Süddeutsche Zeitung

Vorstandssitzung:Viktor Orbán inspiriert die CSU

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Die CSU ist locker drauf an diesem Montag nach den Osterferien. Partei-Vize Dorothee Bär kommt mit Jeansjacke und Nieten in die Vorstandssitzung. Ludwig Spaenle, der geschasste Bildungsminister, schlendert mit neuer Brille, altem Kampfgeist und gespitzten Lippen in die Parteizentrale, frei nach dem Motto: darauf gepfiffen. Ilse Aigner, neuerdings Ministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, freut sich darüber, dass sie nun immerhin selbst über ein fertig gebautes Büro verfügt. "Jetzt kann die Arbeit beginnen", frohlockt sie. Beginnen? Der Chef lächelt milde. Er habe ja noch nie wenig gearbeitet, sagt Horst Seehofer. Aber jetzt, als Bundesinnenminister, das sei noch mal etwas anderes. Sein fachkundiges Urteil: "Oho!"

Lange hatte sich die CSU in einem Stellungskrieg zwischen Seehofer und dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder verkantet, jetzt schleift sie die Kanten im Eiltempo ab. Die neue Mannschaft muss sich einspielen, ihre Zeit ist knapp. In einem halben Jahr wird in Bayern der Landtag gewählt, dann geht es für die CSU um die absolute Mehrheit der Mandate. Das fördert die Geschlossenheit mindestens so sehr wie die Entschlossenheit.

In Berlin gibt sich die Seehofer-CSU als unnachgiebiger Hüter von Recht und Ordnung und konservativen Werten - mit allen Nebenschauplätzen wie Islam- und Flüchtlingsdebatte. In München zeichnet Söder das Bild vom Kümmerer, der Sorgen der Menschen aufnehmen will. Mit dieser Doppelstrategie hat die CSU in Umfragen wieder zugelegt, entsprechend erfreut äußerte sich Seehofer im Parteivorstand. "Mehr als zufrieden" sei er, "wie die schwierige Wegstrecke bewältigt wurde", sagte er nach Angaben von Teilnehmern. Das Wahlergebnis in Ungarn dürfte die CSU bestärken, diesen Weg weiterzugehen.

Der Mann, der die Christsozialen inspiriert, ist häufiger Gast auf ihren Klausuren. Der deutliche Sieg von Viktor Orbán in Ungarn beweise, "dass Konsequenz honoriert wird", sagt Seehofer. Der Premier habe "Kurs gehalten, das schätzt die Bevölkerung". Dazu gehört freilich auch ein harter Kurs in der Flüchtlingspolitik. Er werde Orbán im Namen der CSU gratulieren, kündigt Seehofer noch an. Ein anderer hat das schon getan.

Bereits in der Wahlnacht sandte der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber Glückwünsche nach Budapest. Orbán habe die wirtschaftliche Lage seines Landes verbessert, auch das sei ein Grund für seinen Erfolg, analysiert Stoiber. Auf der einen Seite also eine rigide Flüchtlingspolitik und auf der anderen das Umwerben der eigenen Bevölkerung - obwohl Orbán auch von CSU-Politikern kritisch gesehen wird, hat man in München aufmerksam registriert, wie er die Parlamentswahl dominierte. "Nichts ist eine stärkere Bestätigung als der Erfolg an der Wahlurne", sagt Seehofer. Nur der CSU-Europapolitiker Markus Ferber spricht offen aus, dass "diese antisemitischen Einschläge" in Orbáns Rhetorik ihm "große Sorgen" bereiteten.

Söder ist am Montag nicht im Parteivorstand, er hat einen Termin in Nürnberg. An diesem Dienstag wird er mit Gesundheitsministerin Melanie Huml in aller Früh ein Münchner Pflegeheim besuchen. Im Anschluss daran will das Kabinett ein bayerisches Landespflegegeld, ein Landesamt für Pflege sowie mehr Hospiz- und Palliativplätze beschließen, wie Söder es im Januar angekündigt hat. Hermann Imhof, der Pflegebeauftragte der Staatsregierung, wird dem Ministerrat seinen Bericht vorlegen. Nur wenn die Politik das Thema mit höchster Dringlichkeit angehe, sei ein Kollaps noch vermeidbar, warnt Imhof. Die entscheidende Frage heiße: "Was ist uns eine humane, liebevolle und menschenwürdige Pflege wert?"

Auf all das will die CSU Antworten finden bis zur Wahl. Man wolle "regieren bis zum letzten Tag, handeln und liefern", sagte Generalsekretär Markus Blume im Vorstand, als er erstmals die Pläne für den Landtagwahlkampf skizzierte. Wie bei der Bundestagswahl setze die CSU auf "maximale Präsenz an den Haustüren", verstärkt werden soll die Auseinandersetzung mit der AfD im Internet.

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SZ vom 10.04.2018
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