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Digitalpolitik:Neues EU-Gesetz schränkt Macht der Internetkonzerne ein

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Europaparlament und EU-Regierungen wollen Unternehmen wie Google und Amazon unfaires Verhalten verbieten. Das Gesetz hilft auch Nutzern von Diensten wie Whatsapp.

Von Björn Finke, Brüssel

Für mächtige Internetkonzerne wie Google, Amazon oder Apple gelten in der EU bald schärfere Wettbewerbsregeln. Die Unternehmen müssen Verhaltensvorschriften beachten, damit kleinere Rivalen nicht benachteiligt werden. Auf das entsprechende Gesetz einigten sich am Donnerstagabend Europaparlament und Ministerrat, das Gremium der Mitgliedstaaten.

Die EU-Kommission hatte den Entwurf dieses Gesetzes über digitale Märkte im Dezember 2020 präsentiert. Europäisches Parlament und Ministerrat verständigten sich nun auf einen Kompromiss, welche Änderungen an dem Entwurf vorgenommen werden. Der Kompromiss muss noch bestätigt werden, doch dies ist eine Formalie. Damit kann die Verordnung noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Der Rechtsakt erlaubt es der Kommission, mächtige Internetplattformen wie Google zu sogenannten Gatekeepern zu erklären. Diese Unternehmen sind für Bürger Türsteher und Wegweiser fürs Web; diese Position können sie ausnutzen, um eigene Angebote zu bevorzugen und kleinere Rivalen zu benachteiligen. Deswegen wird das Gesetz Gatekeepern besondere Verhaltensvorschriften machen. Diese orientieren sich an den Erfahrungen der EU-Kommission aus Wettbewerbsverfahren gegen Konzerne wie Google, Apple und Amazon.

So darf Google nicht mehr eigene Dienste in Suchergebnissen bevorzugen - für solch eine Benachteiligung kleinerer Rivalen brummte die Kommission dem Konzern eine Strafe über 2,4 Milliarden Euro auf. Gatekeeper dürfen auch nicht - wie es Amazon vorgeworfen wird - Geschäftsdaten unabhängiger Händler auf ihrer Plattform sammeln und für eigene Angebote verwenden. Und sie müssen Handynutzern erlauben, andere App-Stores zu installieren und so mehr Auswahl bei Handyprogrammen zu erhalten. Dies wird Apple sehr schmerzen.

Verstöße kann die Kommission künftig direkt ahnden, ohne erst in langen Untersuchungen Marktmacht und schädliche Folgen nachweisen zu müssen. Denn bisher ist ein großer Nachteil von Wettbewerbsverfahren, dass sie sich über viele Jahre hinziehen - im schnelllebigen Internetgeschäft sind kleinere Rivalen dann längst aus dem Markt gedrängt. Bei Fehlverhalten sieht das neue Gesetz Strafen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes vor.

Der Kommissar freut sich über den Sieg gegen die Lobbyisten

Verhandlungsführer des Parlaments war der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab. "Diese Einigung leitet weltweit eine neue Ära der Tech-Regulierung ein", sagte er. Internetkonzerne hatten massiv in Lobbying investiert, um das brisante Gesetz in ihrem Sinne zu beeinflussen. Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton sagte dazu nun zufrieden, dass dies umsonst gewesen sei: "Wir haben es nicht zugelassen, dass Konzerninteressen das Gemeinwohl der europäischen Bürger beschädigen."

Ein Streitpunkt zwischen Parlament und EU-Regierungen war, für wen das Gesetz gelten soll. Der Kompromiss legt als Schwellenwerte für Gatekeeper fest, dass sie mindesten 75 Milliarden Euro Börsenwert oder 7,5 Milliarden Euro Jahresumsatz verzeichnen. Sie müssen mindestens einen sogenannten zentralen Plattformdienst bereitstellen, der monatlich 45 Millionen Verbraucher und jährlich 10 000 Geschäftskunden erreicht. Beispiele für solche Plattformdienste sind Suchmaschinen, Internetbrowser, soziale Netzwerke oder Marktplätze. Nach Schätzungen des Abgeordneten Schwab werden zehn bis 15 Unternehmen darunterfallen.

Zudem sieht das Gesetz vor, dass große Messaging-Dienste wie Whatsapp, Facebook Messenger oder iMessage sich künftig für den Austausch von Nachrichten mit anderen Diensten öffnen müssen - dann könnten zum Beispiel Nutzer von Signal eine Nachricht an Whatsapp schicken. Das soll den Wettbewerb beflügeln. Ob die Regelung dazu geeignet ist, gilt aber als umstritten. In der Industrie kursieren Befürchtungen, dass sich ein kleinster gemeinsamer Nenner der Funktionen verschiedener Messenger bilden und somit eine Art SMS zurückkehren könnte.

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