Süddeutsche Zeitung

Augsburg:"Andere Orte würden für einen einzigen unserer Funde ein Museum bauen"

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Das Römische Museum in Augsburg ist seit 2012 geschlossen. Der Neubau lässt auf sich warten, obwohl die Stadt über das bedeutendste Römererbe Bayerns verfügt - das nervt nicht nur den Generalkonservator des Freistaats.

Von Sabine Reithmaier, Augsburg

Vermutlich kann Sebastian Gairhos stundenlang darüber reden, warum Augsburg die Stadt mit dem bedeutendsten Römererbe Bayerns ist. Nicht nur, weil sie nach Trier die zweitälteste Stadt Deutschlands ist - ihr Gründungsdatum geht auf das Jahr 15 vor Christus zurück. Auch nicht weil man hier die ersten Nachweise für christliches Gedankengut in Bayern entdeckte - eine Glasschale mit Adam und Eva am Baum der Erkenntnis (350 n. C.). Und schon gleich gar nicht wegen der 5500 Silbermünzen, die im Vorjahr auf einer Baustelle ausgegraben wurden. "Augusta Vindelicum war einfach mehr als 400 Jahre lang die größte Siedlung der römischen Provinz Rätien, also in dem Gebiet zwischen Passau, Konstanz, Brixen und dem Limes bei Weißenburg", sagt der Stadtarchäologe. Das wichtigste Handelszentrum in Bayern also, der einzige Ort, den die Römer zur Stadt ernannten.

Gairhos unterbricht die Aufzählung der Schätze, die seiner Ansicht nach die Alleinstellung Augsburgs belegen, und atmet tief durch. "Andere Orte würden für einen einzigen unserer Funde ein Museum bauen", sagt er dann. Echt schade, dass seine Arbeitgeberin leider nicht zu diesen Städten zählt. Seitdem das alte römische Museum in der Dominikanerkirche vor zehn Jahren ganz plötzlich aus statischen Gründen schließen musste, fehlt der Stadt der Ort, um die Schätze angemessen zu präsentieren. An diesem Zustand wird sich aller Voraussicht nach die nächsten zehn Jahre nichts ändern.

Aber warum geht es nicht vorwärts mit dem neuen Haus, obwohl seit vielen Jahren davon geredet wird und die Stadtpolitiker die Bedeutung der römischen Vergangenheit auch gern betonen. Die Frage sei den politisch Verantwortlichen zu stellen, sagt Christof Trepesch, der Direktor der Kunstsammlungen und Museen Augsburgs. Kulturreferent Jürgen Enninger möchte sich dazu gar nicht äußern, er wolle, sagt er, nur nach vorn blicken. Seit Oktober 2020 im Amt ist er der dritte Referent, der sich mit dem Thema beschäftigt. Die Diskussion über das neue Museum habe er immerhin bereits wieder angestoßen, sagt er. Das stimmt, wenn auch der Anstoß zunächst nicht ganz in seinem Sinn lief. Denn als die Silbermünzen Augsburgs ruhmreiche Vergangenheit wieder in die Schlagzeilen brachten, kündigte der Kulturreferent an, die Stadt werde sich auf die Suche nach einem Standort für das Museum begeben. Mit der Bemerkung reizte er all jene, die sich seit Jahren für einen Neubau am Predigerberg direkt neben der Dominikanerkirche einsetzen. Ein Missverständnis, sagt Enninger heute. Er habe während seines Aktenstudiums eine vertiefte Standortuntersuchung für das neue Museum vermisst und das eben geäußert. "Eigentlich hätte ich sagen müssen, es gibt einen Stadtratsbeschluss von 2018, hinter dem stehe ich." In diesem Jahr hatten die Stadträte - nicht zum ersten Mal - beschlossen, den Predigerberg im Stadtzentrum als Standort fürs neue Museum zu favorisieren, ohne die direkt neben der Kirche liegende Berufsschule aufzugeben.

Die Kirche, Domizil des römischen Museums seit 1966, ist seit ihrer Schließung eine Baustelle. Die Sanierung scheint sich hinzuziehen. Unbeeindruckt vom Lärm der dröhnenden Luftentfeuchter ist Manfred Hahn, Leiter des Römischen Museums, an diesem Tag gerade damit beschäftigt, Architekturstudenten die Besonderheiten des ehrwürdigen Gebäudes nahezubringen. Schließlich sollen sie in den nächsten Monaten neue Ideen für das künftige Museum entwickeln, die Kirche ins Konzept integrieren und daher wissen, welche Kunstschätze bis zur Säkularisation diesen Raum schmückten. Wer die Werke heute sehen will, muss in den Louvre oder ins Victoria and Albert Museum oder zumindest in die Pinakothek. Vielleicht können sie nach der Sanierung immerhin digitalisiert zurückkehren. Hofft jedenfalls Hahn.

Er war es auch, der nach der Schließung 2012 den Gedanken entwickelte, ein "Römerlager" als Interims-Ausstellung in der Toskanischen Säulenhalle des Zeughauses zu konzipieren. Um den provisorischen Charakter der Lösung zu unterstreichen, werden die kostbaren Objekte seither in weißen Transportkisten präsentiert. An sich eine gute Idee, nur durch den langen Zeitraum ein wenig überstrapaziert. "Wir sind alle nicht glücklich darüber", sagt Trepesch. Verständlich, denn die Übergangslösung erlaubt es nicht, das Potential an spektakulären Funden und Grabungsergebnissen auch nur ansatzweise zu präsentieren. Auch wenn die ausgewählten Highlights der Sammlung durchaus sehenswert sind.

Eigentlich ist es fast erstaunlich, dass der Museumschef immer noch gelassen auf Fragen nach dem Römischen Museum reagiert. Schließlich zieht sich das Thema wie ein zäher Brei schon fast durch seine ganze Amtszeit. Schon 2009 - da war er gerade fünf Jahre in Augsburg - erarbeitete er mit einem hochkarätig besetzten Expertengremium aus Museumsleuten und Archäologen ein grundlegendes Konzept. In diesem Papier steht bereits, dass sich die Dominikanerkirche sowohl aus statischen wie klimatischen Gründen nicht dauerhaft als Museum eignet. Die Fachleute empfahlen einen Erweiterungsbau südlich der Kirche. "Unsere Idee war von Anfang an, in der Kubatur des ehemaligen Klosters zu bleiben", sagt Trepesch. Dort wo jetzt eine ziemlich marode und daher geschlossene Schulturnhalle steht, befand sich ursprünglich der Kreuzgang. Das Strategiepapier enthielt übrigens auch die Empfehlung, ein archäologisches Zentraldepot im Textilviertel zu bauen. Das gibt es inzwischen tatsächlich, 2017 eröffnet und "eines der modernsten Depots Bayern", sagt Trepesch. Oft sei es ja genau umgekehrt. "Da wird erst ein Museum gebaut, und anschließend die Frage geklärt, wo bringe ich die Exponate unter." Wenigstens ein Problem, das Augsburg nicht hat.

Was das Museum selbst betrifft, gibt es nur sehr kleine Fortschritte, auch wenn sich im Januar Bayerns Generalkonservator Mathias Pfeil in die Debatte einschaltete und eine Wiedereröffnung des geschlossenen Römermuseums forderte. Ohne dieses Haus fehle der Stadt das Aushängeschild für das römische Erbe, fand der oberste Denkmalschützer des Freistaats. Das wissen sie in Augsburg natürlich auch. Trepesch gibt sich jedenfalls zuversichtlich. Jetzt seien die Weichen so gestellt, dass es wieder vorangeht, behauptet er kühn. Enninger sieht das genauso. Binnen des nächsten halben Jahres soll eine Machbarkeitsstudie klären, ob am Predigerberg sowohl die Museums- als auch die Schulnutzung funktionieren kann. Auf der Basis sollen dann konkretere Planungen folgen. Derzeit arbeitet der Kulturreferent gerade daran, die Römerfunde an Ort und Stelle im Stadtraum digital zu präsentieren. Den Rundgang mit einer App fürs Handy möchte er möglichst bald anbieten. Außerdem plant er die Überarbeitung der Interimsschau in der Säulenhalle, was sicher nicht schadet.

Wäre nur noch das lästige Problem mit dem Geld, das Augsburg nicht im Überfluss besitzt, zumal es gerade aufwendig sein Theater saniert. D ie letzte Kostenschätzung ging von einer Summe bis zu 321 Millionen Euro aus, ursprünglich hatte der Stadtrat im Jahr 2016 mit 186 Millionen Euro gerechnet. "Das eine tun und das andere nicht lassen", philosophiert Enninger über die besondere Herausforderung, die budgetäre Rahmenbedingungen dieser Art für ihn beinhalten. Die Suche nach Co-Finanziers hat er bereits aufgenommen, mit dem Freistaat laufen Verhandlungen. "Wir sind dran", sagt Enninger und versucht, Zuversicht zu versprühen. "Auch wenn wir in der Stadtratsperiode bestimmt noch keinen ersten Stein setzen." Vielleicht klappt es ja in der nächsten.

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