Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Ein Gesetz geht baden

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Der Bundestag befasst sich in erster Lesung mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes. Doch innerhalb der Koalition gibt es nur eine Fraktion, die mit dem Entwurf der Regierung zufrieden ist.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Aktivisten von Greenpeace haben in der Früh noch zu Pinsel und Farbe gegriffen. "Klimaschutzgesetz" haben sie an eine Kaimauer unterhalb des Reichstags gepinselt, mit Kreideleimfarbe, und das leicht schräg. Das Wort geht buchstäblich baden. Denn so, findet die Umweltorganisation, ergeht es an diesem Freitag ja auch dem deutschen Klimaschutzgesetz. Sie ahnen noch nicht, wer das im Hohen Haus alles genauso sieht.

Die Bundesregierung hat eine Novelle des Gesetzes in den Bundestag eingebracht, federführend ist der grüne Klimaschutzminister Robert Habeck. Das Gesetz, das Deutschland auf feste Klimaziele bis 2045 einschwört und dafür bisher auch die verschiedenen Ministerien in die Pflicht nimmt, soll verändert werden. Für einzelne Ministerien, etwa das Bau- und das Verkehrsministerium, sollen keine festen Sektorziele mehr gelten, an denen die Fortschritte im jeweiligen Bereich gemessen werden. Damit entfallen auch die "Sofortprogramme", die das Gesetz bisher den Ministerien abverlangte. Stattdessen gibt es einen neuen Mechanismus, der allerdings dieser Regierung nach Lage der Dinge nichts mehr abverlangt. "Mit diesem Gesetz würde die Ampel den dringend nötigen Klimaschutz noch weiter hinauszögern", findet Greenpeace.

Die Debatte im Bundestag eröffnet eine Parteifreundin Habecks, die Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum. Doch sie macht "gravierende" Änderungen an dem Gesetz aus. Völlig unklar sei, wer am Ende die Verantwortung trage. "Wir müssen die Sorgen der Verbände sehr, sehr ernst nehmen", sagt Badum - und bedankt sich anschließend bei der SPD für das "Struck'sche Gesetz". Das ist jene eherne Regel, nach der kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineinkommt. "Wir sind selbstbewusste Parlamentarierinnen und Parlamentarier", sagt Badum noch.

Bevor das Gesetz verabschiedet wird, haben die drei Ampelparteien noch einiges zu diskutieren

Und das sieht Matthias Miersch, stellvertretender Chef der SPD-Fraktion, ganz ähnlich: Schließlich sei man bei Gebäuden und Verkehr immer noch nicht da, wo man sein müsste. "Wenn Ziele verfehlt werden, muss es einen Automatismus geben, der garantiert, dass sie eingehalten werden", verlangt Miersch. Und das klingt schon wieder sehr nach dem bisherigen Gesetz, zu dessen Architekten Miersch zählte.

Allerdings war damals noch die Union Mierschs Koalitionspartner, und auch die teilt nun aus. "Sie entkernen das Klimaschutzgesetz", sagt der Unions-Abgeordnete Thomas Gebhard. "Sie gehen einfach einen Schritt zurück." Würde sich die Union so verhalten, gäbe es in ganz Deutschland Demonstrationen, schwant Gebhard, "und wissen Sie was? Diese Demonstrationen würden angeführt von den Grünen."

Die AfD hält das ganze Gesetz für überflüssig, weil es, wie ihr Abgeordneter Karsten Hilse sagt, einen menschgemachten Klimawandel nicht gebe. Dieser sei "nachweislich" nicht durch Kohlendioxid verursacht. Die Linkspartei dagegen erinnert an die jüngsten Extremwetter und wirft der Regierung klimapolitisches Versagen auf ganzer Linie vor.

Zufrieden mit dem Entwurf für das veränderte Gesetz, so zeigt sich an diesem Freitag, ist nur eine Fraktion: die FDP. "Wir heben die Klimapolitik auf ein neues Level", findet deren Klimapolitiker Olaf in der Beek. Das Gesetz werde effektiver und effizienter, und die Klimaziele würden nun "realistisch und zu geringsten Kosten erreicht". Womit nach dieser ersten Lesung des Gesetzes nur eines klar ist: Ehe das Gesetz tatsächlich baden geht, werden die drei Ampelparteien noch einiges zu diskutieren haben. Und solange sie sich nicht einig sind, gilt die bisherige Fassung weiter.

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