Süddeutsche Zeitung

Frauenfußball:Raus auf die große Bühne

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Frauenteams ziehen immer öfter für Spiele in große Stadien um - und setzen neue Maßstäbe. Die Europameisterschaft in England hat einen Schub bewirkt, was bleibt, ist die Frage der Nachhaltigkeit.

Von Anna Dreher

Vor ein paar Tagen erst zum Beispiel, im Stadio Olimpico, da waren es 39 454 Zuschauer. Viele hielten Flaggen und gelb-rote Schals der AS Roma in die Höhe und sangen leidenschaftlich "Roma, Roma, Roma, core de 'sta città, unico grande amore, de tanta e tanta gente, che fai sospirà", die Hymne von der großen Liebe zu diesem Klub. Das allein wäre keine Meldung wert, solche Szenen liefert das Olimpico seit Jahren. Aber an jenem Dienstag waren es eben nicht die Männer, die gegen den FC Barcelona in der Champions League auf dem Platz standen, sondern die Frauen. Sie erlebten einen historischen Abend: So viele Zuschauer waren noch nie zu einer Partie des italienischen Frauenfußballs gekommen.

Erstmals in der Geschichte der Frauen-Champions-League finden alle Viertelfinals in jenen Spielstätten statt, die üblicherweise das Zuhause der Männer sind. Das 1:0 der Fußballerinnen des FC Bayern gegen Arsenal sahen 20 000 Zuschauer in Fröttmaning, diesen Mittwoch kamen 21 307 ins Emirates Stadium, um nach dem 2:0 der Londonerinnen deren Halbfinal-Einzug zu feiern. Am Donnerstag empfängt DFB-Kapitänin Alexandra Popp mit dem VfL Wolfsburg in der 30 000 Plätze fassenden VW-Arena Paris Saint-Germain (18.45 Uhr, DAZN), die ebenfalls gut besucht sein dürfte.

Partien in der Königsklasse sind Höhepunkte, schon klar. Das zeigt auch die Statistik. Beim Halbfinale Barcelona gegen Wolfsburg im April 2022 leuchtete die Zahl "91 648" im Camp Nou auf - damit hatten die Katalaninnen ihren erst kurz zuvor an selber Stelle aufgestellten globalen Rekord übertroffen, als gegen Erzrivale Real Madrid 91 553 Menschen gekommen waren. Solche Dimensionen waren bis vor wenigen Jahren, wenn überhaupt, nur bei Länderspielen möglich. Platz drei belegt entsprechend das WM-Finale 1999 zwischen den USA und China (90 185). Aber Vorurteile werden abgebaut, die zunehmende Professionalisierung jeglicher Bereiche steigert die Attraktivität. Und im Alltag?

Bereits nach neun von 22 Spieltagen meldete der Deutsche Fußball-Bund, dass mit 173 438 in dieser Saison rund 17 000 Zuschauer mehr die Partien in der Bundesliga besucht haben als nach der gesamten einstigen Rekordrunde 2013/14. Im Schnitt sind es bisher knapp 3000 gewesen; das ist im Vergleich zu den Männern mit Zehntausenden pro Spiel noch immer wenig, im Vergleich zum Vorjahr aber deutlich mehr, da waren es lediglich 846. Immer öfter wechseln Vereine auch hier in größere Stadien. Laut einer Analyse der Sportmarketing-Agentur "Two Circles" spüren besonders die Bundesliga und die Women's Super League eine höhere Beliebtheit, mit einem Zuschauerplus von rund 260 Prozent. Was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass England und Deutschland im vergangenen Sommer das EM-Finale im ausverkauften Wembley-Stadion bestritten.

Die Euphorie rund um dieses Turnier und der Abstrahleffekt der Nationalteams wirken sich deutlich auf die Klubwettbewerbe aus. Von dieser Abhängigkeit profitieren gerade viele. Das spüren die Vereine durch ein gestiegenes Interesse, die Nationalspielerinnen merken es, weil sie nun wie ihre Kollegen ständig erkannt werden. "Mehr Zuschauer bedeuten mehr Einnahmen, mehr Sichtbarkeit bedeutet mehr Sponsoring", beschreibt die Sportliche Leiterin der Bayern, Bianca Rech, im SZ-Interview die derzeitige Aufwärtsspirale. Aber weil die Frauenteams trotz wachsender Beliebtheit noch ein Zuschussgeschäft sind und Vereine mit höheren Investitionen nicht allein gesellschaftspolitische Statements setzen wollen, stellt sich vor allem die Frage, wie nachhaltig die lang ersehnte Entwicklung sein wird. Da trifft es sich gut, dass auf die EM 2022 schon in diesem Jahr die WM folgt.

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