Süddeutsche Zeitung

Friede im DFB:Flotter Burgfrieden

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Die Streithähne Zwanziger, Niersbach, Löw und Bierhoff mussten sich zusammenraufen. Um jeden Preis. Doch das dreifach-kleinlaute Mea culpa war nicht zu erwarten.

Thomas Kistner

Was ist passiert beim Deutschen Fußball-Bund, so plötzlich über Nacht, dass die noch am Wochenende dramatisch in Wort und Bild dokumentierte Eiszeit 48 Stunden später dem kräftigen Zwischenhoch weichen konnte, das nun bis zur WM in Südafrika anhalten soll?

Klar ist: DFB-Boss Theo Zwanziger, Generalsekretär Wolfgang Niersbach sowie Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff mussten sich zusammenraufen. Um jeden Preis. Deshalb ist der Burgfrieden an sich keine große Überraschung, vernünftig ist er ohnehin. Was erstaunt, ist zweierlei: das flotte Tempo, in dem sich die Klima-Erwärmung vollzog, und die intensiven, öffentlichen Selbstgeißelungen, die - Löw ausgenommen - alle Beteiligten betrieben. Ein dreifach-kleinlautes Mea culpa aus Frankfurt - hat es das je gegeben in Deutschlands kraftstrotzendem Fußballverband?

Der Aspekt lädt zu Spekulationen ein. Eine WM, in deren Monate währender Vorlaufphase Funkstille herrscht zwischen Verbandsführung und sportlicher Leitung, lässt sich kaum erfolgreich gestalten. Und zwar unabhängig davon, wie am Ende das Turnier selbst abgewickelt wird. Denn hier geht es längst nicht mehr nur um Sport, sondern um das mutmaßlich höchste nationale Gemeingut.

Dass es im eher läppischen Unterhaltungsbereich angesiedelt ist, nimmt dem Thema Fußball wenig von seiner Bedeutung. Gerade macht sich Innenminister Thomas de Maizière auf den Weg nach Vancouver, um für den Standort Deutschland zu werben, als Austragungsort der Winterspiele 2018. Das zeigt, welchen Stellenwert der Sport hat - und vielleicht auch, welcher Druck letztlich auf den Streithanseln lag.

Bierhoff hat sein kühles Vorpreschen mit schriftlich eingereichten Vertragsforderungen bereut, er hat begriffen, dass im Emotionsbetrieb Fußball nicht nur der große geschäftsstrategische Wurf, sondern auch Gespür für kleine Gesten und Zwischentöne dazugehören, ja, dass sie im Zweifelsfalle sogar wichtiger sind.

Auch Zwanzigers Auftritt war insgesamt als bemerkenswertes Eingeständnis zu werten: Der selbstbewusste Souverän hat Fehler gemacht und Besserung gelobt. Am tiefsten aber ließ wohl der zerknirschte Niersbach blicken. Einem gelernten Medienprofi, der heftigste und wiederholte Kommunikationspannen im eigenen Revier einräumen muss, könnte durchaus eine Schlüsselrolle zum Verständnis der verbandsinternen Karambolage zugewiesen werden. Sicher ist jedenfalls: Welche Kraft auch immer den jähen Burgfrieden betrieb, vom Boulevard kommt sie diesmal nicht.

Im Video: DFB Streit offiziell beendet -in einer öffentlichen Pressekonferrenz verkünden beide Parteien den vorübergehenden Burgfrieden.

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