Süddeutsche Zeitung

Zivilgesellschaft:Netanjahu fordert Finanzierungsstopp für Jüdisches Museum

Lesezeit: 2 min

Von Alexandra Föderl-Schmid, Sonja Zekri und Thorsten Schmitz

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel aufgefordert, die Förderung für das Jüdische Museum in Berlin, die Berlinale und verschiedene Nichtregierungsorganisationen in Israel einzustellen. Anlass ist der Vorwurf, die Organisationen förderten "antiisraelische Aktivitäten", vor allem das umstrittene Netzwerk BDS ("Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen"). Wie jetzt bekannt wurde, übergab Netanjahu Merkel bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen Anfang Oktober ein Papier, in dem es heißt: "Das Jüdische Museum in Berlin, das nicht mit der jüdischen Gemeinde verbunden ist, führt häufig Veranstaltungen und Diskussion mit prominenten BDS-Vertretern durch." Außerdem zeige die Ausstellung "Welcome to Jerusalem" "vor allem das muslimisch-palästinensische Narrativ". Sie läuft seit einem Jahr.

Die Berlinale, so das Schreiben, lade ebenfalls "häufig BDS-Aktivisten" ein, zudem "finanzieren Regierungsbehörden Filme von BDS-Unterstützern". Künftig solle die deutsche Regierung "die völlige Einstellung dieser Praktiken zur Bedingung für die Fortsetzung der finanziellen Unterstützung" machen, fordert Netanjahu.

Dass die israelische Regierung die deutsche Unterstützung für regierungs- und vor allem siedlungskritische Gruppen wie die Soldaten-Organisation "Breaking the Silence" beklagt, gab es schon früher. Die inkriminierten NGOs auf der Liste werden unter anderem durch das katholische Hilfswerk Misereor, das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt, das Institut für Auslandsbeziehungen, die Heinrich-Böll- und die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt. Dass die Regierung Netanjahus aber so offen in die deutsche Kulturpolitik und die Zivilgesellschaft einzugreifen versucht, ist präzedenzlos.

Die Berlinale zeigt regierungskritische Filme aus aller Welt, auch aus Israel und Palästina. Vor einem Jahr wurde "Ghost Hunter", ein Film des palästinensischen Regisseurs Raed Andoni mit einem Silbernen Bären für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet. Berlinale-Chef Dieter Kosslick, der von der Kritik aus Israel nur aus den Medien erfahren hatte, ließ erst einmal nur einen Satz ausrichten: "Netanjahu kann mir ja eine Postkarte schicken, was ihm an der Berlinale nicht gefällt."

Kulturstaatsministerin Monika Grütters wies die israelischen Bedenken zurück

Das Jüdische Museum in Berlin hingegen ist kein ganz unerwartetes Ziel. Im Juli war die Einrichtung in die Kritik geraten, weil es einen angeblich BDS-nahen palästinensischen Friedensforscher ausgeladen hatte - auf Druck aus Israel. Nun aber bekräftigte das Museum in einer Erklärung seine Überzeugung, dass "eine offene Diskussion unter Einbeziehung verschiedener, teils auch kontroverser Sichtweisen unabdinglich ist, um unseren Besucher*innen zu ermöglichen, sich ein eigenes, differenziertes Urteil zu bilden." Im Oktober hatte Peter Schäfer, der Leiter des Museums, im Tagesspiegel geschrieben, auch die Entscheidung über eine Zusammenarbeit mit dem BDS müsse "von Fall zu Fall" getroffen werden: Er beobachte die Ausbreitung einer "Kultur des Verdachts" mit Sorge.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters wies die israelischen Bedenken über die Jerusalem-Ausstellung zurück.Das Museum arbeite auf "sehr hohem, wissenschaftlich fundiertem und international anerkanntem Niveau" und leiste einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der deutsch-jüdischen Geschichte, erklärte sie. Ein Regierungssprecher wies darauf hin, dass Deutschland in Israel nur Projekte von Einrichtungen fördere, die "in Israel nach israelischem Recht registriert" seien.

Auf ähnliche Weise argumentiert auch Antonie Nord, die Leiterin des Nahost-Referats der Böll-Stiftung: Die Böll-Stiftung sei "solidarisch mit Israel", könne aber gerade angesichts der Verpflichtung zum Meinungspluralismus den Partnern in Israel nicht vorschreiben, ob und wie sie die Regierung kritisieren.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2018
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