Süddeutsche Zeitung

Landespolitik:Söders aktuellster Bayernplan

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Das Kabinett beschließt das Klimaschutzgesetz für den Freistaat und eine Reform der Abstandsregel 10H - beides enthält nur wenig Neues.

Von Andreas Glas und Christian Sebald, München

Wann immer es aus der Sicht von Markus Söder wirklich wichtig wird, beschwört er das bayerische Lebensgefühl. So auch an diesem Dienstag. "Für uns ist es ganz entscheidend, das Lebensgefühl, das in Bayern herrscht, nämlich Modernität und Nachhaltigkeit, in gleicher Weise zu repräsentieren", sagt der Ministerpräsident und CSU-Chef auf der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung im Hofgarten hinter der Staatskanzlei. Söder ist gleich von vier Ministern flankiert. Zu seiner Linken stehen Agrarministerin Michaela Kaniber und Bauminister Christian Bernreiter (beide CSU), zu seiner Rechten Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Umweltminister Thorsten Glauber (beide FW). Dann verkündet Söder nichts weniger als einen "Bayernplan für Heimat und Verkehr, Natur und Energie". So nennt er das lange erwartete, neue bayerische Klimaschutzgesetz und die Ausnahmeregelungen für den Bau neuer Windräder.

Die zentralen Punkte des bayerischen Klimaschutzgesetzes und des dazugehörigen Klimaschutzprogramms sind seit Langem bekannt. Ziel ist eine Senkung des CO₂-Ausstoßes in Bayern um 65 Prozent bis 2030, bis 2040 soll der Freistaat klimaneutral sein. Das ist fünf Jahre schneller als sich der Bund vorgenommen hat. Damit der Freistaat seine Ziele erreicht, sollen die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden, es soll eine Solarpflicht für neue Gewerbe- und Industriegebäude geben, Gemeinden sollen ermuntert werden, in Öko-Stromanlagen zu investieren. Außerdem will der Freistaat den Schutz der Moore und der Wälder massiv stärken, schließlich können sie Unmengen Klimagase binden. Und natürlich sollen der öffentliche Nahverkehr und die E-Mobilität ausgebaut werden. Die Staatsregierung selbst will mit gutem Beispiel vorangehen, die Ministerien sollen bereits nächstes Jahr klimaneutral sein, die übrigen ihnen direkt nachgeordneten Behörden bis 2028. Ein "Koordinierungsstab Klimaschutz" wird über den Erfolg der Maßnahmen wachen und gegebenenfalls nachsteuern. Insgesamt, so hatte es Söder schon bei seiner Regierungserklärung zum Klimaschutz vor einem Jahr gesagt, wird das bayerische Klimaschutzprogramm 150 Einzelmaßnahmen umfassen.

Es fehlen verbindliche Vorgaben

Schon damals gab es viel Kritik an der Klimaschutzpolitik der Staatsregierung. Sie dürfte nun nicht leiser werden. An diesem Dienstag preschen die Landtags-Grünen vor. "Es fehlen verbindliche Vorgaben, wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien erreicht werden soll, es fehlen jegliche konkrete Punkte zur Wärmeeinsparung, es fehlen klare Ziele für Verringerung des CO₂-Ausstoßes im Verkehr, in der Landwirtschaft und anderen Sektoren", sagt der Grünen-Abgeordnete Martin Stümpfig, "und es fehlt eine Quantifizierung der Einsparungen und ein Fahrplan für die nächsten Jahre." Stümpfig spricht von einem "Schein-Klimagesetz" und einem "windelweichen Beitrag" zur Eindämmung der Klimakrise. Das entspricht ungefähr dem Tenor, in dem sich schon bisher Naturschutzorganisationen und Fachverbände wie die bayerische Architektenkammer, aber auch Wirtschaftsorganisationen zur bayerischen Klimaschutzpolitik geäußert haben.

Söders Klimaschutzgesetz ist aber auch ein Beispiel für die Kluft, die bisweilen zeitlich zwischen seien Ankündigungen und deren Erfüllung klafft. Es war Ende April 2021, als das Bundesverfassungsgericht das deutsche Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat. Söder nannte den Beschluss "wichtig, aber richtig" und versprach die umfassende Überarbeitung des damals gerade fünf Monate alten, wenig ambitionierten bayerischen Klimaschutzgesetzes. Alle Welt erwartete, dass Söder Bayern zum klimapolitischen Schrittmacher Deutschlands machen und schnell liefern werde.

"Großer Durchbruch"

Doch dann folgte monatelang nichts. Erst Ende November - sieben Monate nach dem Karlsruher Beschluss und drei Monate, nachdem der Bund sein neues Klimaschutzgesetz verabschiedet hatte - befasste sich das bayerische Kabinett erstmals mit dem neuen Klimaschutzgesetz für den Freistaat. Auch nach dem jetzigen Ministerratsbeschluss ist nicht absehbar, wann es in Kraft tritt. Denn mit der Kabinettsentscheidung ist es nicht getan. Der Entwurf muss durch den Landtag. Das braucht Zeit. Neben dem Landtag muss sich ja noch eine Reihe an Fachausschüssen damit befassen. Die Grünen haben außerdem eine Expertenanhörung dazu beantragt. Beobachter gehen davon aus, dass das neue Klimaschutzgesetz frühestens im Herbst verabschiedet werden kann. Das wäre eineinhalb Jahre nach dem Karlsruher Beschluss.

Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) konzentriert sich an diesem Dienstag auf die Windkraft. Aus seiner Sicht sind die Kabinettsbeschlüsse ein "großer Durchbruch" für deren Ausbau. Denn schon bald soll in sogenannten Vorrang- und Vorbehaltsgebieten, entlang von Autobahnen und anderen überregionalen Verkehrswegen, an und in Gewerbe- und Industriegebieten, aber auch in Wäldern und auf Truppenübungsplätzen und beim Ersatz alter Windräder durch neue, leistungsstärkere nur noch ein Abstand von tausend Metern zwischen den Windrädern und der nächsten Ortschaft vorgeschrieben sein.

"Windkraft-Turbo"

Bisher gilt auch überall dort die 10-H-Regel. Danach muss der Abstand das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen, bei modernen Anlagen sind das mindestens zwei Kilometer. 10H ist nach Überzeugung von Experten, aber auch von Aiwanger der Grund, warum der Ausbau der Windkraft in Bayern seit Jahren stockt. Der Bund drängt inzwischen massiv darauf, dass der Freistaat mehr Windkraft ermöglicht. Die CSU freilich will unbedingt an 10H festhalten.

"Ich bin heute glücklich und zufrieden", sagt Aiwanger auf der Pressekonferenz im Hofgarten. "Mit der Reform der 10-H-Regel schalten wir den Windkraft-Turbo an." Die neuen Ausnahmeregelungen schaffen aus seiner Sicht "das Potenzial für sehr viele moderne, leistungsstarke Windenergieanlagen" im Freistaat. "Bayern hat seine Hausaufgaben gemacht." Das darf durchaus als Seitenhieb auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verstanden werden. Habeck hat lange darauf gedrängt, dass Bayern 10H abschafft. Nun will er dem Freistaat doch seine Abstandsregel lassen - vorausgesetzt die Staatsregierung schafft es, binnen zehn Jahren 1,8 Prozent der Landesfläche für die Windkraft auszuweisen. Aiwanger gibt sich an diesem Dienstag optimistisch, dass Bayern die neue Bundes-Vorgabe erfüllen wird.

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