Süddeutsche Zeitung

Formel 1 in Monza:Ferrari bittet um Geduld

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Monza ist Ferrari-Revier, dass das Meer aus Rot diesmal in Wallung gerät, ist aber unwahrscheinlich. Wie andere Teams haben die Italiener eine Übergangssaison ausgerufen - doch Charles Leclerc weckt Zuversicht.

Von Anna Dreher, Monza

Noch ist es relativ ruhig hier. Der Donnerstag ist der Tag des Ankommens in der Formel 1, Lautstärke und Rummel nehmen langsam zu, bis sie am Wochenende ihren Höhepunkt erreichen. Einige Fans sind natürlich bereits da, warum auch nicht, wenn der große Zirkus der Stadt einen Besuch abstattet? Zudem gibt es deutlich unschönere Orte, um sich die Zeit zu vertreiben. Die Via Enzo Ferrari führt, von Bäumen umsäumt, direkt zu einem der hohen, schweren gusseisernen Eingangstore des Königlichen Parks von Monza. Seit 1950 wird hier der Große Preis von Italien ausgetragen, auf einem Hochgeschwindigkeitskurs, der über 5,793 Kilometer vor allem aus Geraden besteht. Eine Herausforderung für die Fahrer, oft ein Spektakel für die Zuschauer.

Von denen warten ein paar Dutzend darauf, dass einer ihrer Helden diesen Zugang zu seinem Arbeitsplatz wählt. "Daniel, I am here just for you", hat eine Frau als Grußbotschaft an den australischen McLaren-Pilot Ricciardo auf ein Plakat gemalt, dazu ein Stück Pizza und die italienische Flagge. Sie wartet ein paar Meter hinter dem Tor und hält ihr Werk freudig vor sich in die Höhe, jedes Auto wird genau observiert. Nach und nach trudeln am Vormittag die Hauptdarsteller der Königsklasse im Park ein, um auf einer der malerischen Alleen ins Fahrerlager zu gelangen. Überhaupt - die Bäume, so grün wie hier ist es an kaum einer anderen Formel-1-Strecke.

Etwa 50 000 Fans werden pro Tag erwartet, eine Tribünen-Auslastung von 50 Prozent wurde genehmigt

Die dominierende Farbe dürfte jedoch schon bald eine andere sein. Monza ist Ferrari-Revier. Etwa 50 000 Fans werden pro Tag erwartet, eine Tribünen-Auslastung von 50 Prozent wurde genehmigt, mehr lassen die Hygienemaßnahmen angesichts der Coronavirus-Pandemie noch nicht zu. Vergangene Woche im niederländischen Zandvoort Orange - nun ein Meer aus Rot. Ob es dieses Jahr auch in Wallung gerät?

Die Erinnerungen an die große Euphorie liegen noch nicht allzu lange zurück. Das nährt die Hoffnungen auf eine Wiederholung, und einer hält sie besonders gerne lebendig. "Heute vor zwei Jahren, für immer in meinem Herzen", hat Charles Leclerc am Mittwoch in den Sozialen Medien zu einem Foto geschrieben, auf dem jenes Ereignis festgehalten ist, das wiederum dem inzwischen 23-Jährigen für immer einen Platz in den Herzen der Tifosi gebracht haben dürfte.

Rückblende ins Jahr 2019, Leclerc fährt seine erste Saison für Ferrari an der Seite von Sebastian Vettel. Die Erwartungen an ihn sind groß, die Scuderia sieht in ihm den Fahrer einer glorreichen gemeinsamen Zukunft. Der smarte Monegasse erfüllt sie prompt, er wird zu einem ernsthaften Konkurrenten für den viermaligen Weltmeister. Schon bei seinem zweiten Einsatz in Bahrain holt der selbstbewusste Leclerc die Pole Position, wird im Rennen Dritter und gewinnt ein paar Monate später beim Großen Preis von Belgien sein erstes Rennen für die Roten. Eine Woche danach: Heimspiel in Monza, Leclerc saust als erster über die Ziellinie und macht sich im Alter von 21 Jahren und 320 Tagen zum jüngsten Sieger im Ferrari - danach herrscht Ausnahmezustand. Auf dem Foto, das er nun veröffentlichte, ist zu sehen, wie er vom balkonartigen Podium Champagner verspritzt, vor ihm tausende jubelnde Ferrari-Fans.

Die Entwicklung des aktuellen Autos ist angesichts der für 2022 anstehenden Änderungen eingestellt worden

Lange her, das alles. Von Siegen träumen die Tifosi in dieser Saison mehr, als dass sie wirklich daran glauben können, den letzten haben sie am 22. September vor zwei Jahren erlebt, als Vettel in Singapur reüssierte. Was folgte, war eine missratene Saison 2020 mit Platz sechs in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft, ein Abschluss so schlecht wie seit vier Jahrzehnten nicht. Leclerc wurde Achter und Vettel - dessen Abschied von Ferrari äußerst unschön über die Bühne ging - nur Dreizehnter. "Was wir abliefern, entspricht nicht dem Anspruch einer Marke wie Ferrari", gesteht Teamchef Mattia Binotto damals ein. Und auch nun muss er die nach Erfolgen darbenden Fans um Geduld bitten. Die Entwicklung des aktuellen Autos ist angesichts der für 2022 anstehenden Änderungen eingestellt worden. Wie andere Teams haben die Italiener eine Übergangssaison ausgerufen.

Aber die Stimmung ist deutlich besser. Zwar fahren Mercedes mit Lewis Hamilton und Red Bull mit Max Verstappen in einer eigenen Liga die WM unter sich aus, die Kimi Räikkönen 2007 als letzter Ferrari-Fahrer gewonnen hat. In Carlos Sainz und Leclerc hat die Scuderia aber immerhin ein Duo, das zumindest bisher nicht aneinander gerät wie einst Vettel und Leclerc - was auch darauf zurückzuführen ist, dass der Spanier noch sehr damit beschäftigt ist, seine Fahrweise nach dem Wechsel von McLaren umzustellen. Beide sind jeweils einmal Zweiter geworden, vor allem Leclerc beruhigt im SF21 mit seiner wiedergewonnenen Konstanz die italienische Rennseele. Ferrari ist aktuell drittbester Konstrukteur, Leclerc sechst- und Sainz siebtbester Pilot. Das stimmt optimistisch für kommendes Jahr, alles wirkt etwas weniger chaotisch als zuletzt.

Als die Piloten am Donnerstag im Fahrerlager angekommen sind und nachmittags paarweise nacheinander auf der Pressekonferenz sitzen, spricht Leclerc mit Vettel als erstes. In Zandvoort ist er Fünfter geworden, zuvor in Spa Achter - und stapelt lieber tief. "Es wird kein einfaches Wochenende für uns werden, auf dem Papier ist das eines der schwierigsten Rennen für uns", sagt Leclerc. "Aber hier mehr als irgendwo sonst auf der Welt spüren wir die Unterstützung. Das ist definitiv sehr besonders." Immerhin das könnte dieses Jahr also wieder so werden wie 2019.

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