Süddeutsche Zeitung

Zinszahlungen:Vestagers Niederlagen könnten noch teuer werden

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Konzerne wie Intel oder die Telekom haben erfolgreich gegen EU-Wettbewerbsstrafen geklagt. Nun verlangen die Firmen neben einer Rückerstattung auch noch Zinsen, und zwar in Millionenhöhe.

Von Björn Finke, Brüssel

Das könnte sehr teuer werden: Der amerikanische Chiphersteller Intel verlangt von der EU-Kommission Zinsen für eine Wettbewerbsstrafe, welche die Brüsseler Behörde dem Unternehmen 2009 aufgebrummt hat. Denn im Januar hob das Gericht der EU diese Geldbuße über 1,06 Milliarden Euro auf, weil die Kommission das wettbewerbswidrige Verhalten nicht richtig belegt habe. Ende Februar erstattete die Behörde den Betrag, aber die Amerikaner fordern Zinsen dafür, dass die EU von 2009 bis 2022 über gut eine Milliarde Euro verfügt hat, die ihr nicht zustand. Das summiert sich nach Berechnung Intels auf 593 Millionen Euro.

Die Kommission lehnt das ab, doch der Konzern beruft sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2021, in dem die Richter dem spanischen Briefumschlag-Hersteller Printeos Zinsen für solch eine rückgezahlte Strafe zugesprochen haben - zu einem Zinssatz, der 3,5 Prozentpunkte über dem gültigen Leitzins der Europäischen Zentralbank liegen soll. Für den EU-Haushalt sind dieses Urteil und der üppige Zinssatz ein Risiko. Schließlich verhängen die Wettbewerbshüter der Kommission immer wieder hohe Strafen, und ab und an werden diese nach Einsprüchen der Konzerne vor Gericht aufgehoben - Jahre später. Da kommt einiges an Zinsen zusammen.

Erst im Juni verwarf das EU-Gericht eine Geldbuße über fast eine Milliarde Euro gegen den US-Chipproduzenten Qualcomm von 2018. Vor zwei Jahren wiederum urteilten die Richter, dass Apple doch nicht, wie von der Brüsseler Behörde gefordert, gut 13 Milliarden Euro Steuern in Irland nachzahlen müsse. Die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager ging aber in die nächste Gerichtsinstanz.

Die Deutsche Telekom will ebenfalls vom Zins-Urteil profitieren, wobei die Summen hier kleiner sind. Vor vier Jahren verringerte das EU-Gericht eine Wettbewerbsstrafe gegen die Bonner um zwölf Millionen Euro, und die Kommission zahlte den Betrag prompt zurück. Die Telekom möchte allerdings auch Zinsen - und im vergangenen Januar befanden die Richter, dass die Behörde tatsächlich 1,8 Millionen Euro Zinsen überweisen müsse. Im März legte die Kommission allerdings Berufung dagegen ein.

Die Forderungen "tun richtig weh", sagt der Abgeordnete

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion, wollte in einem Brief an Vestager wissen, wie die Dänin mit dem Risiko von Zinszahlungen umgehen wird. In ihrem Antwortschreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, erläutert die liberale Politikerin, dass sie Intels Forderung nach Zinsen "nicht als gerechtfertigt ansieht". Dass Richter die Strafe von 2009 aufheben, bedeute nicht, dass die Kommission seitdem im Zahlungsverzug gewesen sei, argumentiert sie.

Zugleich weist Vestager in dem zweiseitigen Brief darauf hin, dass es zwei weitere Fälle gebe, in denen Wettbewerbsstrafen im dreistelligen Millionenbereich aufgehoben worden seien und die Konzerne nun Zinszahlungen verlangten. Hier geht es um die französische Pharmafirma Servier, die 2014 zu 331 Millionen Euro Geldbuße verdonnert wurde, sowie um die Fluggesellschaft British Airways, der die Wettbewerbshüter 2010 gut 100 Millionen Euro aufbrummten.

Ferber klagt, dass Vestagers Wettbewerbshüter "regelmäßig hochkarätige Wettbewerbsfälle" verlören, sei "nicht nur peinlich, sondern wird langsam auch zum Haushaltsrisiko, denn Rückzahlungsforderungen im dreistelligen Millionenbereich tun richtig weh".

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