Süddeutsche Zeitung

Frauenfußball:Die Ausnahme wird selbstverständlicher

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Die Bundesliga-Fußballerinnen spielen immer häufiger in den großen Stadien - und das vor immer mehr Menschen. Die Klubs könnten endlich erreicht haben, was lange unmöglich zu sein schien.

Von Anna Dreher

Wahrscheinlich wäre das Fazit kritischer ausgefallen, hätte dieses Spiel an einem anderen Ort stattgefunden. Wenn der Rasen von eher flacheren Tribünen mit weniger Sitzreihen umringt gewesen wäre und sich alles etwas heimeliger und gewohnter angefühlt hätte - im Campus-Stadion des FC Bayern, wo die Fußballerinnen dieses Vereins sonst ihre Heimspiele austragen. Am Samstag aber lag die Aufmerksamkeit woanders, weil der vermeintliche Alltag sich wie ein Feiertag darbot: größer, lauter, spektakulärer - in der Allianz Arena, gefüllt mit 19 000 Zuschauern.

Und so wirkten alle Beteiligten einigermaßen versöhnt mit einem unaufgeregten 0:0. Die Gäste von Eintracht Frankfurt waren ohnehin mit der Priorität angereist, sich kein Gegentor einzufangen, und froh, beim amtierenden deutschen Meister gepunktet zu haben. Die Gastgeberinnen bemängelten zwar fehlende Präzision und Entschlossenheit vor dem Tor, Linda Dallmann bilanzierte, zwei Unentschieden nach vier Spielen seien "schon ein bisschen enttäuschend bei den Zielen, die wir haben". So richtig angefressen war aber keine Spielerin, die vor die Mikrofone trat. Die Trainer sprachen von einem guten, intensiven Auftritt. Die besondere Atmosphäre wirkte geradezu besänftigend.

Dorthin, wo sonst die Kollegen von der Säbener Straße zu Hause sind, waren die Münchnerinnen zur Zwischenmiete gezogen, erstmals in der Bundesliga und zum vierten Mal überhaupt. Für die Frankfurterinnen war es ohnehin die Premiere. "Das war mit Wembley eines der krassesten Stadien, in denen ich je gespielt habe", sagte Abwehrspielerin Sophia Kleinherne. Sie sei zuvor noch nie hier gewesen. "Von daher war wirklich - die Katakomben, die Kabine, der Platz - alles etwas Besonderes." Stürmerin Laura Freigang sagte: "Als Spielerin ist es einer der großen Träume, hier zu spielen." Und fügte hinzu: "Hoffentlich kommen wir irgendwann mal wieder."

Die Ausnahme geht immer mehr in eine gewisse Regelmäßigkeit über

Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedenfalls gestiegen. Die Partie in München war nicht die einzige in unüblicher Umgebung. Am Samstagmittag hatten die Fußballerinnen des SV Werder Bremen den 1. FC Köln im Weserstadion empfangen, vor 21 508 Zuschauern. Und am Sonntag gaben Leipzigs Frauen ihr Pflichtspiel-Debüt in der Red-Bull-Arena gegen Tabellenführer VfL Wolfsburg vor 10 269 Menschen. Hinzu kam am Freitagabend die Partie im Max-Morlock-Stadion, wobei die Nürnbergerinnen seit ihrem Aufstieg immer hier antreten und dies gegen die TSG Hoffenheim mit 1336 Zuschauern vor eher bescheidener Kulisse taten.

Mehr als die Hälfte des vierten Spieltags fand also in großen Stadien statt, das gab es noch nie in der Frauen-Bundesliga. Und auch, wenn eine solch imposante Bühne für den Großteil nach wie vor ungewohnt ist: Die Ausnahme geht immer mehr in eine gewisse Regelmäßigkeit über, ein Wechsel in die Spielstätte der Männer wird für die Klubs selbstverständlicher. Noch stellt dieser Schritt ein Zuschussgeschäft dar. Aber abgesehen von einem Zeichen der Wertschätzung tritt ein, was erhofft wird: Mehr Publikum wird angelockt.

Dass tatsächlich mehr Menschen kommen, ist lange nicht gewiss gewesen. Das jüngste Interesse in München, Bremen und Leipzig steht für die Entwicklung des Frauenfußballs und kann als Zeichen gewertet werden, dass gelungen sein könnte, was lange angestrebt worden war, nämlich ein stärkeres Interesse zu gerieren, unabhängig vom Erfolg des Nationalteams. Denn während die Auswahl im Sommer 2022 noch mit dem Einzug ins Finale der Europameisterschaft begeisterte, folgte dieses Jahr bei der WM mit dem historisch frühen Abschied nach der Vorrunde der Absturz.

"Ich sehe keinen Dämpfer. Wir erleben bei uns eine nach wie vor hohe Nachfrage was Fans, Sponsoren und Medieninteresse betrifft", sagte die Sportliche Leiterin beim FC Bayern Bianca Rech der SZ. Und auch in der Bundesliga generell spüre sie gesteigertes Interesse: "Das ist genau der Effekt, den sich alle gewünscht haben. Die Euro hat gutgetan, dem Nationalteam wie der Liga - und die Vereine haben diesen Schwung aufgenommen." Als ihr Team beim SC Freiburg den Auftakt bestritt, kamen ins Dreisamstadion 13 234 Zuschauer, danach gegen Köln im Campus waren alle 2500 Plätze belegt, in Essen waren es 4642, für die SGS ein Bestwert.

So viele Zuschauer wie noch nie an einem Spieltag

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte nach dem dritten Spieltag einen Schnitt von 3222 Zuschauern mit, vergangene Saison waren es zum gleichen Zeitpunkt 3162. Am Ende könnte ein erneut verbesserter Schlusswert stehen. 22/23 kamen 2723 Zuschauer pro Partie, deutlich mehr als die 806 in der Runde 21/22. Was den vierten Spieltag der laufenden Spielzeit angeht, muss zwar erst noch der Montag abgewartet werden, aber Freitag, Samstag und das Sonntags-Highlight in Leipzig zusammengerechnet ergeben schon 52 113 Besucher. So viele wie noch nie an einem Spieltag, möglich auch durch die Länderspielpause der Männer. Das bisherige Maximum lag bei 43 697 Zuschauern am 18. Spieltag der Saison 2022/23, an dem auch der Liga-Rekord für eine Partie mit 38 365 Zuschauern in Köln aufgestellt wurde.

"Es kann der Liga nur helfen und tut ihr gut, Spiele auf der großen Bühne zeigen zu können", sagte Rech. Nicht zuletzt auch, weil die Präsentation dadurch attraktiver wird, was nicht unerheblich ist angesichts der neuen TV-Verträge: Magenta und DAZN streamen alle 132 Begegnungen, die eingeführte Montagspartie ist bei Sport 1 zu sehen. Hinzu kommen zehn Live-Übertragungen von ARD und ZDF. Dass das Ganze aber selbst bei Fan-Lieblingen kein Selbstläufer ist, zeigte sich zuletzt am Beispiel von Eintracht Frankfurt: Zur Bundesliga-Partie gegen Wolfsburg Anfang Oktober kamen 13 500 Zuschauer ins große Stadion am Stadtwald; neun Tage später zur Champions-League-Qualifikation gegen Prag waren es gerade einmal 5500.

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