Süddeutsche Zeitung

Außenministerium:Bund will Afghanistan nach Erdbeben weitere Hilfen zukommen lassen

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Außenministerin Baerbock verspricht Hilfsorganisationen mehr Geld. Zudem äußert sie sich zufrieden über die Aufnahme von Ortskräften und schutzbedürftigen Menschen aus dem Land unter Herrschaft der Taliban: 21000 seien inzwischen in Deutschland.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat angekündigt, dass Deutschland nach dem verheerenden Erdbeben in Afghanistan seine Hilfe für die Menschen in dem Land ausweiten wird. Die Johanniter und andere deutsche Organisationen hätten begonnen, im Erdbebengebiet medizinische Hilfe zu leisten. Dies solle ausgebaut werden. Auch beabsichtige die Bundesregierung, internationalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem UN-Kinderhilfswerk weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. So soll verhindert werden, dass die radikalislamischen Taliban Hilfsgelder für ihre eigenen Zwecke nutzen können. Die Gruppe hatte im August 2021 wieder die Macht in Afghanistan übernommen und führt dort seither ein zunehmend drakonisches islamistisches Regime.

Baerbock äußerte sich am Donnerstag in Berlin, wo sie eine erste Zwischenbilanz des von ihr kurz nach Amtsantritt Mitte Dezember ins Leben gerufenen Aktionsplan für Afghanistan vorstellte. Sie hatte damit die Bemühungen forciert, Ortskräften der Bundeswehr und anderer deutscher Regierungsstellen sowie Afghaninnen und Afghanen, die wegen ihres gesellschaftlichen Engagements besonders gefährdet sind, die Ausreise und ein Leben in Deutschland zu ermöglichen. Nach ihren Angaben ist es gelungen, zwei von drei Menschen, denen die Bundesregierung eine Aufnahme zugesagt hat, hierher zu bringen, insgesamt mehr als 21 000 Menschen.

Bei den Ortskräften deutscher Regierungsstellen liege der Anteil bei drei Vierteln, führte Baerbock aus. Bei den Menschen, die als besonders schutzbedürftig registriert worden sind, seien es ungefähr 50 Prozent. Seit Jahresbeginn sei es gelungen, die Zahl der Ausreisen zu verdoppeln; 12 000 Menschen seien seither nach Deutschland gekommen, die meisten von ihnen über Pakistan. Baerbock dankte der Regierung in Islamabad, dass sie den Transit von Menschen zulasse, denen die Bundesregierung eine Aufnahme zugesagt hat, auch wenn diese nicht über den normalerweise dafür erforderlichen Reisepass verfügen.

Frauen dürfen nicht mehr allein reisen

Den Taliban warf sie vor, entgegen ihrer Zusagen die Ausreise von Menschen zu behindern, die Afghanistan verlassen wollten. Sie verweigerten die Ausstellung von Pässen und würden insbesondere die Bewegungsfreiheit von Frauen beschränken, die nur noch in Begleitung eines männlichen Verwandten reisen dürften. Maßgeblich daran liege es, dass noch Tausende Menschen in Afghanistan feststeckten, sagte die Ministerin. Sie könne keine Versprechen machen, bis wann diese ebenfalls nach Deutschland geholt würden. Man werde aber nicht nachlassen, bis alle Schutzbedürftigen in Sicherheit seien.

Explizit lobte Baerbock die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den Nichtregierungsorgansiationen. Diese hatten zweitweise das Vorgehen der vorigen Bundesregierung scharf kritisiert. Der Aktionsplan war auch eine Reaktion auf die Kritik. Aktivisten dieser Organisationen hatten Baerbock jüngst auf ihrer Reise nach Pakistan begleitet, die sie wegen einer Corona-Infektion vorzeitig hatte abbrechen müssen. Pakistan hat zugesagt, auch solchen Afghanen, die nicht über einen Reisepass verfügen, die Einreise zu erlauben, wenn eine Aufnahmezusage aus Deutschland vorliegt. Mit der Abmachung werde Tausenden Menschen, denen Deutschland die Aufnahme versprochen habe, erstmals eine legale Ausreiseroute eröffnet, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in Berlin. An der Umsetzung der Vereinbarung werde mit Hochdruck gearbeitet.

Gespräche mit Iran, Kooperation mit Katar

Baerbock sagte, auf der Leitungsebene des Auswärtigen Amtes sei ein neuer Arbeitsstab eingerichtet und die deutsche Botschaft in Islamabad mit zusätzlichen Personal verstärkt worden, das dort die Visaverfahren abwickle. Beim Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten seien zudem 23 neue Planstellen eingerichtet worden. Um zusätzliche Ausreisemöglichkeiten zu eröffnen, gebe es Gespräche mit Iran, Usbekistan und Tadschikistan. Die Zusammenarbeit mit Katar dauere an.

Sie bekräftigte, sie werde noch im Juli zusammen mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser Eckpunkte das in der Ampel-Koalition verabredete Bundesaufnahmeprogramm vorstellen, das die schnelle Aufnahme gefährdeter Menschen garantieren soll. Bei der Definition der Kernfamilien soll zudem im Rahmen der besonderen Prüfung von Härtefällen nicht allein daran festgehalten werden, ob eine Frau gerade 18 geworden sei. Sie wies auf die Lebensrealitäten in Afghanistan hin und darauf, dass Frauen besonders schutzbedürftig seien. Ungeachtet der Vorbereitungen seien 1800 Zusagen bereits erteilt worden. Sie kündigte an, auch Probleme und Misserfolge transparent machen zu wollen, damit daraus auch Lehren für ähnliche Situationen in der Zukunft gezogen werden könnten. Das Auswärtige Amt stellte ein 15-seitiges Dokument mit einer detaillierten Evaluierung des Aktionsplans ins Internet.

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