Süddeutsche Zeitung

Geothermie:Hotspots mit Potenzial

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Die Branche erörtert bei einem Treffen in Pullach, wie sich die unterirdischen Heißwasservorräte noch besser nutzen lassen. Die Erdwärme Grünwald erhält einen Preis für den lange umstrittenen Einstieg in Unterhaching.

Von Bernhard Lohr, Pullach

Wer von einem Hotspot spricht, meint nicht zwangsläufig das Coronavirus und lokal in die Höhe schnellende Infektionszahlen. In den Augen von Jochen Schneider, Geschäftsführer der Enerchange GmbH, ist Bayern ein "Hotspot". Er meint das im positiven Sinne, weil hier in insgesamt 23 Geothermieanlagen wie in Unterschleißheim, Unterhaching oder Pullach seit Jahren heißes Wasser aus der Tiefe der Erde gefördert und zur Stromproduktion und Wärmeversorgung genutzt wird. Gerade der Landkreis ist für Schneider ein Hotspot, weil die Erfahrung mit Erdwärme hier ebenso groß ist wie das Potenzial für einen weiteren Ausbau.

Als es die Corona-Pandemie gerade noch zuließ, traf sich die Geothermie-Branche vergangene Woche im Pullacher Bürgerzentrum zu einer Bestandsaufnahme der Lage in Zeiten eines sich verschärfenden Kampfs gegen die von vielen als die eigentliche große Herausforderung angesehene Klimakrise. Die Erdwärme Grünwald nahm bei dieser Gelegenheit den "geothermischen Energiepreis Bayern" für ihre im Jahr 2017 übernommene Geothemieanlage in Unterhaching entgegen.

"Im Nutzungsverbund mit Unterhaching haben Sie das Potenzial des Verbundes deutlich erhöht", würdigte Jörg Uhde von der Pfalzwerke Geofuture GmbH in seiner Laudatio die unternehmerische Neuausrichtung. Der Grünwalder Geschäftsführer Andreas Lederle gab sich bescheiden und sagte: "ein entscheidender Punkt ist auch, dass wir nicht auf die maximale Wärmeleistung fahren." Wichtig sei eine "konstante und zuverlässige" Belieferung der Kunden.

Grünwald und Unterhaching haben eben auch turbulente Jahre hinter sich. Gerade freut man sich über stabile schwarze Zahlen. Andernorts stehen noch Veränderungen an, weil mit den Stadtwerken München (SWM) ein großer Player mitmischt, neue Anlagen plant, bestehende Anlagen ausbauen und Fernwärmenetze knüpfen will. Jochen Schneider von Enerchange hält das Engagement der SWM im Münchner Umland mit den Anlagen in Sauerlach, Dürrnhaar und Kirchstockach und der Zusammenarbeit mit der Innovative Energie Pullach (IEP) für einzigartig in ganz Europa.

Die Goldgräberstimmung früherer Jahre ist gewichen

Der Ausbau der Wärmenutzung ist das Thema der Stunde. Allerdings stellt sich die Frage, wann eine Investition rentabel ist. Die SWM warnen stets vor überzogenen Erwartungen gerade im Münchner Umland. Maximilian Keim, der an der Technischen Universität München den Ausbau der Tiefengeothermie in Bayern durch die Optimierung von Verbundleitungen erforscht, stellte in Pullach 99 Clusterregionen in Bayern vor, die von ihrer Wärmedichte her geeignet für eine Fernwärmeversorgung wären.

Das technische Potenzial entspräche 40 Prozent des Wärmebedarfs in Bayern, in Gebieten mit Fernwärmeeignung könnten 80 Prozent abgedeckt werden. Keim erläuterte in mehreren Szenarien, wie das geothermische Potenzial durch Verbundleitungen optimiert genutzt werden kann.

Jochen Schneider von Enerchange beobachtet, dass die Goldgräberstimmung früherer Jahre im Landkreis München einer nüchternen Betrachtung gewichen ist. Die meisten der 16 neuen Anlagen, die in Bayern in Planung sind, befinden sich in Südostbayern, das wie die Region München im "Bavarian Power Belt" gelegen ist. In Garching an der Alz etwa soll im November ein Geothermie-Kraftwerk in Betrieb gehen. Im Landkreis München werten die SWM noch eine seismische Untersuchung aus und planen mit der IEP gemeinsam eine Bohrung in Baierbrunn.

Schneider setzt darauf, bestehende Anlagen nach dem Vorbild der SWM in München-Sendling auszubauen, wo an einem Ort gleich sechs Bohrungen in die Tiefe gebracht wurden. IEP-Geschäftsführer Helmut Mangold stellte bei dem Treffen in Pullach all den Potenzialen die Förderbedingungen gegenüber: "Unter fairen Rahmenbedingungen kann die Geothermie die Wärmekosten fossiler Energieträger heute schon unterschreiten."

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Quelle:
SZ vom 20.10.2020
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