Süddeutsche Zeitung

Abschussgenehmigung:Der Wolf wird zum Staatsfeind erklärt

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In Oberbayern bläst die Politik zur Jagd auf ein Tier, das die Scheu vor dem Menschen verloren haben soll - aber seit einem Monat verschwunden ist. Ein verheerendes Signal für den Artenschutz in Bayern.

Kommentar von Sebastian Beck

In Bayern gibt es etwa drei Millionen Rinder, drei Millionen Schweine, zig Millionen Hühner, 260 000 Schafe - und 13 Wölfe. Nach Zahlen des Bundes Naturschutz, der sich dabei auf das Landesamt für Umwelt beruft, hat die Wilde 13 vergangenes Jahr in 51 Fällen nachweislich Nutztiere gerissen; der wirtschaftliche Schaden lag zusammengerechnet unter 50 000 Euro. Diese Fakten sollte man sich in Erinnerung rufen, wenn jetzt in Südostbayern der Wolf zum Staatsfeind erklärt wird.

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) sieht durch ein einzelnes Exemplar, das sich in ihrem Stimmkreis herumtreibt, sogar die "öffentliche Sicherheit und Ordnung" gefährdet: "Man muss ein Raubtier, das übergriffig geworden ist und ganz offensichtlich seine Scheu verloren hat, auch mal entnehmen", sagte sie.

Diese Äußerung ist schon deshalb widersinnig, weil der letzte "Übergriff" durch den Wolf schon fast einen Monat zurück liegt und er seitdem nicht mehr gesehen wurde. Auch die Scheu vor Menschen hat er ganz offensichtlich nicht verloren. Trotzdem soll das Tier nun getötet werden. Für den Artenschutz in Bayern ist das ein verheerendes Signal. Zwar gibt es im Freistaat großtrabende Managementpläne für Wildtiere, die aber nichts wert sind, wenn sich die Politik sofort dem Druck beugt, den vor allem der Bauernverband aufbaut, weil er damit leicht seine Anhängerschaft mobilisieren kann.

In Ostdeutschland mag die Situation komplizierter sein, aber in Bayern sind die paar Wölfe derzeit weder für die Sicherheit der Bevölkerung noch für den Fortbestand der Almwirtschaft ein Problem. Doch wenn es um den Wolf geht, versagt die Vernunft - er ist das Feindbild par excellence.

Dem Wolf im Berchtesgadener Land kann man nur wünschen, dass er sich längst aus dem Staub gemacht hat. Sonst wird er wohl erschossen - mit oder auch ohne behördliche Erlaubnis.

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