Süddeutsche Zeitung

Rentenreform:Nur eine mutige Reform kann die Rente dauerhaft stabilisieren

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Wer heute geboren wird, soll später 100 Euro pro Monat bekommen. Die Renten-Idee der CSU ist nett, aber es braucht mehr.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Jeden Monat 100 Euro vom Staat - wer will das nicht? Der CSU erscheint Applaus sicher für den Plan, für neugeborene Kinder in einen Altersvorsorgefonds einzuzahlen, bis sie 18 sind. Ob dieses "Starterkit" jedoch der "Rentenhammer" wird, zu dem es eine Boulevardzeitung stilisiert, muss sich erweisen. Das Starterkit bessert die erste Rente eines Bürgers in 67 Jahren auf. CSU-Chef Markus Söder ist dann 120. Damit zeigt der Plan zuvorderst: Das Land braucht endlich eine umfassende Rentenreform, um der dramatischen Alterung zu begegnen.

Die CSU-Idee darf dabei durchaus eine Rolle spielen. Es hat ja Charme, das Alterssystem durch Kapital zu stabilisieren. Die traditionelle Umlage, bei der Arbeitnehmer den Ruhestand der jeweiligen Senioren bezahlen, gerät durch die Alterung unter Druck. Nach dem Krieg kamen sechs Beschäftigte auf einen Senior, bald werden es nur zwei sein. Und weil heutige Senioren viel länger leben, empfangen sie doppelt so lange Rente wie damals. Diese simple Arithmetik zeigt, welche Lücken die Alterung aufreißt. Kapital für den Ruhestand hilft, sie zu schließen.

Man muss es aber professioneller angehen als bei der Riester-Vorsorge, mit der die Politik seit 20 Jahren Kapitalbildung betreibt, um nicht zu sagen: vermurkst. Riester wurde zum Flop, weil es der Staat der Versicherungsbranche ausgeliefert hat. Die Gebühren sind zu hoch, die Garantien erschweren lukrative Anlagen - und Versicherer investieren das Geld ohnehin zu wenig in Aktien und Immobilien, die weit mehr abwerfen als Zinsprodukte.

Daher ist es gut, dass die CSU plant, der Staat solle die 100 Kinder-Euro monatlich in einen "Generationen-Pensionsfonds einzahlen, der das Geld renditeorientiert anlegt". Das klingt vage, aber immerhin wie ein Echo des schwedischen Staatsfonds oder der hessischen Deutschlandrente. Diese Modelle sehen günstige Produkte vor, bei denen die Rendite des Kunden im Vordergrund steht - nicht die der Versicherungskonzerne. Das CSU-Starterkit sollte der Auftakt dafür sein, die Riester-Vorsorge zu modernisieren.

Insgesamt stellen sich noch Fragen: Was ist mit jüngeren Erwachsenen und Kindern, die schon geboren sind? Für sie hat die CSU kein Geld übrig, obwohl die Alterung auch ihre Renten wackeln lässt. Und woher kommt überhaupt das Geld für die Starter-Kids, bald 15 Milliarden Euro jährlich? Diese Frage wirkt pikant, da die CSU ständig der SPD vorwirft, zu viel auszugeben. Selbst verspricht sie nun von der Kinderbetreuung über die Altersvorsorge bis zu neuen Mütterrenten eine Ausgabenflut, die manchem Linken-Politiker die Schamesröte ins Gesicht triebe.

Der zentrale Punkt ist, dass das Starterkit die Renten nur um wenige hundert Euro aufbessern wird - und eben erst, wenn Markus Söder seinen 120. Geburtstag feiert. Das sei ihm dann gegönnt, doch eine große Rentenreform braucht das Land vorher. Und zwar eine, die mit Alt und Jung gleichermaßen fair umgeht.

Die Gefahr ist aber, dass die Regierung weiter Geschenke an die Älteren verteilt - und die Interessen aller jüngeren Bürger ignoriert. Mit Frührenten ab 63 und Mütterrenten für die immer größere Wählergruppe 60 plus leert die Koalition die gesetzliche Alterskasse, obwohl der die größten Belastungen noch bevorstehen: In den nächsten Dekaden verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Dann kommen eben für einen Rentner nur noch zwei Arbeitnehmer auf statt wie früher sechs. Was tun, damit heutige und künftige Senioren genug Geld bekommen, aber die Beiträge der Arbeitnehmer in die Alterskasse nicht explodieren?

Demnächst legt die Expertenkommission der Regierung ihren Vorschlag vor. Sie sollte eine Reform konzipieren, die die Belastungen verteilt. Ja, die jüngeren Bürger werden etwas höhere Beiträge in die Alterskasse zahlen müssen. Aber das darf nicht alles sein. Damit auch Ältere ihren Teil leisten, sollte die Regierung das Rentenniveau moderat sinken lassen und Geschenke wie die Frührente mit 63 stoppen. Sie sollte die hohen Beamtenpensionen anpassen, und dazu neue Finanzquellen erschließen: Bei Reichen und Unternehmen lassen sich zusätzliche Steuern für die Alterskasse mobilisieren. Dazu kommt eine verbesserte private Vorsorge mit Riester & C0. - und langfristig ein späteres Rentenalter, wenn die Deutschen wirklich immer länger leben.

Eine solche Reform verlangt vielen etwas ab, aber sie würde das Alterssystem dauerhaft stabilisieren. Es wäre für die Gesellschaft extrem wichtig, Angst vor dem Alter zu bannen. Ohne eine mutige Großreform kann man sich Söder-Kits, die in 70 Jahren wirken, gleich heute sparen.

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SZ vom 08.01.2020
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