Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Geld für den Klimaschutz

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Solaranlage und Wärmepumpe: Immer mehr Mittelständler und Immobilienbesitzer wollen unabhängig werden von steigenden Energiepreisen. Doch wer finanziert ihre Investition in alternative Energiequellen?

Von Meike Schreiber

Mehr Energieunabhängigkeit, mehr Klimaschutz: Dass Deutschland schleunigst von russischem Gas wegkommen und zugleich dringend Co₂ einsparen muss, ist spätestens seit Beginn des Ukraine-Krieges mehrheitsfähig. Angesichts immens steigender Energiepreise wollen nicht nur viele Immobilienbesitzer möglichst autark werden, sondern auch weite Teile des deutschen Mittelstandes, vor allem jene, die für ihr Geschäft viel Energie benötigen. Aber wer stellt das Kapital zur Verfügung, wer finanziert die milliardenteure Energiewende, allen voran die energetische Sanierung der Immobilien?

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) rechnete kürzlich vor, dass rund 35 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Deutschland und rund 40 Prozent der CO₂-Emissionen allein auf Immobilien entfallen. Das liege vor allem daran, dass 97 Prozent der deutschen Wohnungen älter seien als zehn Jahre. Mehr als 30 Millionen Wohnungen sogar älter als 30 Jahre. Daher rolle nun ein gewaltiger Finanzierungsbedarf auf die deutschen Banken und Sparkassen zu, so der DSGV.

Je schneller es gelinge, das dafür nötige Finanzierungsvolumen aufzubringen, "desto eher werden wir die Abhängigkeit von russischem Gas beenden können", sagt DSGV-Präsident Helmut Schleweis. Das aber werde alles andere als einfach: Kalkuliere man pro Wohnung einen Finanzierungsbedarf für die energetische Sanierung von 30 000 Euro, komme man auf ein notwendiges Finanzierungsvolumen von 1000 Milliarden Euro. Davon müssten allein die Sparkassen entsprechend ihrem Marktanteil rund 350 Milliarden Euro stemmen, so der DSGV.

Alte Heizungsanlagen sollen schleunigst ausgetauscht werden

Gut möglich, dass die Zahl etwas zu hoch gegriffen ist, weil viele Immobilienbesitzer eine Investition auch mit Eigenkapital finanzieren können. Zudem verbinden die Sparkassen mit ihrer Rechnung auch eine Lobby-Forderung. Sie wollen erreichen, dass die strengeren Eigenkapitalanforderungen für Wohnimmobilienkredite rasch wieder gelockert werden. Aber selbst konservativ gerechnet wird der Bedarf immer noch gewaltig sein.

Denn auch das Entlastungspaket, welches die Bundesregierung Ende März unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges verabschiedet hat, sieht vor, dass 20 Jahre alte Heizungsanlagen nun schleunigst ausgetauscht werden, die Rede ist von einer "Wärmepumpen-Offensive". Schon von 2024 an - und nicht erst von 2025 an - soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, so der Plan. Ganz klar: Viele Immobilienbesitzer dürfte dies finanziell überfordern.

Während in der Bankenbranche manch einer nach mehr staatlichen Garantien, Subventionen oder wie die Sparkassen nach lockerer Regulierung ruft, stoßen nun auch zunehmend Start-ups in dieses Geschäft vor, wie die Berliner Firmen Eigensonne und Enpal oder das Hamburger Start-up 1Komma5 Grad. Enpal, eine Firma, die Solaranlagen installiert und vermietet, wurde nach dem Einstieg des japanischen Investors Softbank und dessen Visionfund - zum Erstaunen von Branchenkennern - unlängst sogar mit einer Milliarde Dollar bewertet und gilt als erstes "grünes Einhorn" in Deutschland.

Dann gibt es noch Bullfinch, ein 2019 in Frankfurt gegründetes Start-up, das nicht nur Firmen, die auf erneuerbare Energien setzen, Finanzierungslösungen anbietet, sondern über Partner auch Hausbesitzern hilft, eine neue Solaranlage oder eine Wärmepumpe zu finanzieren. "Bullfinch bietet eine privatwirtschaftliche Lösung zur Finanzierung der dezentralen Energiewende, ohne dass dafür Steuergelder oder Subventionen notwendig sind", sagt Bullfinch-Vorstand Nikolaus von Tippelskirch, der viele Jahre in verschiedenen Management-Positionen der Deutschen Bank tätig war, unlängst aber in die Start-up-Branche wechselte. Dem Aufsichtsrat gehört auch Frank Strauß an, der zuvor das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank geleitet hat.

Hausbesitzer und Mittelständler, die nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen, können die Anlagen auch leasen

Die Plattform will nun institutionelle Investoren, Energiedienstleister und Immobilienentwickler sowie Anbieter grüner Technologien, vor allem die Installateure, zusammenführen. Sie können ihre Projekte oder Dienstleistungen vertreiben, also Batterien, Ladesäulen, Solarzellen oder Wärmepumpen. Diese werden dann gebündelt institutionellen Investoren als Finanzanlage angeboten, als Miet-, Leasing- oder Kreditprodukt. "Auf diese Weise schaffen wir eine neue Anlageklasse für institutionelle Großinvestoren und ermöglichen es ihnen, in dezentrale Projekte zu investieren", sagt Tippelskirch. Hausbesitzer und Mittelständler, die nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen, können die Anlagen leasen. Mit Hilfe einer Bank will Bullfinch demnächst auch Kredite anbieten.

Über mangelnde Nachfrage kann sich die junge Firma laut Tippelskirch jedenfalls nicht beklagen. Interesse kommt zum Beispiel neben Vertriebspartnern wie Eigensonne von Möbelmärkten, Autohäusern oder Logistikzentren. "Wir helfen Unternehmen, kapitalbasierte Investments in operative Kosten umzuwandeln und damit auch die Energiekosten besser zu planen", sagt der Bullfinch-Vorstand. Firmen könnten damit ihre Stromrechnung in eine fixe Mietzahlung umwandeln und sich damit über die Vertragsdauer von bis zu zwanzig Jahren gegen steigende Energiepreise absichern.

Auch das Geld für weiteres Wachstum sei da: Derzeit habe die Firma mit zwei strategischen Investoren ein Finanzierungsvolumen für die Akquisition von Systemen - eigenkapital- und kreditfinanziert - von mehr als einer Milliarde Euro gesichert. Geld verdient die Firma, indem sie für die Verwaltung und Betreuung der Anlagen Gebühren verrechnet. Schwarze Zahlen will das Start-up, das etwa vierzig Mitarbeiter beschäftigt, ab Mitte, Ende nächsten Jahres erreichen. Wenn die Energiepreise weiter so enorm steigen, dürfte die Firma ihr Ziel rasch erreichen.

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