Süddeutsche Zeitung

Wohnen in München:37 Quadratmeter für 1030 Euro

Lesezeit: 3 min

Von Anna Hoben, München

"Mit Wohnungen in verschiedensten Größen ist für jeden das passende Angebot dabei", so heißt es auf der Webseite des Neubauprojekts Welfengarten. Gerade sind dort die Preise für die Mietwohnungen der Bayerischen Hausbau auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände in der Au veröffentlicht worden, und "für jeden", das ist mindestens mutig formuliert. "Für jeden, der es sich leisten kann", so wäre es passender. 290 frei finanzierte Mietwohnungen entstehen im Welfengarten, dazu kommen 70 geförderte und 30 Werkswohnungen. Die Preise der frei finanzierten Mietwohnungen beginnen bei um die 20 Euro kalt pro Quadratmeter, für kleinere Apartments sind es sogar bis zu 28 Euro, ebenfalls noch ohne Betriebskosten.

Das Neubauprojekt Welfengarten befinde sich "im charmanten Traditionsviertel München-Au-Haidhausen", so wirbt die Hausbau. Die künftigen Bewohner erwarte eine "idyllisch-grüne Umgebung sowie ein lebendiges, hochattraktives Wohnumfeld mit Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, Schulen, Gastronomie und vielem mehr". Die Werbebilder zeigen strahlende Paare, Familien bei Kissenschlacht und Picknick im Grünen. Bezugsfertig sollen die Mietwohnungen im zweiten Quartal 2020 sein.

Ende November könne eine Musterwohnung besichtigt werden, heißt es in einem Schreiben an vorgemerkte Interessenten. Wer seine Wunschwohnung bereits jetzt "sicher" haben möchte, könne aber auch direkt einen Mietvertrag unterschreiben.

Im Juli hatte das Marktforschungsinstitut beim Immobilienverband Deutschland (IVD) verkündet, dass die Mieten in München zuletzt zwar nicht zurückgegangen seien, der Anstieg sich aber doch etwas abgeflacht habe. Neubauwohnungen in München wurden demnach im Frühjahr 2019 bei "gutem Wohnwert" für durchschnittlich 19 Euro pro Quadratmeter vermietet. Die Mietwohnungen im Welfengarten liegen nun deutlich darüber. Eine 35-Quadratmeter-Wohnung im ersten Stock gibt es für 900 Euro kalt, macht 25,71 Euro pro Quadratmeter. Wenn es höher sein soll: 37 Quadratmeter im siebten Geschoss kosten 1030 Euro kalt, pro Quadratmeter 27,83 Euro. Auch Familien müssen tief in die Tasche greifen. Die Preise für größere Wohnungen bewegen sich um die 23 Euro pro Quadratmeter. Etwa: Drei Zimmer, dritter Stock, 90 Quadratmeter, 2060 Euro kalt. Vier Zimmer, sechster Stock, 113 Quadratmeter, 2570 Euro kalt, 2898 Euro warm. Fast 3000 Euro, nur für Miete.

Insgesamt entstehen bis 2023 bei dem in drei Teilbereiche untergliederten Bauvorhaben auf dem alten Paulaner-Gelände 1500 Wohnungen. Mit einer Durchschnittsmiete von zirka 22,50 Euro pro Quadratmeter bei den frei finanzierten Mietwohnungen befinde man sich im marktüblichen Segment, sagt Hausbau-Sprecherin Sabine Hagn. "Wir bewegen uns im Rahmen dessen, was in der unmittelbaren Nachbarschaft aufgerufen wird." Im Zuge der Quartiersentwicklung sorge man für eine gute Durchmischung, mit geförderten Wohnungen, Gewerbe und Eigentumswohnungen, die auf 45,6 Prozent der Gesamtgeschossfläche entstehen.

Die Kaufpreise für die Wohnungen "Am Alten Eiswerk" hatten vor zwei Jahren für Empörung gesorgt. An der Spitze steht die Bayerische Hausbau mit ihren Preisen freilich nicht. Auf Immobilienscout24 wird zum Beispiel unter den Stichworten "Schwabing, Dachterrasse, Loggia, Bulthaupküche, Erstbezug!" eine Wohnung im Neubauquartier Schwabinger Tor angeboten. 126 Quadratmeter, 3500 Euro kalt, 4070 Euro warm. Verfügbar laut Annonce seit Februar 2019 - was nicht dafür spricht, dass es unbegrenzt Interessenten gibt für dieses Preissegment.

Ob er glaube, dass die Bayerische Hausbau die Wohnungen dennoch schnell vermietet bekomme? Stephan Kippes nennt als Antwort auf die Frage erst einmal das, was er als "magische Zahl" bezeichnet: 0,75. Um 0,75 Prozent nämlich wachse die Münchner Bevölkerung jährlich - für Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, ein starkes Indiz dafür, dass die Nachfrage auch weiterhin gegeben sei. Außerdem: "Wie viele Standorte gibt es denn in München, die mit dieser Lage konkurrieren können? Nicht so viele."

Preise wie jene am Nockherberg seien "sehr stark grundstücksgetrieben" - weil die Grundstücke immer teurer werden, klettern auch die Mieten. Dazu kämen die hohen Baukosten. Für den sehr guten Wohnwert, der sich unter anderem durch erstklassige Ausstattung und sehr gute Lage definiert, habe der IVD schon im Frühjahr einen durchschnittlichen Mietpreis von 26,10 Euro ausgewiesen. Die Wohnungen am Nockherberg lägen wohl irgendwo zwischen gutem und sehr gutem Wohnwert, so Kippes.

Für den Mieterverein ist die Sache klar: "Diese angebotenen Neubauwohnungen sind für normale Münchner nicht bezahlbar", sagt Geschäftsführer Volker Rastätter. Die ortsübliche Vergleichsmiete für eine Wohnung in dieser Lage mit sehr guter Ausstattung liege nach Berechnungen des Mietervereins bei 16,40 Euro pro Quadratmeter kalt. Mit den erlaubten zehn Prozent Aufschlag von der Mietpreisbremse wäre man noch deutlich unter den verlangten Preisen, so Rastätter. Nur: "Für Neubauwohnungen gilt die Mietpreisbremse bedauerlicherweise nicht."

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Quelle:
SZ vom 15.10.2019
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