Krenn in mehr als zwei Jahrzehnten als Tankstellenbetreiberin noch nicht erlebt. Schon während der Pandemie hat sie in ihrer Tankstelle in Königsdorf 30 Prozent weniger Benzin verkauft als gewöhnlich, und auch wegen der hohen Preise kämen nun weniger Autofahrer zu ihr, sagt sie. Nicht nur an der Zapfsäule mache sich der teure Sprit bemerkbar. "Vor allem im Shop kaufen die Leute weniger, Schokoriegel oder Kuscheltiere. Man merkt, dass sie sparen müssen", sagt Krenn.

Viele Kunden jammerten über die hohen Preise, "manche sagen, sie arbeiten nur noch, um dann Auto zu fahren". Doch aggressiv werde niemand. Zum Glück, sagt Krenn, habe es sich herumgesprochen, dass sie als Betreiberin nicht die große Gewinnerin des Tankrabatts ist. "Der Tankrabatt hilft weder uns noch den Autofahrern. Er hilft nur den großen Rohölkonzernen. Das ist totaler Quatsch."

Claudia Krenn betreibt eine freie Tankstelle in Königsdorf. (Foto: Hartmut Pöstges)

Am Nachmittag des 2. Juni waren die Tanks an ihrer freien Tankstelle in Königsdorf komplett leer. Krenn hatte mit dem Bestellen auf die günstigeren Preise bei ihrem Großhändler durch die Steuersenkung Anfang Juni gehofft - die dann nicht kamen. "Im Einkauf ist es seitdem sogar etwas teurer geworden", sagt Krenn. Dabei würde sie niedrigere Preise gerne an ihre Kundschaft weitergeben. Da sie sich aber auch an den Literpreisen der Konkurrenz orientieren muss, liegt ihre Marge pro Liter gewöhnlich nur zwischen drei und, wenn's gut läuft, zehn Cent. "Wir leben vor allem von unserem Shop", sagt Krenn, "Getränke und Bistro sind einfach lukrativer als Benzin".

Wowo Habdank hat nur getankt und am Automaten mit Karte bezahlt, an der freien Tankstelle im Wolfratshauser Gewerbegebiet gibt es gar keinen Shop. Die Betreiberin Korinna Oliv verkauft nur an ihrer zweiten Tankstelle in Königsdorf Zigaretten und Snacks in einem kleinen Ladenhäuschen. Dessen Umsatz deckt schon mal ihre Lohnkosten. Für den verkauften Liter Sprit berechnet sie immer die gleiche Marge - und zwar sechs Cent. "Ich will ja meine Kunden nicht abzocken." In der Regel liegen ihre Preise 13 bis 18 Cent unter denen der Tankstellenketten wie Aral, Shell, Jet oder Total. Doch wenn die Mitbewerber mit den Preisen runtergehen, muss auch Oliv nach unten korrigieren, was ihre Marge hin und wieder schmelzen lässt.

Auch der Tankrabatt ändert nichts an ihrer Marge. Im Gegensatz zu Claudia Krenn hat sie die gesetzliche Steuervergünstigung Anfang Juni sehr wohl bei ihrem Einkauf gespürt. Am Anfang sei der Einkaufspreis für Diesel um knapp zehn Cent gefallen, "die habe ich direkt an meine Kunden weitergegeben", sagt Oliv. Mitte Juni sei der Einkaufspreis aber schon wieder um zwölf Cent nach oben gegangen, die Vergünstigung war dahin. "Sprit bestellen ist zurzeit wie Lotto spielen", sagt Oliv; keiner wisse, wann es am günstigsten sei. Nach ihrer Meinung sei der Rabatt zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt eingeführt worden, zum Pfingstferienbeginn. "In den Ferien explodiert der Spritpreis immer." Ein weiterer Preistreiber sei das Anfang Juni beschlossene, teilweise Öl-Embargo gegen Russland gewesen.

Über weniger Kundschaft wegen der Preise, "wie wir sie noch nie hatten", kann sich Oliv nicht beklagen. Im Gegenteil: "Es kommen genauso viele Menschen wie vorher, teilweise sogar noch mehr Ausflügler." Doch viele jammern, viele schimpfen gar. "Letztens hat mich jemand gefragt, ob ich mich denn nicht schäme, ihn so abzuzocken." Oliv ärgert das, sie bleibt aber in diesen Situationen "cool", sie will ja ihre Kunden nicht verlieren. Denn verständlich ist es doch. Sie selbst hat früher ihren Wagen einmal die Woche vollgetankt und dafür jedes Mal 100 Euro bezahlt. Mittlerweile zahlt sie 130 Euro für die Tankfüllung, macht insgesamt knapp 120 Euro mehr im Monat nur für Sprit. "Viele Leute sieht man heute öfter, weil sie nicht volltanken und eher auf günstigere Preise hoffe, wenn sie später wiederkommen." Günstig ist es zur Zeit jedoch nie, bei Literpreisen um die zwei Euro. Am 21. Februar, also kurz vor Kriegsbeginn, kostete ein Liter E5 noch 1,80 Euro und Diesel 1,66 Euro pro Liter.

Autofahrer leben teuer, daran hat auch der sogenannte Tankrabatt nichts geändert. Der ADAC hat die Ölkonzerne wie Aral und BP aufgefordert, die Steuervergünstigung an die Autofahrer weiterzugeben. Doch getan habe sich wenig, sagt Katharina Lucà, Sprecherin des Automobilclubs. "Auch wir wissen nicht, wer wirklich von der Steuersenkung profitiert. Die ganze Sache ist sehr undurchsichtig." Das Kartellamt, das unter anderem illegale Preisabsprachen unter den Mineralölkonzernen verhindern soll, sei hier in der Pflicht, so Lucà. "Das Kartellamt muss Licht ins Dunkle bringen. Wir erwarten Infos, über den ganzen Weg von der Bohrinsel bis zur Tankstelle." Der Tankrabatt komme nicht bei den Kunden an, doch laufe er auch erst einen Monat. Es sei schwer abzuschätzen, wie es weitergehe, sagt Lucà, gerade auch wenn die Steuern ab Anfang September wieder steigen.

"Das wird ein totales Chaos", ist sich die Tankstellenbetreiberin Korinna Oliv sicher. "Mir graut's vor der letzten Augustwoche, denn die Leute werden Sprit bunkern." Und wenn die Nachfrage steigt, steigt auch der Preis. Am Ende trifft das die Autofahrer wie Wowo Habdank. "Mich regt es aber viel mehr auf, wie sehr in Deutschland über den hohen Benzinpreis gejammert wird, während in der Ukraine den Menschen die Bomben auf die Häuser fallen. Das finde ich pervers", sagt er. Grundsätzlich habe er kein Problem mit hohen Benzinpreisen. "Wir wollen ja schließlich dahin kommen, weniger mit dem Auto zu fahren." Noch sind öffentliche Verkehrsmittel an seinem Wohnort aber keine Alternative.

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