Süddeutsche Zeitung

Naher Osten:Welche Staaten in Syrien kämpfen

Lesezeit: 4 min

Die Angst vor einer Eskalation in Syrien wächst. Trump droht mit Raketen, Frankreich stellt sich an seine Seite. Was will Russland? Arbeitet Putin weiter mit Iran zusammen? Die wichtigsten Akteure im Überblick.

Von Thomas Jordan und Sebastian Gierke

Der Syrien-Konflikt ist noch nicht vorbei, doch die Art der Auseinandersetzung verändert sich. Längst handelt es sich nicht mehr nur um einen Bürgerkrieg, sondern um mehrere Kriege auf dem Gebiet eines einzigen Staates. Die Einmischung internationaler Mächte hat das Land nicht nur geteilt, sondern macht auch eine politische Lösung extrem schwierig und langwierig. Und jetzt droht der US-Präsident mit einem Raketenangriff.

Die wichtigsten Akteure und ihre Ziele im Überblick:

Syrien

Der syrische Diktator Baschar al-Assad gewinnt immer mehr die Oberhand in Syrien zurück. Vor allem die internationalen Mächte, die ihn militärisch unterstützt haben, bringen sich jetzt in Stellung und versuchen, sich möglichst viel Kontrolle und Einfluss zu sichern.

Assad konnte seine Macht vor allem dank russischer Luftangriffe sichern - und dank der Hilfe aus Teheran. Aufgrund dieses Schutzes kann er, trotz schlimmster Kriegsverbrechen wohl durchkommen. Der schiitische Iran hat nicht nur Militärberater nach Syrien geschickt, sondern finanziert auch die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die mit 10 000 Mann an der Seite der syrischen Armee kämpft. Unterstützung aus Teheran erhalten vermutlich auch etliche lokale Milizen, die sich überall im Land gebildet haben. Für viele Beobachter gelten Iran und die Hisbollah längst als die eigentlich Mächtigen in Syrien. Für Assad könnte das langfristig zum Problem werden. Er ist allerdings noch nicht stark genug, auf die Anwesenheit Irans verzichten zu können und sich ganz auf Russland zu stützen.

USA

Der mit großem Abstand wichtigste Verbündete Israels hat sich im Syrien-Konflikt lange darauf konzentriert, die Terrormiliz Islamischer Staat zu bekämpfen. Offiziell hält sich die US-Armee immer noch nur deshalb in Syrien auf, um die Rückkehr des IS zu verhindern. Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die syrische Stadt Duma Anfang April hat sich die Tonlage der USA gegenüber Syrien und dessen Verbündetem, Russland, sehr deutlich verschärft. Gegenüber amerikanischen Journalisten sprach Präsident Trump davon, dass man dieser neuen Kampfansage des syrischen Regimes mit Macht begegnen werde. Am Mittwoch kündigte Trump auf Twitter an, Syrien mit Raketen angreifen zu wollen.

Das Engagement der USA in der Region hat Trump vorher allerdings stark begrenzt. Auch daher rührt die harte Haltung Israels in dem Konflikt. Das Land glaubt, keine Schwäche zeigen zu dürfen. Sonst könnten, so die Befürchtungen, die Feinde Israels versuchen, den Rückzug der USA auszunutzen. Allerdings dürften auch die USA verhindern wollen, dass Iran seinen Einfluss in der Region weiter ausbaut, schließlich hat US-Präsident Donald Trump Teheran - zumindest was das Atomprogramm angeht - auch öffentlich den Kampf angesagt. Was die Bedrohung durch Iran angeht, hat Trump Israel bislang keine öffentlichen Zusagen gemacht. Auch nicht nach dem Abschuss des Flugzeuges Mitte Februar.

Israel

Israel ist vor allem über die zunehmende Präsenz der Hisbollah am Fuß des Golan und in Syrien besorgt. Aber auch über iranische Präzisionsraketen, die aus entlegenen Gebieten Syriens Richtung Israel abgefeuert werden könnten. Der zunehmende Einfluss Irans und der Hisbollah hat große Unruhe ausgelöst. Seit Monaten fliegen israelische Jets deshalb Luftangriffe gegen Ziele in Syrien. Israel wird nicht tatenlos bleiben, sollten Hisbollah und Iran ihre Militärinfrastruktur weiter ausbauen und näher an die Grenze rücken.

Mit dem Abschuss eines israelischen Flugzeuges am 10. Februar geriet allerdings die bisher uneingeschränkte Lufthoheit Israels in der Region in Zweifel. Laut israelischen Angaben war eine iranische Drohne in den eigenen Luftraum eingedrungen und wurde von einem Kampfhubschrauber abgeschossen. Israel reagierte sofort und griff über mehrere Stunden Ziele in Syrien an. Als einer der daran beteiligten Jets von den Angriffen zurückkehrte, geriet er unter schweren Beschuss durch syrische Luftabwehrraketen. Die proiranische Hisbollah-Miliz in Libanon sprach nach dem Abschuss von einer "neuen strategischen Phase".

Frankreich

Emmanuel Macrons Vorgänger im Amt des französischen Präsidenten, François Hollande, hatte sich im Jahr 2013 für einen Militärschlag gegen den syrischen Machthaber Assad ausgesprochen. Bereits damals hieß es aus dem Élysée, Chemiewaffenmassaker an der syrischen Bevölkerung dürften nicht ungestraft bleiben. Fünf Jahre später ist es für viele in Frankreich eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit, den Worten auch endlich Taten folgen zu lassen. Präsident Macron spricht nun von einer "starken und gemeinsamen Reaktion" auf den jüngsten Angriff auf die syrische Stadt Duma.

Frankreich ist der gesamten Region seit langem verbunden: Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs standen weite Teile des heutigen Syrien bis 1946 unter der Oberhoheit Frankreichs. Ein Eingreifen in Syrien hat für Macron zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei Vorteile: Es untermauert den Anspruch Frankreichs, sich auf internationaler Bühne auf Augenhöhe mit den Weltmächten zu bewegen. Ein Anspruch, der unter dem selbstbewussten und global denkenden Präsidenten wieder lauter geworden ist. Außerdem stärkt er weiter die Bande zu den USA. Nachdem Präsident Trump einen Raketenangriff auf Syrien angekündigt hat, erscheint Frankreich nun als verlässlichster militärischer Partner der USA.

Russland

Moskau kontrolliert mit einem modernen Luftabwehrsystem Syriens Luftraum. Damit und mit Luftangriffen spielt Russland eine zentrale, aber auch mehrdeutige Rolle in dem Konflikt. Kremlchef Wladimir Putin will zwar Syriens Führung an der Macht halten, ist aber schon allein wegen der hohen Kosten an einem Ende des Konflikts interessiert. Den Einfluss Irans sieht Russland mindestens skeptisch - weshalb Beobachter davon ausgehen, dass Putin Israel Raum lässt, gegen Teherans Milizen vorzugehen. Putin will es sich mit Israel nicht verderben. Wenn es darum geht, eine Nachkriegsordnung für Syrien zu finden, hat Putin wohl die wichtigste Rolle inne, er befindet sich aber auch in einer extrem komplizierten Lage. Er will einen Frieden zu russischen Bedingungen, will sich gleichzeitig aber weder eindeutig auf Israels noch auf Irans Seite schlagen.

Iran

Teheran versucht mit aller Macht, sich in Syrien eine dauerhafte Basis zu schaffen, von der aus es Israel auf direktem Weg bedrohen kann. Iran nimmt für sich in Anspruch, Assad die Macht gerettet zu haben. Dafür will es nun belohnt werden - mit militärischem Einfluss. Das Land hat Tausende Revolutionsgardisten nach Syrien entsandt, die vor allem als Militärberater fungieren und das Kommando über schiitische Milizen übernommen haben. Seine Streitkräfte will Iran auf keinen Fall aus Syrien zurückziehen. Den Milizen geht es darum, sich dauerhaft eine Landachse zu sichern, die von Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis nach Teheran führt.

Türkei

Die Türkei setzt ihren Einsatz in der nordsyrischen Region Afrin trotz internationaler Appelle fort. Sie geht dort gegen die Kurdenmiliz YPG vor, syrischer Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die Volksverteidigungseinheiten der YPG kontrollieren zum Verdruss Ankaras nicht nur den größten Teil der nordsyrischen Grenze zur Türkei, sondern haben sich zum einem wichtigen Partner der USA im Kampf gegen den IS entwickelt - Militärhilfe inklusive. Das Nato-Mitglied Türkei kämpft hier also gegen einen Verbündeten des Nato-Mitglieds USA. Russland akzeptiert die Operation gegen die Kurden bisher ohne lauteres Murren.

Mit Material der Agenturen.

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