Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahlkampf:Wie sich die Parteien eine Steuerreform vorstellen

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Im Wahljahr haben alle die Steuergerechtigkeit für sich entdeckt. Die Positionen, von der Abschaffung des Soli bis zur Erhöhung der Erbschaftsteuer.

Von Cerstin Gammelin, Jens Schneider, Constanze von Bullion und Stefan Braun

Deutschlands öffentliche Kassen erzielen üppige Überschüsse. Das liegt an der guten Konjunktur, am boomenden Arbeitsmarkt. Aber nicht nur: Eine wichtige Ursache ist, dass die Einkommensteuer seit der letzten großen Steuerreform unter der rot-grünen Bundesregierung fast unangetastet geblieben ist. Das führt dazu, dass auch Normalverdiener hohe Steuersätze zahlen müssen. Kein Wunder, dass die Parteien im Wahljahr die Steuergerechtigkeit entdeckt haben. Das sind ihre Vorstellungen:

CDU/CSU

Ende Juni wollen die Schwesterparteien ein gemeinsames Konzept vorlegen. Eines steht schon fest: Sowohl CDU als auch CSU wollen die Steuern senken. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt in seinem Haus mehrere Konzepte rechnen, er will den Tarif der Einkommensteuer so verändern, dass kleine und höhere Einkommen ein bisschen mehr, mittlere Einkommen sogar deutlich mehr behalten dürfen.

Rund 15 Milliarden Euro jährlich will er bereitstellen, um Bürger und Unternehmen zu entlasten. Dem Wirtschaftsflügel der Union ist das zu wenig. Dessen Chef Carsten Linnemann plädiert für 20 bis 30 Milliarden Euro steuerliche Entlastungen - und für eine große Steuerreform. CSU-Chef Horst Seehofer hat sogar die "größte Steuersenkung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" in Aussicht gestellt, einschließlich der schnellstmöglichen Abschaffung des Soli-Zuschlages.

SPD

Für den 25. Juni haben die Sozialdemokraten ihren Programmparteitag angesetzt. Bis dahin wollen sie sich auch auf ein Steuerkonzept geeinigt haben. Derzeit ringen Arbeitsgruppen in der Partei um eine gemeinsame Linie. Parteichef Martin Schulz stellt Steuersenkungen zurück, er will lieber investieren und höhere Sozialleistungen anbieten, etwa Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Uni oder bis zum Meister.

Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel, der das Steuerkonzept im Wahlprogramm verantwortet, will kleinere und mittlere Einkommen entlasten und lässt prüfen, ob die Sozialbeiträge für Geringverdiener gesenkt werden können. Als Gegenfinanzierung sind höhere Steuersätze für Gutverdiener im Gespräch. Carsten Schneider, Vize der Bundestagsfraktion, bevorzugt eine reine, dafür spürbare Senkung von Sozialabgaben. Er geht davon aus, dass ärmere Bürger davon am meisten profitieren.

Grüne

Die Grünen wollen, anders als 2013, keinen dezidierten Steuerwahlkampf führen. Doch sie wissen auch, dass ihre Anhänger steuerpolitische Signale für mehr soziale Gerechtigkeit erwarten. Deshalb gibt es im Wahlprogramm vier Punkte: Erstens wollen sie den Steuerbetrug bekämpfen. Zweitens sollen Abfindungen nur noch bis zu einer Höhe von 500 000 Euro absetzbar sein.

Drittens sprechen sie sich für eine Vermögensteuer für sogenannte Superreiche aus. Und schließlich treten sie für ein sogenanntes Familien-Budget ein. Es soll Kinder und einkommensschwache Familien fördern mit höheren Regelsätzen für Kinder und einer Kindergrundsicherung. Insgesamt könnten so einkommensschwache Familien und Alleinerziehende um rund zwölf Milliarden Euro entlastet werden.

Linke

Die Linkspartei fordert zusätzliche Investitionen in Höhe von 177 Milliarden Euro in Bildung, Wohnraum, höhere Renten und eine Grundsicherung. Damit niemand behaupte, die Linke lebe in Utopia, hat sie ein Steuerkonzept vorgelegt, wonach Bruttoeinkommen bis zu 7100 Euro monatlich entlastet werden sollen, während für Alleinstehende ab einem Jahresverdienst von 86 000 Euro ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent gelten soll. Wer 260 000 Euro und mehr verdient, soll 60 Prozent zahlen, ab Einkünften von einer Million sogar 75 Prozent.

Der Freibetrag auf zu versteuerndes Einkommen soll auf 12 600 Euro steigen, im Gegenzug will die Linke Vermögen von einer Million Euro und mehr mit fünf Prozent Vermögensteuer belegen. "Superreiche" sollen Erbschaften nicht länger "in Schenkungen und Unternehmensanteilen verstecken" können. Steuerflüchtlinge soll eine Finanzpolizei aufspüren. Mehreinnahmen laut Linkspartei: 180 Milliarden Euro - mehr, als sie die Linke zusätzlich auszugeben gedenkt.

FDP

Die Liberalen wollen vor allem kleine und mittlere Einkommen entlasten, um etwa 30 Milliarden Euro bis 2021. Allerdings soll die Höhe der Entlastung von den tatsächlichen Steuermehreinnahmen abhängig sein. Die Zahl 30 ist auf Basis der Steuerschätzung berechnet, die bis 2021 etwa 110 Milliarden Euro Mehreinnahmen prognostiziert. Daneben will die FDP eine Belastungsgrenze ins Grundgesetz schreiben; ihr Ziel ist es, dass niemand mehr als 50 Prozent des Einkommens für Steuern und Sozialabgaben ausgeben muss. Steuererhöhungen, wie sie andere Parteien planen, lehnt sie ab - besonders eine höhere Erbschaft- und eine Vermögensteuer.

AfD

Die AfD will eine "Abgabenbremse" ins Grundgesetz schreiben. So steht es im Entwurf fürs Wahlprogramm. Die Obergrenze für Abgaben und Steuern soll danach maximal der heutigen Quote entsprechen und mittelfristig 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Die AfD schlägt eine grundlegende Steuerreform vor, bei der "Steuerstufen" das progressive Steuersystem ersetzen sollen. Dabei soll eine "Indexierung der Tarife, Freibeträge und Freigrenzen, Pauschbeträge und Pauschalen die schleichende (heimliche) Steuererhöhung vermeiden", heißt es in dem Programmentwurf für den Bundesparteitag Ende April.

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SZ vom 12.04.2017
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