Süddeutsche Zeitung

Geld für Kiew:Unterstützung für Ukraine bröckelt

Lesezeit: 3 min

Der US-Kongress wendet die Haushaltssperre ab, doch für Präsident Biden wird es schwer, weitere Hilfen für Kiew durchzusetzen. Auch aus Europa gibt es schlechte Nachrichten.

Von Peter Burghardt und Viktoria Großmann, Bratislava/Washington

Die Geisterstunde an der Ostküste rückte näher, als Amerika vorläufig ein Gespenst vertrieb. In der Ukraine war Mitternacht schon vorbei. Ab Sonntag wären die USA in den Shutdown geschlittert, wenn sich die obersten Mandatsträger nicht auf einen neuen Regierungshaushalt verständigt hätten. Am späten Samstagabend stimmte dann nach dem Repräsentantenhaus auch der Senat zu. Kurz vor der Deadline unterschrieb Präsident Joe Biden den Kompromiss, aber er und die Ukrainer zahlen einen Preis.

Die Amerikaner dürfen erleichtert sein nach wochenlangem Streit ihrer Volksvertreter. Staatsangestellte müssen nicht in den Zwangsurlaub und werden weiterbezahlt, Nationalparks, Zoos und Museen bleiben geöffnet. Doch das Abkommen zwischen Demokraten und moderaten Republikanern gilt nur für zunächst 45 Tage, und für die Ukraine ist der Inhalt deprimierend.

Zusätzliche 24 Milliarden Dollar für Kiew hatte Biden verlangt, das Geld allerdings kommt in dem Konsenspapier nicht vor. Das bedeutet zwar nicht, dass die Ukraine nun leer ausgeht. 113 Milliarden Dollar für Waffen und Wirtschaftshilfe waren vom Kongress bereits abgesegnet worden, auch könnte der von Biden geforderte Nachschlag bis November doch noch genehmigt werden. Doch es wird schwerer für den Präsidenten, rechte Republikaner wollen den Beistand für das ferne Land in Osteuropa beenden.

Wolodimir Selenskij bekam das zu spüren, als er kürzlich wieder Washington besuchte. Beim ersten Mal wurde er im damals komplett demokratisch dominierten Kongress gefeiert, diesmal war der Empfang kühl. Obwohl ihm Biden im Weißen Haus mehr Waffen versprach, offenbar sogar die ATACMS -Raketen größerer Reichweite. "Die Ukraine ist nicht der 51. Bundesstaat", stand jetzt auf einem Plakat der Republikanerin Marjorie Taylor Greene.

Nicht nur die Hardliner schauen im US-Wahlkampf eher auf die eigene Südgrenze und angesichts der Spannungen mit China auf den Pazifik, mit dem die USA eine Küste teilen. Auch wenn die meisten Demokraten und gemäßigte Republikaner Selenskij die Treue halten. Der Senat, so eine überparteiliche Erklärung, solle daran arbeiten, "dass die US-Regierung weiterhin kritische und nachhaltige Sicherheits- und Wirtschaftsunterstützung für die Ukraine bereitstellt".

Der republikanische Speaker wird aus den eigenen Reihen angegriffen

Vom Repräsentantenhaus verlangt das Biden auch. Er erwartet, "dass der Sprecher sein Versprechen gegenüber dem ukrainischen Volk einhält", gemeint ist Kevin McCarthy. Der Republikaner McCarthy trug viel zu dem Minimalkonsens über ein Kurzzeitbudget bei, der Extremistenflügel seiner Fraktion will ihn dafür bestrafen. Der Scharfmacher Matt Gaetz bläst zum Aufstand gegen den Speaker McCarthy, schon diese Woche könnte es so weit sein.

Das Duell der Lager prägt die USA vor der Präsidentschaftswahl im November 2024, angetrieben von Donald Trump. Der Kandidat Trump schwadroniert, dass er den Krieg im Handumdrehen beenden würde, er und Russlands Präsident Wladimir Putin loben sich gegenseitig. Und die amerikanischen Grabenkämpfe sind nicht die einzigen schlechten Nachrichten für Selenskij. In Europa drohen sich nach Ungarn weitere Staaten in Sachen Ukrainehilfe zu isolieren.

Am Samstag gewannen bei der Parlamentswahl in der Slowakei prorussische Kräfte. Sieger Robert Fico ließ wissen, dass die Ukraine "keine einzige Patrone mehr" erhalten werde, wenn er regiere. Fico strebt ein Bündnis mit weiteren euroskeptischen sowie einer prorussischen und rechtsextremen Partei an, er pflegt seit Kriegsausbruch eine gegen Nato und EU gerichtete Rhetorik. Vor der Wahl sagte er: "Ich möchte nicht, dass die Slowakei von Nichtregierungsorganisationen und der amerikanischen Botschaft regiert wird." Gegnern warf er vor, von der "EU korrumpiert" zu sein. Die slowakische Präsidentin nennt Fico eine "US-Agentin".

Bisher konnte sich die EU auf die slowakische Regierung verlassen. Dieser Nachbar der Ukraine hatte viele Flüchtlinge aufgenommen und gleich zu Kriegsbeginn ein Flugabwehrsystem abgegeben, außerdem sind in der Slowakei Nato-Truppen stationiert. Angesichts von Inflation und Angst vor Verarmung versprachen jedoch mehrere Parteien im Wahlkampf, nun sei zuerst die eigene Bevölkerung dran.

Solche Tendenzen gibt es auch in Polen, dort wird am 15. Oktober gewählt. Die rechtsnationalistische PiS-Regierung, bisher Unterstützer der Ukraine gegen die russischen Angreifer, schlägt unfreundliche Töne an. Man könne keine Waffen mehr liefern und müsse die eigene Armee ausrüsten, sagte Premier Mateusz Morawiecki. Präsident Andrzej Duda verglich die Ukraine mit einem Ertrinkenden, der den Helfer - also wohl Polen - mit sich in die Tiefe zieht.

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