Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Krieg:USA stoppen Importe von Öl, Gas und Kohle aus Russland

Lesezeit: 3 min

Präsident Biden will Druck auf Putin erhöhen. Die Bundesregierung lehnt eigenes Embargo ab und schließt längere Laufzeiten für Atomkraftwerke aus. Polen zeigt sich bereit, MIG-29-Kampfjets an die USA zu übergeben.

Von Claudia Henzler, Nadia Pantel und Roland Preuß

Die USA erhöhen im Ukraine-Krieg den Druck auf Moskau und verbieten den Import von Öl, Flüssiggas und Kohle aus Russland. Das kündigte US-Präsident Joe Biden bei einem kurzfristig anberaumten Auftritt am Dienstag im Weißen Haus an. Bislang waren Öl- und Gas-Exporte von den Sanktionen der westlichen Staaten gegen Russland ausgenommen. "Die Ukraine wird nie ein Sieg für Putin sein", sagte Biden. "Er kann vielleicht eine Stadt einnehmen, aber er wird nie in der Lage sein, das Land zu halten."

Sollte es allerdings zu einem gemeinsamen Boykott der USA und der EU kommen, befürchten Experten eine Energiekrise in Europa, da andere Staaten die Ausfälle nicht auffangen könnten. Die Ölpreise steigen bereits seit Wochen stark, nun bewirkten die Berichte aus den USA eine weitere Verteuerung. Im vergangenen Jahr war Russland nach Angaben der US-Energieinformationsbehörde das drittwichtigste Land für Einfuhren von Rohöl und Petroleumprodukten für die USA - hinter Kanada und Mexiko. Die USA sind als Ölproduzent deutlich weniger abhängig von russischen Energieimporten als Europa.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte am Dienstag nach Beratungen der Energieminister von Bund und Ländern noch einmal vor einem europäischen Embargo. Folgen wären nicht "individuelle Komforteinschränkungen", sondern gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Schäden "schwersten Ausmaßes", sagte er. Die geltenden Sanktionen seien mit Absicht und mit Bedacht so gewählt worden, dass sie die russische Wirtschaft und den russischen Präsidenten Wladimir Putin schwer treffen, sagte Habeck. "Aber sie sind eben auch so gewählt worden, dass wir sie als Volkswirtschaft, als Nation lange durchhalten können. Unbedachtes Verhalten könnte genau zu dem Gegenteil führen."

Aus Habecks Sicht ist die Situation in Europa nicht mit der in den USA vergleichbar, die weit weniger Öl einkauften. Bei seinem Besuch in Washington vergangene Woche, so sagte der Grüne in einem Interview mit dem Sender ntv, hätten ihm US-Regierungsvertreter gesagt, dass sie kein europäisches Öl-Embargo befürworteten. Dass die russische Regierung selbst den Gashahn abdreht, hält er für unwahrscheinlich. Aber: "Wenn das passiert, sind wir vorbereitet."

Habeck erteilte zudem längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken in Deutschland eine Absage. Die letzten drei aktiven Reaktoren würden wie geplant am 31. Dezember dieses Jahres abgeschaltet. Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) schloss aus, dass die Meiler weiterlaufen könnten. Der Weiterbetrieb wird angesichts eines möglichen Ausfalls von russischen Öl- und Gas-Importen diskutiert.

Beide Minister betonten, dass die Argumente von ihren Häusern gründlich geprüft worden seien. In der Abwägung seien die Sicherheitsrisiken für einen Weiterbetrieb zu groß und der Beitrag der verbliebenen Atomkraftwerke zur Energieversorgung "minimal", wie beide betonten.

Auch die Energiekonzerne RWE und Eon, welche die Atomkraftwerke Emsland und Isar 2 betreiben, hatten große Bedenken gegen eine Laufzeitverlängerung geäußert.

In die Überlegungen, polnische MiG-29-Kampfjets an die Ukraine abzugeben, könnte nun Bewegung kommen. Polen sei bereit, unverzüglich und kostenlos alle Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 auf die US-Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz zu verlegen und den USA zur Verfügung zu stellen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung des polnischen Außenministeriums. Gleichzeitig ersuche man die USA, dem Land gebrauchte Flugzeuge mit entsprechender Einsatzfähigkeit zu überlassen.

Die Regierung des Nato-Mitgliedstaats reagiert mit diesem Angebot nach eigener Aussage auf jüngste Äußerungen von US-Außenminister Antony Blinken bei einer Reise in Europa. "Wir sehen uns derzeit aktiv die Frage von Flugzeugen an, die Polen an die Ukraine liefern könnte", hatte der amerikanische Chefdiplomat in Moldau gesagt. Warschau schloss eine direkte Lieferung in das Nachbarland indes wiederholt aus. "Entscheidungen über die Lieferung von Offensivwaffen müssen auf der Ebene der gesamten Nato einstimmig getroffen werden", sagte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki am Dienstagabend in Oslo. Polen könne keine eigenständigen Schritte unternehmen, weil es nicht an diesem Krieg beteiligt sei.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich zurückhaltend zu Überlegungen, polnische MiG-29 an die Ukraine zu liefern. Man müsse sicherstellen, dass sich dieser Krieg nicht auf Nato-Gebiet ausweite, sagte Baerbock am Dienstag.

In den diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Konflikts will sich China stärker einbringen und sich mit Deutschland und Frankreich abstimmen. Dies teilte das Bundeskanzleramt nach einer einstündigen Videokonferenz von Chinas Staatspräsident Xi Jinping mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit. Hierzu sollen die Außenministerin von Deutschland und die Außenminister von Frankreich und China "in enge Abstimmung treten", hieß es. Die drei Staats- und Regierungschefs sprachen sich demnach für humanitäre Erleichterungen aus, es müssten funktionierende humanitäre Korridore zu den Kampfgebieten geschaffen werden.

Xi Jinping nannte die Lage in der Ukraine in dem Gespräch "beunruhigend", wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete. Demnach "bedauerte" Xi "die Rückkehr des Krieges auf dem europäischen Kontinent". Nach Angaben des Élysée in Paris hat Xi an "die Wichtigkeit des Souveränitätsprinzips und der territorialen Integrität erinnert und sein Bedauern über die jüngsten Ereignisse ausgedrückt". Dies lässt sich als Unterstützung für die angegriffene Ukraine deuten. Xi vermied es allerdings, sich gegen Russland zu positionieren. Offenbar mit Blick auf Moskau betonte Xi, dass die legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder ernst genommen werden müssten. Moskau hatte den Krieg unter anderem mit einer angeblichen militärischen Bedrohung durch die Nato und einem möglichen Nato-Beitritt der Ukraine begründet.

Trotz des Krieges und der Sanktionen hatte Chinas Außenminister Wang Yi am Montag bekräftigt, dass China seine "strategische Partnerschaft" mit Russland vorantreiben wolle. China hat die russische Invasion nicht verurteilt und sich bei entsprechenden Abstimmungen der Vereinten Nationen der Stimme enthalten.

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