Süddeutsche Zeitung

CDU/CSU:In Höchstform, zu spät

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Armin Laschet übernimmt vor der Jungen Union die Verantwortung für das Wahl-Debakel - und hält seine beste Rede in diesem Jahr. Die Bewerber um seine Nachfolge als CDU-Chef können das nicht von sich behaupten.

Von Jana Stegemann, Münster

Drei Wochen nach der historischen Wahlniederlage der Union hält Armin Laschet die beste Rede seines längst beendeten Wahlkampfes. Ausgerechnet vor der Nachwuchsorganisation von CDU und CSU, die ihn als Kanzlerkandidaten stets ablehnte und sich für CSU-Chef Markus Söder ausgesprochen hatte. Jetzt, wo es nicht mehr darauf ankommt, wirkt der Noch-CDU-Chef und Noch-NRW-Ministerpräsident in Höchstform. Seine Rede ist ein flammendes Plädoyer für Zusammenhalt, für eine Neuerfindung der Union - und gleichzeitig auch eine emotionale Abschiedsrede.

Als der 60-Jährige am Samstagmorgen die Halle betritt, dröhnt der Partysong von den Black Eyed Peas über die Lautsprecher, der Refrain geht so: "I got a feeling. That tonight's gonna be a good night." Abend ist es da zwar noch lange nicht, aber der Rest stimmt. Zumindest für Laschet.

Ein Lob, das gleichzeitig auch eine Spitze in Richtung Söder war

Erwartet worden war nach einer schonungslosen schriftlichen Wahlanalyse des JU-Bundesvorstands auch eine persönliche Abrechnung mit Laschet. Doch es kam anders. Zahlreiche der 317 Delegierten und tausend Gäste zollten ihm Respekt für seinen Auftritt; die anschließende Aussprache war offen und konstruktiv. Dass Laschet sich der JU "stelle", beweise "Charakter", befand Junge-Union-Chef Tilman Kuban. Lauter Applaus folgte auf dieses Lob, das gleichzeitig auch eine Spitze in Richtung Söder war, der kurzfristig für den "Deutschlandtag" der JU abgesagt hatte. Das dreitägige Treffen in Münster war die erste große Präsenzveranstaltung einer Parteiorganisation nach der historischen Wahlniederlage, daher wurde der Veranstaltung außergewöhnlich viel Aufmerksamkeit zuteil - und sie wurde zum Pflichttermin für die fünf Männer, denen Ambitionen auf die Laschet-Nachfolge nachgesagt werden.

Ein "bitteres Ergebnis" habe die Union erzielt, sagte Laschet in seiner Rede. "Nichts lässt sich schönreden. Die Verantwortung für dieses Ergebnis trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat. Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand." Der Jungen Union dankte Laschet für ihre "unermüdliche Hilfe" und Rückendeckung im Wahlkampf: "Wenn ich kam, wart ihr schon da."

Dann schwor Laschet die Junge Union auf die Oppositionsrolle ein: "Wir dürfen da nicht schrill oder plump werden, sondern klug und intelligent den Finger in die Wunde legen." Das Sondierungspapier, das die Spitzen von Grünen, FDP und SPD vor den Koalitionsverhandlungen am Freitag vorgestellt hatten, lobte Laschet: "Das Papier ist in Ordnung, da hätten wir auch manches mitmachen können." Es seien "viele gute Sachen drin". Viele in der Union sehen das anders.

Die "Bild" hatte tagelang aus vertraulichen Sitzungen berichtet

Die SPD habe gezeigt, "wie man geschlossen Wahlkampf macht. Das war mal die Stärke der Union, und das muss wieder die Stärke der Union werden. Diese Tugend, zusammenstehen, das müssen wir wieder lernen, wenn wir wieder gewinnen wollen". Damit es wieder gegen den politischen Gegner gehen könne "und nicht gegeneinander in der Unionsfamilie".

Richtig ärgerlich wurde Laschet beim nächsten Punkt: "Dass man den CDU-Bundesvorstand im Liveticker mitlesen kann, war schon eine Schwächung im Wahlkampf." Der Noch-CDU-Chef spielte damit zuletzt auf Indiskretionen aus Jamaika-Gesprächen an; Bild-Vize Paul Ronzheimer hatte im TV tagelang SMS aus vertraulichen Sitzungen vorgelesen.

Bei der anschließenden Fragerunde machte ein Delegierter aus Schleswig-Holstein vor allem "eine von der Öffentlichkeit entkoppelte Berliner Blase" für das schlechte Abschneiden mitverantwortlich. Der Mann sagte: "Am schlimmsten ist dabei die Rolle des selbstgefälligen Konrad-Adenauer-Hauses gewesen, das zur Jobzentrale für ausgetauschte JUler und CDUler verkommen ist." Dafür gab es kräftigen Applaus, Laschet antwortete, dass es eine Neuaufstellung der Parteizentrale brauche.

"Ich habe Lust darauf, diese neue CDU zu gestalten", sagte Spahn

Fünf Bewerber für die Laschet-Nachfolge als CDU-Chef gibt es; alle nahmen am Treffen in Münster teil. Trotz des ganzen Geredes von "Neuanfang" und "Aufbruch" zur "modernen Volkspartei" sind sämtliche Bewerber männlich, zwischen 41 und 65 Jahren alt, lange in der Partei aktiv und kommen aus Nordrhein-Westfalen. Einer von ihnen sprach direkt nach Laschet: Gesundheitsminister und CDU-Vize Jens Spahn. Im Wahlkampf hatte sich Spahn als Laschet-Vertrauter gegeben, jetzt will er Teil der Erneuerung der Partei sein. In einer schwachen Rede brüstete Spahn sich mit seiner Pandemiebekämpfung und arbeitete sich an Leitsätzen ab. Beim Publikum kam sein Auftritt dennoch gut an: "Es geht hier doch nicht um Armin, Jens und Friedrich, sondern um den Aufbau eines starken Teams. Eine Zukunft kann es nur geben, wenn wir aufhören mit Schaulaufen." Dennoch empfahl sich Spahn indirekt als neue Führungsfigur: "Ich habe Lust darauf, diese neue CDU zu gestalten."

Partystimmung kam in der Halle auf, als Hendrik Wüst einlief. Laschets designierter Nachfolger für seine Ämter als NRW-Ministerpräsident und Landesparteichef ist in der JU äußerst beliebt, er rief zum Zusammenhalt auf: "Haltung statt Spaltung muss der Maßstab sein", sagte der amtierende NRW-Verkehrsminister.

Die Delegierten begeistern konnte auch der außerhalb der Partei unbekannte Carsten Linnemann, der 44-jährige Wirtschaftspolitiker fordert die Union auf, "auch die ganz heißen Eisen anzupacken". Dazu zählten das künftige Rentensystem und das strittige Thema Verbeamtungen.

"Junge Besen kehren gut, aber die alte Bürste kennt die Ecken", sagte Friedrich Merz

Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach als einziger der fünf kein Grußwort, saß aber im Publikum. Den wohl ungemütlichsten Auftritt der Anwärter erlebte Ralph Brinkhaus am Sonntag. Nach einer wenig selbstkritischen, dafür umso schrilleren Rede sagte ein Delegierter dem Unionsfraktionschef, er rede, als sei er die vergangenen Jahre Oppositionsführer gewesen: "Machen Sie sich doch mal ehrlich."

Den geballten Ärger der Jungen Union für den verkorksten Wahlkampf und die öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten zwischen den Schwesterparteien hatten am Samstag auch schon die Generalsekretäre Paul Ziemiak (CDU) und Markus Blume (CSU) abbekommen. Johannes Winkel, Vorsitzender der JU-NRW, hatte gesagt: "Ihr beide habt es zu verantworten, dass im Bundestagswahlkampf die Jusos und Olaf Scholz geschlossener waren als die CDU und CSU. Das ist eine absolute Frechheit." Wenig später setzten sich aber JU-Chef Kuban und die Generalsekretäre Ziemiak und Blume an den Rand der Bühne und schlüpften in die gleichen weißen Sneaker mit Deutschland-Farben. Ein "schönes Symbol" fand Winkel, "wir marschieren nun wieder in dieselbe Richtung".

Eine indirekte Absage für den Parteivorsitz gab es überraschenderweise von JU-Chef Kuban an Friedrich Merz, den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden von vor zwanzig Jahren, der sich bereits zweimal erfolglos um das Amt des CDU-Chefs beworben hatte. Kuban hatte Merz am Freitagabend freudig begrüßt, sagte den Sendern RTL/n-tv am Samstag jedoch: "Friedrich Merz ist ein kluger Kopf, der sicherlich auch als Berater und als Unterstützer mit dabei sein kann." Aber die Union braucht jetzt "vor allem mehr junge, frische und unverbrauchte Köpfe in der Parteispitze". Der 65-jährige Merz hatte die Union in seiner verunglückten Eröffnungsrede einen "schweren politischen Sanierungsfall" genannt und zur Neuaufstellung der Parteiführung gesagt: "Junge Besen kehren gut, aber die alte Bürste kennt die Ecken."

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