Süddeutsche Zeitung

Typisch deutsch:Der Platzhirsch ist ein Esel

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Frauen und Fußball-Champions-League schließen sich gegenseitig aus: Solche Sätze hörte man unseren Autor mit Überzeugung sagen. Über einen Sinneswandel.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Frauenfußball ist wie Pferderennen, nur auf Eseln. Frauen und Fußball-Champions-League schließen sich demnach gegenseitig aus. Es ist noch nicht so lange her, da hätte man mich solche Sätze sagen hören. Wo ich herkomme waren sie Teil der Kultur. Frauensport in Syrien war - zumindest damals - beschränkt auf Schach, Bogenschießen und Pferdesport. Frauen sollten nicht in einem Verein Fußball spielen. Auf gar keinen Fall.

Acht Jahre ist meine Flucht aus Syrien inzwischen her. Ich war auf dem Weg in die Champions-League-Sieger-Stadt München. Und wusste gar nicht, dass auch im Europäischen Frauenfußball eine Champions League existiert. Ganz abgesehen vom riesigen Frauen-Fußball-Ligensystem in Deutschland. Man kann sich das gut ansehen, meinte ein aus seiner Sicht findiger Beobachter. Und so kam es, dass ich diese Woche Gast wurde beim Champions-League-Viertefinalspiel des FC Bayern gegen den FC Arsenal in München.

In Syrien in der Schule versuchten einst einige Mädchen, mit uns Jungs Fußball zu spielen. Wir fingen an zu lachen und zu spotten. Wir, die Platzhirsche. Die Wangen der Schülerinnen färbten sich rot vor Verlegenheit, sie verließen den Fußballplatz. Ich sagte den Kumpels den Satz mit den Eseln beim Pferderennen. War ein Lacher, Schulterklopfen. Guter Mann.

Man muss das gar nicht so sehr auf den arabischen Raum oder auf die Zeit meiner Jugend reduzieren. In München hört man durchaus noch immer ähnliche Sätze. Für Frauen sei die Küche besser als der Fußballplatz. Decken, decken - nicht Tisch decken. Mann decken. In der Disziplin Gehässigkeit zeigen Fußballanhänger auch hierzulande ihre Qualitäten.

Qualität? Oder Qual? Das Spiel der Bayern-Frauen gegen die Londonerinnen war schnell und intensiv. Ich hatte mir ja zuvor schon Spiele im Fernsehen angesehen, aber live im Stadion ist die Angelegenheit doch deutlich besser einzusortieren. Es ging bei diesem Spiel um sehr viel, um eine gute Ausgangslage fürs Rückspiel nächste Woche Mittwoch. 20 000 waren im Stadion. Es hat mich mitgerissen, die Leute, die Atmosphäre. Und vor allem die Spielerinnen: Bayern-Torhüterin Maria Luisa Grohs parierte hinten alles weg. Das kam mir als Bayernfan entgegen, ebenso, dass Lea Schüller kurz vor der Halbzeit das siegbringende 1:0 erzielte.

Mich treibt seither die Frage um, warum der Frauenfußball so viel weniger Aufmerksamkeit bekommt. Vier Zeitungsseiten Männerfußball - und in einer Meldungsspalte die Frauen. Beim sonntäglichen Fußballtalk im Fernsehen kommen sie meist gar nicht vor. Und um es zu kaschieren, wird eine Quoten-TV-Expertin bei den Spielen der Männer installiert.

Als das Tor für Bayern fiel, lag eine besondere Stimmung in der Luft. Pure Freude, null Hass. Auch nicht auf dem Platz. Da wird nicht gemeckert, keine Karte gefordert, keine Schwalben. Das Spiel ist ehrlich. Ehrlicherweise deutlich ehrlicher als bei den Männern. Eine Erkenntnis reift: Der Esel war ich selbst.

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