Süddeutsche Zeitung

Rücktritt:Taşdelen gibt Amt als SPD-Generalsekretär auf

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Die Jusos warfen dem Landtagsabgeordneten unangemessenes Verhalten gegenüber jungen Frauen vor. Nun zieht er die Konsequenzen - damit die Bayern-SPD "ohne Ablenkungen" ins Wahljahr starten könne.

Von Thomas Balbierer, Andreas Glas und Johann Osel

Arif Taşdelen tritt von seinem Amt als Generalsekretär der Bayern-SPD zurück. Das gab der Politiker am Dienstagnachmittag in einer schriftlichen Erklärung bekannt. Zuvor waren Vorwürfe bekannt geworden, der Landtagsabgeordnete habe sich unangemessen gegenüber jungen Frauen verhalten. Die sozialdemokratische Jugendorganisation Jusos hatte den SPD-Generalsekretär deshalb zur unerwünschten Person auf ihren Veranstaltungen erklärt. Am Dienstagabend hätte eigentlich eine Sondersitzung des SPD-Landesvorstands zur Causa Taşdelen stattfinden sollen.

"Seit Monaten sehe ich mich mit Vorwürfen und Gerüchten über meine Kommunikation innerhalb der Partei sowie mit öffentlichen Vorverurteilungen konfrontiert", teilte Taşdelen mit und begründete seinen Rücktritt mit der Belastung für ihn und seine Familie. Der Rücktritt des Parteistrategen fällt genau in den Auftakt des nun beginnenden Landtagswahlkampfes in Bayern, bei der er als Generalsekretär der Bayern-SPD Hauptorganisator sein sollte. "Ich möchte meiner Partei helfen, ohne Ablenkungen in dieses so wichtige Landtagswahljahr zu starten", so Taşdelen. Er habe sich trotz der "vielen ermutigenden Zuschriften und Gesprächen mit Freunden, Kolleginnen und Kollegen" zu dem Schritt entschieden. Die beiden Vorsitzenden der bayerischen SPD, Ronja Endres und Florian von Brunn, habe er über die von ihm getroffene Entscheidung informiert. Brunn sagte am Dienstag: "Ich verstehe und respektiere seine Entscheidung und bedanke mich bei ihm für die gute Zusammenarbeit."

Über eine mögliche Nachfolge wurde zunächst nichts bekannt. Zu erwarten ist allerdings eine zügige Nachbesetzung, da zum Auftakt ins Landtagswahljahr diverse Entscheidungen etwa zur Kampagne und Terminplanung anstehen dürften. Ein Personalvorschlag des Vorstands müsste eigentlich beim nächsten Parteitag gewählt werden, der fände im Frühjahr statt; man muss wohl ein rascheres Prozedere zur Ausnahme finden. Der Nürnberger Taşdelen, der auch Abgeordneter und stellvertretender Fraktionschef im Landtag ist, war im April 2021 ins Amt des Generalsekretärs gekommen. Als Wunschkandidat der Parteispitze Brunn und Endres, die sich damals in einer knappen Abstimmung im Rennen um den Vorsitz durchgesetzt hatte.

Vor einigen Wochen war zunächst durch eine Berichterstattung der SZ bekannt geworden, dass die Jusos im Freistaat Taşdelen nicht mehr auf ihren Veranstaltungen zu Gast haben wollten. Er soll in der Kommunikation mit jungen Frauen unangemessen aufgetreten sein. In einem Fall soll Taşdelen etwa aufdringlich nach der Handynummer einer SPD-Kandidatin gefragt haben. Die interne Kontrollkommission der Partei hat konkret zwei Beschwerden vorliegen. Taşdelen hatte, nach Bekanntwerden der Vorwürfe intern, zunächst angekündigt, achtsamer zu formulieren und an einem sogenannten Awareness-Training teilzunehmen - zur Verbesserung der Achtsamkeit also. Alle Seiten hatten stets betont, dass es nicht um ein strafrechtlich relevantes Verhalten gehe.

Zum Jahresende war Taşdelen dann noch in die Offensive gegangen und hatte die Vorwürfe aus der Parteijugend als den Versuch gedeutet, ihn loszuwerden. In der türkischen Tageszeitung Hürriyet sprach er von "falschen Anschuldigungen" gegen seine Person und davon, "dass es manche Menschen gibt, die Anschuldigungen vorbringen, um andere in Schwierigkeiten zu bringen". Auch die Parteispitze wisse, sagte er in der Zeitung, "dass die Anschuldigungen falsch sind". Zum Vorfall mit der Handynummer der jungen Genossin - bei einem Volksfest in Niederbayern dem Vernehmen nach - hatte Taşdelen gesagt: "Ich bin der Leiter der Wahlkampagne und wollte ihre Telefonnummer, um Informationen auszutauschen." Die Frau habe "das mit der Telefonnummer falsch verstanden". In Parteikreisen hatten sich einige sehr darüber gewundert, dass der Generalsekretär nach der Einigung auf ein Achtsamkeitstraining nun derart unversöhnlich über die Angelegenheit sprach.

Die Causa hatte da längst Kontroversen innerhalb der SPD ausgelöst. Die frühere SPD-Vorsitzende und Ex-Bundesministerin Renate Schmidt hatte angesichts der Vorwürfe von "Pipifax" gesprochen. Dem entgegneten Genossinnen, man laufe mit solcher Wortwahl "Gefahr, Sachverhalte zu verharmlosen". Zum Beispiel Cornelia Spachtholz, lange Zeit Vorsitzende in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Nürnberg, sagte: "Es ist den Jusos zu verdanken, dass diese Debatte über Sexismus und die Diskriminierung von Frauen jetzt geführt wird." Andere Sozialdemokraten hatten befürchtet, dass die Diskussion um den Generalsekretär zu Belastung durch das gesamte Wahljahr hindurch werden könnte. In jüngsten Umfragen erreichte die SPD nur neun Prozent, bei der Wahl 2018 hatte die Partei mit 9,7 Prozent schon ein historisches Debakel erlebt.

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