Waffen für die Ukraine:Helden und Maulhelden
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Deutschland hat der Ukraine für ihren verzweifelten Abwehrkampf gegen Putins Angriffskrieg nicht viele Waffen zu bieten - umso seltsamer ist das Gebaren einiger Regierungspolitiker der SPD.
Kommentar von Joachim Käppner
Gäbe es ein Ranking, welcher in Deutschland tätige Diplomat auf die Kunst der diplomatischen Rede am wenigsten Wert legen würde, der ukrainische Botschafter in Berlin stünde gewiss in der Spitzengruppe. Andrij Melnyk lässt Deutschlands Politiker bei jeder Gelegenheit wissen: Ihr tut nicht genug. Vor allem in der SPD regt sich inzwischen deutlicher Unmut über Kiews Mann in Berlin. Manche Genossen geben schlechte Noten in Betragen, Bau-Staatssekretär Sören Bartol beleidigte ihn ganz offen auf Twitter, eine Peinlichkeit, die nur von der halbherzigen Entschuldigung danach noch unterboten wurde. Offenbar gehört er zu jenen Twitteristen, die der Überzeugung sind, für jede Störung ihrer Befindlichkeit sei umgehend ein Schuldiger zu finden und vor aller Welt anzuklagen.
Auch Andrij Melnyks Befindlichkeit dürfte derzeit beeinträchtigt sein. Sein Land kämpft mit dem Rücken zur Wand um die schiere Existenz, so viele Menschen sterben, Städte zerfallen in brennende Schutthaufen, zerstört von Russlands Granaten und Raketen. Die abgeschnittene Hafenstadt Mariupol steht vor dem Fall. Melnyks Auftreten ist oft harsch, aber das ist natürlich Mittel zum Zweck. Wie sein Präsident Wolodimir Selenskij versucht er, die Nato so unter Druck zu setzen, dass sie der Ukraine militärisch zu Hilfe eilt. Das ist so verständlich, wie die Ablehnung der Nato vernünftig ist: Sie will sich nicht auf diese Weise in die Kämpfe hineinziehen lassen und einen dritten Weltkrieg riskieren.
In den 16 Merkel-Jahren ist eine anfangs vernünftige Politik der Abrüstung zum Kaputtsparen der Bundeswehr verkommen
Das Gestänker aus der SPD gegen den Botschafter jedenfalls ist umso hässlicher und würdeloser, erst recht für Prominenz einer Partei, die es jahrelang als Friedenspolitik verkaufte, sich nicht an die eigenen Beschlüsse zur Ausrüstung der Bundeswehr zu halten. Diese Ausrüstung ist dermaßen mangelhaft, dass Deutschlands Beitrag zu den Nato-Waffenlieferungen an die Ukraine bislang vergleichsweise bescheiden ausfällt, viele Helme, Panzerabwehrwaffen sowie einige Hundert Luftabwehrraketen, darunter neben modernen Stinger uralte Strela aus der DDR. Zu den unerfreulichen ersten Amtspflichten von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gehörte es, besagtem Botschafter Melnyk zu erklären, die Deutschen hätten ihm leider nicht viel mehr zu bieten, die Waffenkammern seien leer. Wer selbst wenig hat, kann auch wenig geben. Dass die Ukraine sich bislang gegen den mörderischen Angriffskrieg behauptet, verdankt sie neben der Tapferkeit ihrer Verteidiger vor allem großen Mengen an Hightech-Abwehrwaffen aus den USA und Großbritannien gegen Putins Panzerarmeen. Sogar bewaffnete Drohnen kommen nun aus Amerika.
In den 16 Merkel-Jahren ist eine anfangs vernünftige Politik der Abrüstung zum Kaputtsparen der Bundeswehr verkommen. Auch dem Unionsvorsitzenden Friedrich Merz stünde etwas Bescheidenheit daher gut, wenn er nun gelegentlich so tut, als genügten die zusätzlichen 100 Milliarden für die Streitkräfte nicht einmal, die Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt hat. Auf den linken Flügeln der Grünen und mehr noch der SPD wiederum ist schon absehbar, dass es über kurz oder lang wieder rumoren wird angesichts dieser 100 Milliarden für die "Aufrüstung" der Bundeswehr. Bei Lichte besehen ist das aber eine realistische Summe, um die Bundeswehr wieder in die Lage zu versetzen, ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen: die Verteidigung des eigenen Landes und seiner Freiheit. Wer aber an tätiger Hilfe so wenig zu bieten hat, sollte wenigstens nicht auf Twitter den Maulhelden spielen und den Boten der schlechten Nachricht zum Schuldigen erklären.