Bayerische Alpen:Etwas fürs Naturschützerherz
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Vor 50 Jahren teilte der bayerische Alpenplan die Bergregion in Schutzzonen ein. Seitdem bewahrt er die Landschaft vor tiefen Eingriffen zu Gunsten des Massentourismus - und vor zweifelhaften Ideen von Markus Söder.
Von Matthias Köpf, Brannenburg
Nichts gegen den Wendelstein, aber um seinetwegen hätte es den bayerischen Alpenplan nicht gebraucht. Auf dem 1838 Meter hohen Aussichtsberg zwischen dem Inntal und dem Leitzachtal gibt es nicht nur ein großes Wirtshaus mit einem großen Saal, sondern unter anderem auch ein Kirchlein, eine Sternwarte, allerlei Antennenanlagen und einen weithin sichtbaren Rundfunksender. Wer das alles aus der Nähe erleben will, muss gar nicht gut zu Fuß sein, sondern kann seit 1912 die mit 25 Tonnen Schwarzpulver in den Fels gesprengte Zahnradbahn von Brannenburg herauf nehmen und seit 1970 die Seilbahn aus Bayrischzell. Der Gipfel oberhalb des Wirtshauses ist kommod über Treppen erreichbar, notfalls in den berüchtigten Badeschlappen der unbedarftesten Massenausflügler.
Doch genau deswegen hat Bayerns erster Umweltminister, der spätere Ministerpräsident Max Streibl (CSU), 1971 diesen Wendelstein ausgesucht, um mit Landräten und Bürgermeistern aus dem bayerischen Alpenraum über die Absicht des Freistaats zu sprechen, einen Alpenplan aufzustellen und auf diese Weise Zonen kaum beschränkter Nutzung und Zonen strengeren und strengsten Naturschutzes zu definieren. Ein Jahr später ist dieser Plan in Kraft getreten, und am Donnerstag war dann wieder eine große Gesellschaft in dem großen Saal am Wendelstein, um 50 Jahre Alpenplan zu feiern.
Der liegt als Instrument der Landesplanung inzwischen in der Verantwortung des Wirtschaftsministeriums, weshalb Minister Hubert Aiwanger (FW) bei der Anreise Gelegenheit hatte, aus der Seilbahn einen Rothirsch zu erspähen. "Da lacht das Jägerherz", informierte Aiwanger oben die Festgesellschaft und schob schnell nach, dass es dem "Naturschützerherz" genauso gehe. Das eigentliche Spannungsverhältnis, in dem der Alpenplan eine entscheidende Rolle spielt, ist ein anderes: Massentourismus oder Naturschutz, Erschließen oder Bewahren, Rummel oder Ruhe, kurz: Wendelstein oder all die vielen weitgehend unberührten Berge, die von hier oben aus so gut zu sehen sind.
Markus Söder wollte das besonders geschützte Riedberger Horn einst für den Skizirkus erschließen lassen
Der Nutzberg Wendelstein lag wie ein gutes Drittel des bayerischen Alpenraums von Anfang an in seiner Zone A und ist dort geblieben, so wie alle anderen Berge in der ihren. Einzig ein anderer ehemaliger Umweltminister und späterer Ministerpräsident wollte Hand an den Alpenplan legen. Der heutige Regierungschef Markus Söder (CSU) war zeitweise als Finanz- und Heimatminister für den Alpenplan zuständig und wollte das Riedberger Horn aus der besonders geschützten Zone C schneiden lassen, um den Gipfel für den Skizirkus zu erschließen. Der Aufschrei unter anderem bei den Naturschutzverbänden war gewaltig, am Ende ist der Ministerpräsident Söder 2018 zurückgerudert.
"Dass er seit 50 Jahren nahezu unverändert besteht, zeigt, wie weitsichtig und richtig die Einführung war", sagt Söders Stellvertreter Aiwanger heute über den Alpenplan. Der Druck auf den Alpenraum steige, der Schutz des sensiblen Naturraums und gleichzeitig die nachhaltige Nutzung müssten "weiterhin in Einklang gebracht werden". Eine staatliche Seilbahnförderung und Schneekanonen gehören für Aiwanger da ausdrücklich dazu.
Der Deutschland-Präsident des Alpenschutz-Dachverbands Cipra, Axel Doering, ist da erklärtermaßen anderer Meinung, zumindest was Zu- und Ausbauten betrifft. Stattdessen brauche man womöglich für den Alpenplan "eine behutsame Ergänzung, um Entwicklungen aufzufangen, die vor 50 Jahren nicht absehbar waren" - die Erreichbarkeit auch des hintersten Berges per E-Bike etwa.
Neue Straßen, Seilbahnen oder Sommerrodelbahnen darf es in Zone C nicht geben, die 43 Prozent des bayerischen Alpenraums umfasst. Der Bund Naturschutz in Bayern schlägt aus Anlass des Jubiläums vor, auch " andere große Infrastrukturvorhaben, wie Steinbrüche oder große Energieversorgungsanlagen wie Wasserkraftwerke und Pumpspeicherbecken" auszuschließen. Aber auch Individualsportarten wie Mountainbiken oder Skitourengehen sollten auf bestimmte, klar definierte Zonen beschränkt werden. Ob solche Restriktionen nötig sind und wie hart sie sein können, darüber müssen die versammelten Naturschützer und Kommunalpolitiker vom Wendelstein auch im Tal noch öfter und länger diskutieren.