Süddeutsche Zeitung

Söder und Laschet:K wie Kopie und Kritik

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In Sticheleien zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen geht es um die Corona-Politik. Oder doch um eine ganz andere Frage?

Von Johann Osel und Christian Wernicke, München/Düsseldorf

Es ist Routine: Das bayerische Kabinett tagt und Ministerpräsident Markus Söder verkündet im Anschluss die Ergebnisse für die Corona-Politik. Mal größere, mal kleinere Änderungen im Regelwerk, eine Spielwiese für Verordnungsfreaks. Am Mittwoch ging es um den Handel: Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Schuhgeschäften habe man "versucht, ein sinnvolles System zu finden", sagte Söder. Konkret: Die bisher privilegierte Stellung von Baumärkten oder Buchhandlungen fällt weg. Für alle Läden in Bayern jenseits des täglichen Bedarfs gilt nun: Bei einer Inzidenz zwischen 100 und 200 ist Einkaufen mit Termin ("Click & Meet") erlaubt, mit negativem Test. Durch die Neuregelung werde der "Geburtsfehler" der Ungleichbehandlung behoben. Das leuchtet ein.

Oha, heißt es dagegen prompt in Düsseldorf. Da regiert Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet, wie Söder potenzieller Kanzlerkandidat der Union. Anscheinend verfolgt man in der NRW-Landeshauptstadt mit Neugier bayerische Kabinettsberichte. So reagieren Christdemokraten "mit Erstaunen" auf eine mutmaßliche bayerische Kopie der NRW-Notbremse, wie es heißt.

"Eine Woche lang hat Söder gelästert, wir würden die Notbremse nicht konsequent anwenden," sagte ein hochrangiger CDU-Landtagspolitiker: "Jetzt schaffen die eine bayerische Variante, die beim Testen sogar großzügiger ist als unsere Regelung." Söder, so der Laschet-Vertraute, habe die Kritik von Kanzlerin Angela Merkel "für sich instrumentalisiert" und zudem in einem Brief kürzlich den Eindruck erweckt, Länder wie NRW zögerten bei der Notbremse: "Erst Kritik, jetzt Kopie - was für ein Zickzack."

Wohl hat man in Düsseldorf nicht verziehen, dass Merkel Laschet neulich öffentlich in einer Talkshow wegen der Gestaltung der Notbremse tadelte. Woraufhin sich Söder irritiert zeigte: "Ich finde es sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende mit der CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Wahl streitet." Nebenbei betonte Söder, Merkel sei in der K-Frage einzubinden. Beobachter witterten "Sticheleien".

Apropos. Der NRW-Landesvorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, stichelt auch. Er freue sich, dass Bayern sich nun seinem Bundesland anschließe. Winkel sagte der Rheinischen Post, er werde "gespannt verfolgen", ob die Kanzlerin "angesichts der bayerischen Unterstützung für diesen verhältnismäßigen Ansatz" von NRW bei ihrer Kritik bleibe. Sein Land agiere zudem beim Testen "im Detail vorsichtiger" als Bayern.

Tatsächlich darf an Rhein und Ruhr der vor dem Einkauf vorzulegende Corona-Test maximal 24 Stunden alt sein. In Bayern sollen PCR-Tests das Termin-Shoppen für 48 Stunden gestatten, Schnelltests für 24 Stunden. Zudem hatte Söder angedeutet, Kunden könnten auch einen "vielleicht vor Ort befindlichen Eigentest" machen.

In Münchner CSU-Kreisen findet man die Anwürfe "verwunderlich" - zumal Laschet seine Politik ja stets "als MPK-konform" verteidigt habe, also gemäß der Ministerpräsidentenkonferenz. Generell, angesprochen auf den Vorwurf des Plagiats, richteten sich bayerische Blicke "nicht ständig nach Nordrhein-Westfalen".

Es gelte das, was Söder zum Kabinett gesagt habe: Die MPK-Notbremse beziehe sich "im Wesentlichen" auf Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, sie werde in Bayern als Automatismus vorbildlich umgesetzt. Die Neuregelung mit Nachteilen etwa für Gartencenter sei letztlich eine Verschärfung der Politik. Termin-Shopping mit negativem Test, so Söder, folge einem "juristisch ausbalancierten Konzept".

Beide Staatskanzleien blieben schmallippig auf Nachfrage. Was bleibt? Der Verlauf der Pandemie entscheidet sich daran nicht. Die K-Frage auch nicht. Ein CSU-Mann im Landtag meint: Das Verb "belauern" zwischen den Aspiranten treffe längst nicht mehr zu - beide hätten inzwischen ihre "Spezialkräfte" für den unionsinternen Wahlkampf in Marsch gesetzt.

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SZ vom 09.04.2021
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