Süddeutsche Zeitung

5G-Ausbau:Zweifel an US-Vorwürfen gegen Huawei

Lesezeit: 4 min

Die USA wollen ihre Verbündeten mit aller Macht davon abbringen, beim 5G-Ausbau auf Huawei zu setzen. Doch die Bundesregierung ist zunehmend skeptisch, wie stichhaltig die Spionagevorwürfe sind.

Von Florian Flade und Georg Mascolo, Berlin

Bei einem Thema waren sich die amerikanischen Gäste bei der Münchner Sicherheitskonferenz, Demokraten und Republikaner, überraschend einig: in der lauten Warnung vor dem chinesischen Telekommunikationsgiganten Huawei. Es gehe um die Wahl zwischen "Autoritarismus und Demokratie" erklärte die Oppositionsführerin Nancy Pelosi. Und US-Verteidigungsminister Mark Esper nutzte die große Bühne gar dazu, um zu erklären, diese Angelegenheit könne "letztlich das erfolgreichste Militärbündnis der Geschichte, die Nato, gefährden".

Mehr geht nicht. Mit aller Macht versuchen die USA, die Bundesregierung dazu zu bringen, beim Ausbau des neuen Mobilfunknetzes 5G auf chinesische Technik zu verzichten. An der deutschen Entscheidung hängt viel. Seit Großbritannien sich dem US-Druck nicht beugte, fürchtet die Trump-Regierung, dass mehr und mehr europäische Regierungen ihrem Kurs nicht folgen werden.

Auf den Gängen der Sicherheitskonferenz war nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR allerdings eine ganze andere Huawei-Geschichte das Hauptthema. Sie handelt von dem Verdacht, dass die US-Regierung den Druck auf Berlin inzwischen auch mit unlauteren Mitteln erhöht. Mit nicht überprüfbaren, womöglich sogar falschen Anschuldigungen gegen Huawei. Eine erst nur vertraulich, schließlich über US-Medien halboffiziell präsentierte "Smoking Gun" sei in Wahrheit keine solche. Ein hoher deutscher Regierungsbeamter sprach gar von "Propaganda". Aus der "Smoking Gun kommt kein Rauch", erklärte ein anderer.

Es geht um eine Warnung, die eine hochrangige US-Delegation der deutschen Regierung im vergangenen Dezember überbracht hatte. Angereist waren Matthew Pottinger, der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von Präsident Trump, Joshua Steinman, der "Special Assistant Cyber", und Vertreter aus der Spionageabwehr des FBI. Sie trafen sich mit Vertretern der deutschen Geheimdienste und diverser Ministerien und präsentierten angebliche Belege dafür, dass Chinas Sicherheitsapparat schon jetzt die Huawei-Technologie für Spionage nutze. Aufgeführt wurden Fälle, in denen etwa Wirtschaftsspionage betrieben werde. Außerdem berichteten die Amerikaner, man habe chinesische Spionagetechnologie in der Nähe von Kernwaffen-Stützpunkten entdeckt. Verbaut in Sendemasten von Huawei.

Besonders brisant aber war eine andere Warnung: Die Amerikaner sollen behauptet haben, in den Bauteilen der chinesischen Firma, die auch in deutschen Telekommunikationsnetzen vielfach verbaut sind, gebe es eine Schnittstelle, über die umfangreich Daten abgefischt werden können. Huawei nutze dazu angeblich ausgerechnet jene spezielle Vorkehrung, die in den Systemen dazu gedacht ist, hiesigen Sicherheitsbehörden legale Überwachungsmaßnahmen zu ermöglichen. Oder anders gesagt: China könne also genauso Telefone abhören und SMS mitlesen wie die deutsche Polizei - nur eben klammheimlich.

Im Auswärtigen Amt fertigte man einen Vermerk über das Treffen mit der US-Delegation an. Darin hieß es: "Ende 2019 wurden uns von US-Seite nachrichtendienstliche Informationen weitergegeben, denen zufolge Huawei nachweislich mit Chinas Sicherheitsbehörden zusammenarbeite ('smoking gun')." Nach der vertraulichen Unterrichtung kam der öffentliche Vorwurf. Er stand im Wall Street Journal, versehen mit Zitaten von Robert O'Brien, Trumps Nationalem Sicherheitsberater. "Wir haben Beweise dafür, dass Huawei in der Lage ist, heimlich auf sensible und persönliche Informationen in Systemen zuzugreifen, die sie weltweit verkaufen und betreiben", so O'Brien. Huawei dementierte umgehend, nannte die Vorwürfe unwahr.

Inzwischen wird klar, dass die Behauptung der US-Seite zumindest in Deutschland kaum jemand glaubt - weder die Industrie noch die Regierung, nicht einmal die Geheimdienste, obwohl diese selbst für den Ausschluss von Huawei vom 5G-Ausbau werben. Es fehle an einem stichhaltigen Beweis dafür, dass die besagte Schnittstelle von Huawei tatsächlich missbraucht werde könnte - oder sogar wird. "Das überzeugt uns nicht", erklärten deutsche Regierungsvertreter am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz ihren US-Kollegen.

Vergangene Woche war die angebliche "Smoking Gun" der US-Regierung auch noch einmal Thema im Bundestag. Im Ausschuss Digitale Agenda wurden Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Wirtschaftsministeriums und des Innenministeriums vorstellig und berichteten den Abgeordneten über die Warnungen aus den USA - und ihre Einschätzungen dazu. Die Sitzung wurde als "geheim" eingestuft. Aus Teilnehmerkreisen heißt es, wirklich "erhellend" seien die Informationen nicht gewesen. Es blieben große Zweifel, ob tatsächlich Spionage über angebliche Hintertüren in Huawei-Technologie stattfinde.

An der weitverbreiteten Skepsis, ob man Huawei am 5G-Ausbau beteiligen solle, hat allerdings auch diese Geschichte nichts geändert. "Die Bundesregierung darf nicht naiv oder leichtgläubig sein, welche Motive hinter den Warnungen der USA stecken", sagt der Vorsitzende des Ausschusses Digitale Agenda, der FDP-Politiker Manuel Höferlin. "An meiner eigenen Einschätzung - insbesondere hinsichtlich Huawei - ändern die Warnungen indes nichts. Aufgrund der Erfahrung der vergangenen Jahre ist klar, dass chinesische Anbieter beim 5G-Ausbau keine vertrauenswürdigen und verlässlichen Partner sind, sondern ein unkalkulierbares Risiko für die IT-Sicherheit in Deutschland."

Trotz mehrmaliger Bitten hat die US-Regierung keine weiteren Belege vorgelegt

Tatsächlich gibt es besagte Schnittstellen für das Überwachen von Kommunikation in praktisch allen Netzen. Die Hersteller müssen sie einbauen, damit Polizei und Staatsanwaltschaften nach richterlicher Genehmigung Abhörmaßnahmen vornehmen können. Nach Angaben der US-Regierung aber soll Huawei eben in der Lage sein, ohne das Wissen der Netzbetreiber Daten auszulesen.

Nachdem die USA die Vorwürfe erstmals erhoben, erklärte die Telekom der Bundesregierung aber, ein solcher Datenabgriff sei schlicht unmöglich. Bereits beim Aufbau der Netze sei man sich der Verwundbarkeit ebendieser Stelle voll bewusst gewesen, deshalb laufe die Steuerung der Schnittstelle über ein getrenntes Netz. Die Server stünden in einem Hochsicherheitsbereich. Und die Technik für dieses getrennte Netz stamme auch nicht aus China, sondern von der Firma Utimaco in Aachen. Hätten die Chinesen in ihren Bauteilen und in ihrer Software eine Hintertür eingebaut, würde man dies nachvollziehen können - denn die eingegebenen Steuerbefehle würden protokolliert.

Unstreitig ist, dass die USA mit ihren Geheimdiensten über besondere Expertise im Cyberbereich verfügen. Manches, von dem sie wissen, wissen die Deutschen nicht. Aber trotz mehrmaliger Bitten hat die US-Regierung keine weiteren Belege für ihre Behauptung vorgelegt. Stattdessen erhöhen die USA weiter den Druck auf Huawei. Huawei verstoße nicht nur immer wieder gegen US-Sanktionen gegen Nordkorea und Iran, sondern betreibe eben auch hartnäckig Industriespionage.

Auf Länder wie Deutschland erhöht die US-Regierung daher den Druck, nicht mit Huawei zusammenzuarbeiten. Das wurde in der Nacht zu Montag noch einmal durch eine Drohung deutlich, die ihren Anfang offenbar direkt beim US-Präsidenten nahm. Donald Trump habe ihn gerade aus der Air Force One angerufen", schrieb der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, auf Twitter. Trump habe ihn angewiesen, etwas klarzumachen: "Jede Nation, die sich dazu entscheidet, einen nicht vertrauenswürdigen 5G-Ausrüster zu nutzen, setzt aufs Spiel, dass wir Geheimdienstinformationen auf höchster Ebene weitergeben."

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Quelle:
SZ vom 18.02.2020
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