Süddeutsche Zeitung

Junge Union:Der Schlagende gegen den Hemdsärmeligen

Lesezeit: 3 min

Von Robert Roßmann, Berlin

Die Junge Union ist zwar eine Jugendorganisation, an ihrer Spitze herrscht aber erstaunliche Kontinuität. In den vergangenen zwanzig Jahren gab es gerade mal drei Vorsitzende. Auch deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit der CDU an diesem Samstag auf den Deutschlandtag der Jungen Union - mit gut 100 000 Mitgliedern ist die JU die größte politische Jugendorganisations Europas. Paul Ziemiak, der bisherige Vorsitzende, ist zum CDU-Generalsekretär aufgestiegen, deshalb muss ein Nachfolger gewählt werden. Zu dem Treffen im Berliner Congress Center werden auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder kommen. Unmittelbar nach den Reden der beiden Parteivorsitzenden soll die Wahl des Ziemiak-Nachfolgers beginnen.

Zwei Kandidaten stehen zur Auswahl, das Rennen gilt als offen. Bisher steht nur eines fest: Anders als in den vergangenen zwanzig Jahren wird der neue Chef nicht aus Nordrhein-Westfalen kommen. Denn Florian Braun, der Vorsitzende des mit Abstand größten JU-Landesverbandes, zieht es vor, sich auch weiterhin um seine Karriere in Nordrhein-Westfalen zu kümmern. Und so ist der Weg an die Bundesspitze frei für den Niedersachsen Tilman Kuban oder den Thüringer Stefan Gruhner.

Sollte Gruhner gewinnen, stünde zum ersten Mal ein Ostdeutscher an der Spitze der Jungen Union. Dass im Herbst Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen anstehen und in der CDU-Spitze Ostdeutsche bisher eher spärlich vertreten sind, spricht für Gruhner. Der 34-Jährige gilt als moderner Konservativer, manche vergleichen ihn mit Jens Spahn. Das liegt auch daran, dass Gruhner homosexuell ist. In gesellschaftspolitischen Fragen hat er eher fortschrittliche Ansichten, in der Innenpolitik ist er ziemlich rigide. Er ist stolz darauf, Mitglied einer schlagenden Verbindung zu sein.

"Sturmfest und erdverwachsen" - damit fühlt sich Kuban nicht schlecht beschrieben

Gruhner hat Geschichte und Politik studiert. Bevor er 2014 in den Thüringer Landtag gewählt wurde, war er persönlicher Referent der damaligen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Seinen Wahlkreis (Saale-Orla I) hat er direkt gewonnen, im Herbst will er sein Mandat verteidigen. In Thüringen liegt die CDU in den Umfragen praktisch gleichauf mit den Linken und der AfD. Gruhner sagt deshalb, er stehe "politisch an der Frontlinie". In seinem Bundesland regiert der einzige Ministerpräsident der Linken. Und in seinem Wahlkreis wurde die AfD bei der Bundestagswahl in einigen Gemeinden stärkste Partei. Gruhner glaubt, dass die Auseinandersetzung mit Linken und Rechten eine der zentralen Herausforderungen für die CDU ist - und seine Erfahrungen dabei hilfreich sein können. Sein Landesverband stellt auf dem Deutschlandtag zwar nur sechs der 320 Delegierten. Aber er wird unter anderem von den großen Verbänden Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen unterstützt.

Gruhners Gegner Tilman Kuban kann dafür unter anderem auf die Bayern zählen. Außerdem verweist sein Lager darauf, dass die JU-Landesvorstände von Nordrhein-Westfalen und Hessen Gruhner lediglich mit 9:8 beziehungsweise 8:7 Stimmen empfohlen hätten. Kuban kandidiert gerade für das Europaparlament - sein Listenplatz ist so gut, dass seine Wahl als sicher gilt. Der 31-Jährige hat Rechtswissenschaften studiert, er ist inzwischen Leiter der Rechtsabteilung bei den Unternehmerverbänden Niedersachsen.

Kuban wäre der erste JU-Chef, der im Europaparlament sitzt. Seine Gegner streuen, dass er wegen der nötigen Pendelei zwischen Straßburg und Berlin zu wenig Zeit für den JU-Vorsitz haben würde. Aber das will Kuban nicht gelten lassen. Sein Lager verweist darauf, dass ja auch Gruhner andere Aufgaben zu erledigen hätte - etwa die Verteidigung seines Landtagsmandats. Außerdem wäre Gruhner nur ein Übergangschef, weil er bereits vor der nächsten regulären Wahl die bei der JU geltende Altersgrenze von 35 Jahren überschreiten würde.

Kuban war zwar in keiner schlagenden Verbindung, aber auch er ist bisher nicht durch linke Ausschweifungen bekannt geworden. Im Gegenteil: Im Oktober 2015, als viele noch auf Refugees-Welcome-Kurs waren, war Kuban Mitunterzeichner eines Briefes von CDU-Politikern an die Kanzlerin, in dem Angela Merkels Kurs heftig kritisiert wurde. Kuban gibt sich als hemdsärmeliger Mann von der Basis. Mit der Zeile "Sturmfest und erdverwachsen" aus dem Niedersachsen-Lied fühlt er sich nicht schlecht beschrieben. Er verweist darauf, Chef des Ausschusses für Feuerwehr, Sport, Kultur und Ordnung im Rat seiner Heimatstadt Barsinghausen zu sein. Doch auch Kuban ist längst Polit-Profi, er gilt als guter Netzwerker, die JU Niedersachsen führt er bereits seit einem halben Jahrzehnt. Und so dürften an diesem Samstag erst die Bewerbungsreden der beiden Kandidaten den Ausschlag geben, wer gewinnt.

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SZ vom 16.03.2019
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