Süddeutsche Zeitung

BBC-Journalistin Emily Maitlis:"Beantworten Sie einfach meine Frage"

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Emily Maitlis erhält den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. Über eine Journalistin, die für ihre Direktheit geliebt, aber für ihr selbstbewusstes Auftreten auch gehasst wird.

Von Cathrin Kahlweit

Wenn man den äußerst strapazierten Satz, der den großen Hanns Joachim Friedrichs noch sehr, sehr lange überleben wird, doch wieder einmal zitieren will, dann deshalb, weil er auf Emily Maitlis besonders schlecht passt. Man solle sich, um sein Bonmot verkürzt zu zitieren, nicht mit einer Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten, hatte der 1995 verstorbene Tagesthemen-Moderator gesagt. Wenn man das so interpretieren möchte, wie es ARD-Moderatoren auszulegen angehalten sind, dann würde das in letzter Konsequenz auch bedeuten, besser öffentlich keine Meinung zu haben und zu äußern, selbst wenn es die richtige ist. Maitlis hat eine Haltung und eine Meinung. Manchmal äußert sie diese auch - und bekommt dafür ziemlichen Ärger.

Dabei hatte Friedrichs, nach dem der wichtige Fernsehpreis benannt ist, den die BBC-Moderatorin Maitlis in diesem Jahr neben dem ZDF-Korrespondenten Ulf Röller erhält, sein legendäres Zitat damals tatsächlich auf die BBC gemünzt. Dort habe er gelernt, wie seriöser Journalismus geht, dass man Distanz halte, nicht in öffentlicher Betroffenheit versinke, cool bleibe, ohne kalt zu sein. Maitlis moderiert die beliebte Talksendung Newsnight in Großbritannien, und sie nimmt bei Gelegenheiten, die ihr wichtig genug erscheinen, kein Blatt vor den Mund.

Mit Prinz Andrew sprach sie über Jeffrey Epstein - und danach die ganze Welt über das Interview

Jedenfalls darf man annehmen, dass es ihr nicht einfach aus Versehen passierte, als sie im Frühling, während des ersten Corona-Lockdowns, eine Anmoderation so begann: "Dominic Cummings hat die Regeln gebrochen. Alle im Land können das sehen - und sie sind schockiert darüber, dass die Regierung es offenbar nicht kann." Cummings ist der Chefberater von Premier Boris Johnson, dem nachgesagt wird, er glaube, Regeln gälten für andere, nicht für ihn. Cummings war im Lockdown mit seiner Familie Hunderte Kilometer weit zu seinen Eltern gefahren und hatte, als er erwischt wurde, so schlecht gelogen, dass er zur Lachnummer wurde. Johnson stellte sich hinter ihn. Emily Maitlis tat es nicht.

In der BBC war man not amused. Maitlis verschwand eine Nacht vom Schirm, prompt wurde gemutmaßt, sie sei suspendiert worden auf Druck aus Downing Street. Aber dann war sie wieder da, nur um in einer der nächsten Anmoderationen die politische Elite wieder auf ihre kluge, klare, knappe Weise herauszufordern: "Man sagt, Corona ist ein großer Gleichmacher", begann sie ihre Sendung, "aber das stimmt nicht." Wie, fragte sie, "kann man verhindern, dass es die Armen in Großbritannien noch ärmer macht?"

Die einen lieben sie für ihre Direktheit und ihr Engagement, andere hassen sie für ihr sehr selbstbewusstes Auftreten und ihre Souveränität. Die Enkelin einer jüdischen Großmutter, die aus NS-Deutschland floh, hat zu Beginn ihrer Laufbahn Dokumentarfilme in aller Welt gedreht, in Hongkong gelebt und dann bei der BBC eine steile Karriere gemacht. Ihren wohl größten Scoop hatte die 50-Jährige vor einem Jahr. Sie konnte Prinz Andrew überreden, mit ihr über seine Rolle im Skandal um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein zu sprechen, mit dem er gut bekannt gewesen war. Epstein-Opfer werfen dem Prinzen vor, dass er sie ebenfalls missbraucht habe.

Es war ein Interview, über das die ganze Welt sprach. Maitlis, wie immer exzellent vorbereitet, aufmerksam, intensiv, brachte Andrew zum Reden - und er redete sich um Kopf und Kragen. Sie habe selbst erst hinterher verstanden, sagte sie, wie viel Sprengstoff in dem Gespräch steckte. Andrew zog sich nach dem royalen PR-Gau, der Maitlis endgültig berühmt machte, aus der Öffentlichkeit zurück.

In diesem Sommer tat Maitlis, was sie schon öfter getan hat: Sie ging in die USA, um über den Präsidentschaftswahlkampf zu berichten. Mit Donald Trumps ehemaligem Sicherheitsberater, John Bolton, der ein Enthüllungsbuch über die Trump-Administration geschrieben hatte, aber sich als Zeuge im Amtsenthebungsverfahren verweigerte, ging sie in einer Livesendung so hart ins Gericht, dass er sie in bedrohlichem Ton abfertigte. Sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. "Beantworten Sie einfach meine Frage", sagte sie cool. "Wenn Sie das können."

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