Israel und Syrien:Ein kleiner Krieg

Israel und Syrien: Israels Armee blockiert eine Straße auf den Golanhöhen.

Israels Armee blockiert eine Straße auf den Golanhöhen.

(Foto: AFP)
  • Seit 36 Jahren gab es keine so heftigen Kämpfe zwischen Israel und Syrien wie jetzt.
  • Syriens Verbündeter Russland mahnt zur Zurückhaltung auf beiden Seiten.
  • Israels Führung befürchtet eine Erstarkung der Hisbollah, die mit 10 000 Mann in Syrien kämpft.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv, und Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Anspannung ist zu spüren am Golan, die etwa tausend UN-Blauhelme sind im Alarmzustand. Vom Berg Bental auf 1165 Meter Höhe blicken sie auf Syrien, der Ort Quneitra liegt wenige Kilometer entfernt, daneben schneebedeckt der Berg Hermon in Libanon. Wenn sich die Soldaten umdrehen, dann sehen sie weite Teile Israels. In diesem Drei-Länder-Eck könnte ein neuer Krieg ausbrechen, in dem Iran und die libanesische Hisbollah-Miliz Israel gegenüberstehen. Reden dürfen die Soldaten darüber nicht, sie verweisen auf die UN-Zentrale in New York.

Dabei hat es gerade einen der schwersten Zwischenfälle gegeben, seit UN-Soldaten dort stationiert sind: Erstmals seit 1982 hat Israel einen Kampfjet durch Feindeinwirkung verloren, durch die syrische Luftabwehr. Es folgten die heftigsten Angriffe der israelischen Luftwaffe auf Ziele in Syrien seit 36 Jahren, mindestens sechs Menschen sollen getötet worden sein, unter ihnen auch Iraner. Es ist zudem die schwerste Konfrontation seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2011.

Auslöser der Eskalation war eine Drohne, die ein israelischer Kampfhubschrauber am Samstagmorgen gegen 4.30 Uhr nahe der Stadt Beit Shean an der Grenze zu Jordanien abschoss. Israel ist überzeugt, dass es sich um ein iranisches Fluggerät handelt, offenbar ein Nachbau einer US-Tarnkappendrohne. Teheran weist das als "lächerlich" zurück. Allerdings hatte Israel bereits im September 2017 eine mutmaßlich iranische Drohne in der demilitarisierten Zone zu Syrien abgeschossen.

Als Reaktion griff die israelische Luftwaffe mit acht Kampfjets den syrischen Luftwaffenstützpunkt T 4 nahe Palmyra an, von wo die Drohne gestartet sein soll. Die syrische Armee feuerte zwischen 15 und 20 Luftabwehrraketen auf die Angreifer. Nach ersten Untersuchungen israelischer Experten wurde eine zweisitzige F-16 dadurch so stark beschädigt, dass sie im Norden Israels etwa hundert Kilometer von der syrischen Grenze auf eine Wiese bei Harduf stürzte. Ein Pilot ist schwer verletzt, der zweite konnte das Krankenhaus verlassen.

Die Hisbollah kämpft mit etwa 10 000 Mann in Syrien

Iran und die Hisbollah erklärten triumphierend, der Abschuss markiere "eine neue strategische Phase, die der Verletzung des syrischen Luftraums und Landes Grenzen setzt". Deutlich mehr als hundert Angriffe soll die israelische Luftwaffe in den vergangenen eineinhalb Jahren auf Ziele in Syrien geflogen haben, viele aber vom libanesischen Luftraum aus. Dabei waren hohe Hisbollah-Funktionäre und Offiziere der iranischen Revolutionsgarden getötet und Einrichtungen der syrischen Armee zerstört worden.

Die Hisbollah kämpft mit etwa 10 000 Mann an der Seite des Regimes von Präsident Baschar al-Assad; Iran hat Tausende Revolutionsgardisten entsandt, die als Militärberater fungieren und schiitische Milizen kommandieren. Israel ist vor allem über deren zunehmende Präsenz auf dem Golan und in Syrien besorgt.

Russland, neben Iran der wichtigste Verbündete Assads, hat die Angriffe bisher geduldet

Das israelische Militär ließ keine Zeit verstreichen, zumindest zu versuchen, das alte Kräfteverhältnis wiederherzustellen: Kampfjets attackierten zwölf Ziele in Syrien. Vier Angriffe galten der Armee zufolge iranischen Zielen außerhalb des T-4-Stützpunkts, wo neben russischen Soldaten auch Hisbollah-Kämpfer stationiert sein sollen. Acht Angriffe trafen syrische Luftabwehr-Batterien, die aus russischer Produktion stammen, und Ziele der vierten Panzerdivision bei Damaskus, einer Eliteeinheit der Armee, die von Maher al-Assad kommandiert wird, dem jüngeren Bruder von Präsident Baschar al-Assad.

Russland, neben Iran der wichtigste Verbündete Assads, hat die Angriffe bisher geduldet, mit seinen modernen S-400-Luftabwehrsystemen kontrolliert es de facto Syriens Luftraum. Nun verlangte Moskau "Zurückhaltung von beiden Seiten", es sei inakzeptabel, russische Soldaten zu gefährden. Eine hochrangige russische Delegation war vorvergangene Woche nach Israel gereist, um neue Luftschläge Israels abzuwenden, Premier Benjamin Netanjahu hatte unmittelbar zuvor den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. Danach sagte Netanjahu: "Die Frage ist: Wird sich Iran in Syrien ausbreiten, oder wird dieser Prozess gestoppt? Wenn das nicht geschieht, dann werden wir das stoppen."

Netanjahu wird in Israel nun kritisiert: Er erwecke den Anschein bester Beziehungen zu Putin, der aber lasse Iran gewähren. In der Armee wird schon seit Wochen über die Option diskutiert, großflächig in Syrien anzugreifen und Einrichtungen zu zerstören, in denen Iran Waffen für die Hisbollah in Libanon herstellt. Israel hat bereits Anlagen angegriffen, in denen Syrien westlichen Geheimdiensten zufolge Chemiewaffen und Raketen produziert; auch in Bau befindliche iranische Stützpunkte wurden bombardiert.

Bisher schreckt Netanjahu vor einem großflächigen militärischen Eingreifen aber zurück; Israel habe kein Interesse an einer weiteren Eskalation, hieß es am Sonntag. Allerdings kann sich Netanjahus Haltung rasch ändern, zumal das Land sich auch von den USA in Syrien im Stich gelassen fühlt. Washington hatte mit Russland und Jordanien im Süden Syriens eine Deeskalationszone ausgehandelt - aber nicht die von Israel geforderte Pufferzone für iranische Einheiten.

Israel befürchtet eine Stärkung der Hisbollah

Israel befürchtet überdies, dass die Hisbollah nach Ende des Krieges in Syrien gestärkt in den Libanon zurückkehrt und von dort Israel angreifen könnte. Das wäre nach 1982 und 2006 der dritte solche Krieg. Es gibt deshalb auch Forderungen, dem mit einem Präventivschlag vorzubeugen. Allerdings wäre die Zahl der Opfer dem israelischen Militär zufolge womöglich hoch: Die Hisbollah verfügt demnach über bis zu 150 000 Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen und bis zu 50 000 Kämpfer.

Damit könnten 2000 Raketen pro Tag auf Israel niedergehen - 2006 waren es bis zu 180 pro Tag. Die Raketen sollen überdies bis zu 300 Kilometer weit reichen - bis Tel Aviv und Jerusalem. Befürchtet wird auch, dass sich Iran und Syrien an einem solchen Krieg beteiligen könnten.

Im September hielt Israels Armee ein Manöver ab, um sich auf einen Angriff aus Libanon vorzubereiten. Falls es dazu kommt, will sie möglichst viele Waffen der Hisbollah zerstören. Laut Verteidigungsminister Avigdor Lieberman muss Israel darauf vorbereitet sein, bis tief nach Libanon mit Bodentruppen vorzurücken und notfalls den Norden Israels zu evakuieren - das wären Hunderttausende Menschen.

Vergangene Woche hat Israel begonnen, an der Grenze zu Libanon eine elf Kilometer lange Mauer bei Rosh Hanikra zu bauen, eine weitere bei Metula soll folgen. Am Sonntag rüstete die Armee die Luftabwehr im Norden auf. Israel hat drei verschiedene Luftabwehrsysteme, um Raketen verschiedenen Typs abfangen zu können. Alle drei wurden am Sonntag in Alarmbereitschaft gesetzt. Lastwagen transportierten militärisches Gerät an strategische Punkte, auch entlang von Hauptverkehrsstraßen und entlang der Grenze zu Libanon.

Ob man sich auf einen Krieg vorbereite, wollte die israelische Armee nicht kommentieren. Zur jüngste Eskalation hieß es, diese sei "deutlich weniger als ein Krieg, aber mehr als eine Konfrontation".

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