Süddeutsche Zeitung

Energiesparen:Anton Hofreiter mag es kurz und kühl

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Der Grünen-Bundestagsabgeordnete hat sein Duschritual verändert, CSU-Kollege Florian Hahn fährt Bahn und Bayerns Ex-SPD-Chefin Natascha Kohnen hat das Auto verkauft. Wie Politiker aus dem Landkreis München Öl, Gas und Strom sparen.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

An diesem Nachmittag hängt keine einzige Wolke am Himmel über Ottobrunn. Die Sonne kann also ihre ganze Kraft entfalten. Die App von Florian Schardt zeigt an, dass die Photovoltaikanlage, die seit Juli auf dem Dach seines Hauses in Betrieb ist, gerade 9,84 Kilowattstunden Strom produziert - und dass gleichzeitig 6,27 Kilowatt wieder abgezogen werden. "Das ist das Auto, das gerade dran hängt", erklärt der Fraktionssprecher der SPD im Münchner Kreistag, während er den Ladevorgang genau beobachtet. Würde jetzt eine Wolke vorbeiziehen, fiele die Stromproduktion sofort unter sechs Kilowatt. "Spannend", findet Schardt. "Das Auto lade ich daher nach Wetterbericht." Seit Anfang 2021 fährt er geschäftlich mit dem E-Auto, das daheim an der PV-Anlage lädt.

Seit dem Krieg in der Ukraine und der Gasknappheit ist viel von Energiesparen und Eigenverantwortung die Rede, und Politiker stehen dabei wegen ihrer Vorbildfunktion unter Beobachtung - auf Bundes-, Landes-, aber auch kommunaler Ebene. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen will mit gutem Beispiel vorangehen und hat unlängst als persönliche Maßnahme angekündigt, seine persönliche Duschzeit noch einmal verringern und die Wassertemperatur weiter drosseln zu wollen. Ein Vorschlag, der ihm auch manchen Spott eingebracht hat.

Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl, ein CSUler, kann sich für den Vorschlag des prominenten Grünen erwärmen: "Immer kalt duschen!", lautet seine Devise. Und ansonsten: "Heizung runter drehen. Vor allem tagsüber, wenn man sowieso nicht daheim ist." Ersteres stärke ja auch das Immunsystem. Das freilich sagt sich um diese Jahreszeit leicht. Mit Habeck und Böltl hält es auch der Unterhachinger Anton Hofreiter. Der bekannteste Grünen-Politiker aus dem Landkreis München befindet sich derzeit zwar im Urlaub, lässt über seinen Sprecher aber ausrichten, er bevorzuge die "K-und-k-Methode" - also kurz und kühl. Er habe daraus einen Sport entwickelt, so der Bundestagsabgeordnete: Vor und nach dem Duschen werfe er einen Blick auf den Wasserzähler - im Schnitt brauche er nur sechs bis zehn Liter.

Energie sparen muss keine Selbstkasteiung sein, findet der Grünen-Politiker Christoph Nadler

Es gibt aber auch Politiker, die über den täglichen Duschvorgang hinaus denken - wie etwa Florian Schardt. Bei dem Sozialdemokraten wird mit zwei Wärmepumpen geheizt: mit einer Grundwasserpumpe für die Fußbodenheizung und einer zweiten, die die Abluft aus Küche und Bad nutzt, um das Wasser zu erwärmen. Aktuell wartet der Ottobrunner auf einen Stromspeicher für seine Photovoltaikanlage; den habe er bereits vergangenen Herbst bestellt, aber die Lieferzeiten seien derzeit lang. "Insgesamt kommen wir mit PV, Speicher und Wärmepumpen auf voraussichtlich 70 bis 80 Prozent Autarkie, genau wissen wir es erst nach dem Winter", so der SPD-Kreisrat. Auch am Temperaturregler will der Familienvater im Herbst und Winter drehen, denn jedes Grad spart Geld. Laut Berechnungen etwa sechs Prozent der Heizungskosten.

"Jede gesparte Kilowattstunde und jeder nicht gefahrene Kilometer zählen", sagt Otto Bußjäger. Schon seit Jahren verzichteten er und seine Frau Alexandra auf Urlaubsflüge, sagt der Freie-Wähler-Kreisrat aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Und auf der Autobahn bleibe der Tacho bei 120. "Grundsätzlich leben wir seit Jahren ressourcenschonend, indem wir langlebige Kleidung kaufen und tragen, Fahrzeuge meist länger als zehn Jahre fahren und uns aus dem heimischen Garten mit Gemüse, Obst und sogar Fleisch in hohem Maße selbst versorgen", erzählt Grasbrunns ehemaliger Bürgermeister. Hinterm Haus grasen die Schafe, geheizt und gekocht wird im Hause Bußjäger wenn möglich mit Holz und bald soll auch die Heizung erneuert und mit einer Solaranlage unterstützt werden.

Die hat Florian Hahn aus Putzbrunn schon auf dem Dach, und die Sonnenkollektoren produzierten mehr Strom, als die Familie im Haus verbrauche, sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete aus Putzbrunn. "Außerdem bin ich vor einem Jahr auf ein Hybrid-Auto umgestiegen und nutze seit zwei Jahren fast ausschließlich den Zug für die An- und Abreise nach Berlin." Und wenn es im Herbst und Winter kühler wird, werde er beim Heizen und Warmwasserverbrauch sparen.

Ganz aufs warme Wasser will Claudia Köhler nicht verzichten. "Ich dusche weiterhin warm, aber wesentlich kürzer als früher", sagt die Landtagsabgeordnete der Grünen aus Unterhaching. An Kleinigkeiten macht Köhler aber deutlich, dass sich der Alltag schon verändert. Die Waschmaschine lässt die Unterhachingerin mittlerweile mit deutlich weniger Schleuderumdrehungen laufen, getrocknet wird die Wäsche auf dem Ständer im Freien und die Wäsche wird ordentlich aufgehängt, damit diese weniger gebügelt werden muss, wie die Mutter von mittlerweile drei erwachsenen Söhnen sagt. "Alles eingesparte Gas geht in den Speicher für den Winter. Und wenn viele mitmachen, macht das viel aus", sagt sie.

Seit zwei Jahren bemühe sie sich mit ihrer Familie außerdem um eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Reihenhauses. "Hier gab es aber wirklich viele Hürden, die jetzt hoffentlich fallen", sagt sie. Und schon vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben die Köhlers einen Vertrag über den Anschluss an die Geothermie geschlossen. "Das wird wohl die effektivste Maßnahme werden, um fossile Energie zu sparen und effizient zu heizen", so die Abgeordnete.

In Neubiberg wird dagegen mit einer Luftwärmepumpe geheizt - zumindest im Haus von Natascha Kohnen. Vor zehn Jahren hat die SPD-Landtagsabgeordnete ihr Haus energetisch sanieren lassen: vom Dach über die Fassade bis hin zu den Fenstern und der Haustür. Seitdem lebt die ehemalige Chefin der bayerischen Genossen in einem "Effizienzhaus", wie sie sagt. "Also energetisch gut reduziert. Ich bin gerade noch am überplanen, wie ich den Wasserverbrauch reduzieren kann", sagt Kohnen am Telefon. Es wird wohl auf ein wenig Verzicht hinauslaufen, der in Kohnens Garage schon zu beobachten ist: Seit 2021 hat die Sozialdemokratin kein Auto mehr.

Darauf will Christoph Nadler, Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag, noch nicht ganz verzichten; aber er habe immerhin ein Elektroauto bestellt, sagt der Taufkirchner. Mit dem Benziner, den er und seine Frau derzeit besitzen, würden sie nur maximal 10 000 Kilometer im Jahr fahren. Ansonsten nutzten sie die MVV-Jahreskarte und die Bahncard intensiv. Geheizt wird im Hause Nadler noch mit Gas, drei Jahre ist die neue Heizung erst alt und verbraucht ein Drittel weniger als die alte. Den Verbrauch kann Nadler per App flexibel und individuell steuern. Geheizt wird tagsüber auf maximal 20 Grad, in der Nacht wird die Heizung abgeschaltet. "Damit haben wir insgesamt nur den Energieverbrauch eines Ein-Personen-Haushalts", so der Grüne. Auf dem Dach erzeugt eine PV-Anlage zudem mehr Strom, als die Familie verbrauche. Und alle Stromfresser wie Waschmaschine und Geschirrspüler seien auf dem neuesten Stand.

Und dann sagt Nadler noch einen Satz, den wohl nicht alle Freunde des Warmduschens so unterschreiben würden: "Energiesparen hat nichts mit Selbstkasteiung zu tun, sondern macht Spaß."

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