Süddeutsche Zeitung

Dreikönigstreffen der FDP und Aus für Jamaika im Saarland:Saarländer versauen Rösler den Aufbruch

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Der Parteichef redet von Schuldenabbau und von seinen Kindern, die stolz auf ihn sein können. Da zücken viele Liberale auf dem Dreikönigstreffen ihre Smartphones: Die FDP scheidet aus einer weiteren Landesregierung aus. Diesmal ohne Hilfe der Wähler. Philipp Rösler redet tapfer weiter, er will der Partei Mut machen. Doch der Saar-Schock ruiniert seinen Auftritt. Entwicklungsminister Niebel spricht von einem "sehr unfreundlichen Akt" der CDU.

Michael König, Stuttgart

Daniel Bahr sitzt auf dem Podium in der Stuttgarter Staatsoper, er hat das Telefon gezückt. Philipp Rösler steht hinterm Rednerpult des Dreikönigstreffens der FDP und erzählt einen Witz. Zu seiner Zeit als Schüler sei Mengenlehre in Mode gewesen. Ein Beispiel: "Wenn fünf Leute im Raum sind und sieben gehen hinaus, dann müssen zwei wieder reinkommen, damit der Saal leer ist." Rösler zeigt auf einige Liberale in den vorderen Reihen und sagt: "Ah, ich sehe, da wird noch gerechnet."

Viele Liberale lachen, Bahr ist abgelenkt. Seine Blick ist lange auf das Display seines Telefons fixiert. Der Gesundheitsminister weiß offenbar schon, was gerade passiert ist. Während sein Parteichef gegen die miese Stimmung in der FDP anredet, gegen Umfragewerte von zwei Prozent und auch gegen seinen Konkurrenten, den Bundestags-Fraktionschef Rainer Brüderle, hat die Realität die Partei wieder einmal eingeholt.

Während der Rösler-Rede läuft eine Eilmeldung über den Nachrichtenticker: Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU kündigt die Koalition mit Grünen und Liberalen auf. Die Schuld gibt sie der FDP. Deren "anhaltende Zerwürfnisse" seien nicht länger "mit der Verantwortung für die Zukunftssicherung des Landes vereinbar".

"Ein sehr unfreundlicher Akt"

Entwicklungsminister Dirk Niebel wird ihr später einen "sehr unfreundlichen Akt" vorwerfen. Die Ministerpräsidentin passe sich offenbar dem Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine an. "Hätte man nicht den politischen Partner, die FDP, schädigen wollen, hätte man das schon viel früher machen können", so Niebel.

Zunächst aber spricht nur Rösler. Er ist gerade beim Thema Schuldenabbau, den die FDP beginnen wolle. Seine Tochter solle einmal sagen: "Das hat Papa gemacht". Da wird es zunehmend unruhig im Saal. Die Eilmeldung hat jetzt viele Smartphone-Nutzer erreicht. Zwar war das Aus der Koalition im Saarland auch in den Augen vieler Liberaler nur eine Frage der Zeit. Aber der Zeitpunkt der Bekanntgabe ist ein Schock für die FDP. Kramp-Karrenbauers Ankündigung während der Rösler-Rede macht jedes Aufbruchsignal zunichte. Die Saarländer versauen Rösler den Aufbruch.

Das bekommt die Führungsriege schnell zu spüren, als sie nach Röslers Schlusswort ("Gemeinsam reißen wir das Ruder herum!") die Staatsoper in Richtung Foyer verlässt. Der Weg hinaus ist ein Spießrutenlauf durch Kameras und Korrespondenten. Alle haben Fragen zur Saar, niemand zum neuen Mut der FDP. "Jetzt machen wir erst mal eine Vorbesprechung, dann gibt es Reaktionen", maßregelt eine Sprecherin die drängelnden Journalisten. Hinter ihr macht Brüderle gute Miene, während er sich beeilt, hinter den Kulissen zu verschwinden.

Die FDP scheidet abermals aus einer Landesregierung aus, diesmal ohne das Zutun des Wählers. Die Liberalen sind jetzt noch in Niedersachsen, Hessen, Sachsen, Bayern und Schleswig-Holstein an der Macht. Im nördlichsten Bundesland wird im Mai gewählt. Und auch da geben wieder Umfragen Anlass zur Sorge.

Westerwelle nutze das Dreikönigstreffen richtig

Das Dreikönigstreffen ist eigentlich eine gute Gelegenheit, Zweifel zu zerstreuen. Guido Westerwelle hat das im Vorjahr vorgemacht, als er - entgegen aller Erwartungen - kaum Fehler zugab, sondern die Politik der schwarz-gelben Regierung mit Verve verteidigte. Er konnte sich so weitere fünf Monate an der Parteispitze sichern.

Ein Jahr später schickt Rösler zunächst Landeschefin Birgit Homburger ans Rednerpult, dann Entwicklungsminister Dirk Niebel. Er soll die Erfolgsbilanz der Regierung verteidigen. Niebel redet hölzern, aber seine Pointen sind Treffer. "Ich habe dem Amt mehr Gewicht verliehen, und das Amt mir auch", frotzelt er im Hinblick auf seine Kleidergröße. In Anbetracht der innerparteilichen Querelen zitiert er ein ostafrikanisches Sprichwort: "Es ist nicht notwendig, die Laterne eines anderen auszublasen, damit die eigene heller strahlt." Bis gestern habe sich die FDP im "dunklen Umfragenkeller" verschanzt. "Jetzt gehen wir da raus", sagt Niebel. Der halbe Saal steht auf, als er das Rednerpult verlässt. Er bleibt noch lange stehen und winkt ins Plenum. Rösler bleibt sitzen.

Dann ist Döring dran, der neue Generalsekretär. Es ist sein erster großer Auftritt nach dem überraschenden Rücktritt von Christian Lindner. Der ist an diesem Freitag auch im Saal und zieht vor Beginn der Veranstaltung viel Aufmerksamkeit auf sich, weil er im Zuschauerraum steht und mit Parteifreunden scherzt.

Döring redet gegen Lindner an und gegen die Vorwürfe, er habe Rösler mit seinem Zitat ("Kein Kämpfer") in Bedrängnis gebracht. Der neue General tänzelt hinter dem Rednerpult. Er ist unter Zeitdruck, weil Homburger zum Auftakt sehr lange gesprochen hat. Döring verhaspelt sich, er schaut oft auf sein Manuskript. Seine Rede ist nicht so feinsinnig wie die von Lindner aus dem Vorjahr. Aber auch Döring kommt gut an.

Er arbeitet sich am politischen Gegner ab, wie Generalsekretäre das eben so machen. "SPD und Grüne haben sich ganz von der Mitte verabschiedet", sagt er. Rot-Grün plane für den Fall einer Machtübernahme im Bund massenweise Verbote und Steuererhöhungen. "Das Prinzip ist klar: Am besten verbieten, und wenn das nicht geht, wenigstens besteuern."

Wirtschaft, Wachstum, Wohlstand

Schließlich ist Rösler dran. Es ist 12.09 Uhr, als er nach vorne tritt. Sein Manuskript ist acht Seiten lang, unterteilt in acht Themenbereiche: Wachstum, Regulierung der Finanzmärkte, Fachkräfte, Mindestlohn, Energiepolitik, Entschuldung, Partei und Rechtsextremismus.

Wachstum ist das Leitmotiv, Rösler benutzt es andauernd. Wachstum schaffe Arbeitsplätze und soziale Sicherheit. Aber es mache Deutschland auch umweltfreundlicher, weil es für Innovationen sorge. Wachstum sei für die FDP "kein Fetisch", der Mensch stehe stets im Mittelpunkt. Aber Wachstum dürfe auf keinen Fall begrenzt werden. "Nur die FDP steht dafür, dass Wachstum auch morgen noch möglich ist. Das ist unser Thema, das ist unser Auftrag", ruft Rösler. "Wirtschaft, Wachstum und Wohlstand" seien das Ziel der Liberalen.

Dass die Partei so schlecht darstehe, sei auch die Schuld der Medien. "Die öffentliche Meinung und die veröffentlichte Meinung fallen auseinander", klagt Rösler. Das habe sich besonders bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 gezeigt: "Am Ende waren nicht die Lautesten in der Mehrheit, sondern die Vernünftigen. Und die FDP war Teil dieser Mehrheit."

Die Zuhörer spenden ihm langen Applaus, aber manch einer sagt, Westerwelle sei damals mitreißender gewesen. Und Brüderle am Donnerstag kämpferischer. Und wiederum andere sprechen gar nicht über Rösler, sondern ausschließlich über Kramp-Karrenbauer und die geplatzte Koalition an der Saar. Wie sagte Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel? "Wenn uns der Wind auch so sehr ins Gesicht bläst: Wir wanken nicht und drehen uns nicht um."

Der Wind ist am Freitag noch einmal stärker geworden.

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