Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:Gemeinsame Ermittlungen gegen Russland

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Ein neues Zentrum soll den Angriffskrieg gegen die Ukraine strafrechtlich verfolgen, Beweise sichern und spätere Sondergerichte vorbereiten.

Von Leopold Zaak, München

Gemeinsam mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) und der EU-Kommission wollen mehrere westliche Staaten den russischen Angriff auf die Ukraine strafrechtlich verfolgen. Am Montag nahm in Den Haag das sogenannte Zentrum zur Verfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine, kurz ICPA, seine Arbeit auf. Das ICPA ist keine eigenständige Ermittlungsbehörde, sondern bei der europäischen Justizbehörde Eurojust angesiedelt, und dient dazu, dass die Mitgliedstaaten ihre eigenen Ermittlungen koordinieren und Beweise in einer gemeinsamen Datenbank sichern.

Ziel sei es, die Ermittlungsergebnisse einem späteren Sondergericht für russische Kriegsverbrechen zur Verfügung zu stellen, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders. Es sei ein "klares Signal an die Welt, dass das Gewaltverbot weiterhin die Grundlage unserer internationalen regelbasierten Ordnung ist". Außer der Ukraine sind derzeit Polen, Litauen, Lettland, Estland und Rumänien Mitglied des ICPA, weitere Staaten könnten folgen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im vergangenen März angekündigt, das Zentrum gründen zu wollen. Damals sprach sie sich auch dafür aus, ein Sondertribunal einzurichten, vor dem Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen werden sollen. Andrij Kostin, der ukrainische Generalstaatsanwalt, sprach am Montag von einem "historischen Moment", in dem eine Lücke im internationalen Recht geschlossen werde. Er spielte damit auf die Schwierigkeit an, Angriffskriege strafrechtlich zu verfolgen. Solchen Ermittlungen müssten beide Kriegsparteien zustimmen, für Russland gilt das als ausgeschlossen. Bei mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine kann der IStGH hingegen ermitteln und Haftbefehle aussprechen.

Im vergangenen März erließ er Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa. Sie sollen für die Verschleppung von Hunderttausenden ukrainischen Kindern verantwortlich sein.

Was die Einrichtung eines möglichen Sondertribunals angeht, zeigten sich die Vertreter des ICPA zurückhaltend. Das Zentrum sei der erste Schritt in einem Prozess, um Beweise für künftige Verfahren zu sichern, sagte Ladislav Hamran, der Präsident von Eurojust. Solche Prozesse müssten auch nicht zwingend vor einem speziellen Tribunal stattfinden, sondern könnten auch vor nationalen Gerichten verhandelt werden. Er betonte, dass es einzigartig sei, dass bereits Beweise gesammelt würden, während der russische Angriffskrieg noch im Gange sei.

Derweil versuchen die ukrainischen Streitkräfte, diese russische Aggression weiter abzuwehren. Bei ihrer Gegenoffensive will die Ukraine im Süden des Landes einige Quadratkilometer russisch besetztes Gebiet befreit haben, auch bei Bachmut komme man voran, teilte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar mit. An weiter nordöstlich liegenden Frontabschnitten sei die Lage dagegen schwierig, dort greife Russland weiter an, mehrere Quellen berichten von kleineren Geländegewinnen für die russische Armee.

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