Süddeutsche Zeitung

Steuerdebatte:IG Metall facht den Wahlkampf an

Lesezeit: 3 min

Der Vorstoß von IG-Metall-Chef Hofmann, die Mittelschicht besserzustellen statt Gutverdiener zu entlasten, stößt auf ein breites Echo. Was die Parteien zu den Vorschlägen sagen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Alexander Hagelüken, München/Berlin

Der Vorstoß der IG Metall heizt die Steuerdebatte im Wahlkampf 2021 an. Von den Parteien kam unterschiedliches Echo. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte in der Süddeutschen Zeitung kritisiert, Union und FDP zielten vor allem auf Besserverdiener. Er forderte, stattdessen kleinere und mittlere Einkommen besserzustellen. Außerdem will er Vier-Tage-Wochen in Betrieben durch einen Steuerbonus ausbauen.

Grünen-Co-Chef Robert Habeck sagt, bei dieser Wahl werde eine Richtungsentscheidung getroffen, auch in der Haushaltspolitik: "Ermöglichen wir den notwendigen sozial-ökologischen Umbau durch eine Politik, die vorausschaut und die Mehrheit unterstützt, oder verhindern wir ihn durch unsoziale Steuersenkungen für wenige Superreiche?" Die Grünen wollten mehr investieren, damit das Klima schützen, marode Infrastruktur sanieren, den sozialen Wohnungsbau stärken und die Steuern für Menschen oder Familien mit kleinen und mittleren Einkommen senken.

Anders als die Union hätten die Grünen ein Finanzierungskonzept. Es werde "gegenfinanziert durch etwas höhere Steuern auf sehr hohe Einkommen". Die Union hingegen wolle die Steuern vor allem für die obersten zehn Prozent und Unternehmen senken, halte fest an der Schuldenbremse, obwohl die Zinsen nahe null lägen und der Investitionsbedarf erheblich sei. "Das bedeutet im Klartext: Mit den Plänen von CDU/CSU lassen sich die notwendigen Zukunftsinvestitionen nicht stemmen. Sie führen tiefer in die Klimakrise hinein, nicht hinaus."

Als Exportnation müsse man auf die Wettbewerbsfähigkeit achten, sagt die CDU

Der der CDU nahestehende Wirtschaftsrat dagegen kritisiert, dass der IG-Metall-Chef mehr Umverteilung von oben nach unten fordert. In Deutschland gebe es eine so große Umverteilung von oben nach unten wie in kaum einem anderen Land der Welt, sagt Generalsekretär Wolfgang Steiger. Als eine führende Exportnationen müsse man auf die Wettbewerbsfähigkeit achten. "Schon heute liegen wir weltweit mit unseren Steuersätzen für Unternehmen und Bürger in der Spitzengruppe. Wer hier noch etwas draufsatteln will, riskiert die Abwanderung von Betrieben." Steiger widerspricht Hofmanns Vorwurf, die Union wolle gemäß den Berechnungen des ZEW-Instituts durch die Entlastung von Gutverdienern die Steuereinnahmen senken. "Für die zentralen Zukunftsinvestitionen steht durchaus genügend Geld zur Verfügung."

SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans erklärt, die SPD wolle 95 Prozent der Bürger bei der Einkommenssteuer entlasten. "Die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen haben von den Steuerreformen der Vergangenheit am wenigsten profitiert und brauchen eine spürbare Entlastung." Die Vorstellungen der Gewerkschaften gingen in dieselbe Richtung. Die SPD-Pläne beförderten zugleich die Konjunktur. Auch die gehobene Mittelschicht habe mehr Netto vom Brutto verdient. "Das alles ist nur finanzierbar, wenn die oberen fünf Prozent der Einkommen und die Top-Ein-Prozent der Vermögenden einen zumutbar größeren Beitrag leisten."

Susanne Hennig-Wellsow: "Ja, dieses Land muss sozial gerechter werden"

Linken-Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow findet es gut, dass sich die Gewerkschaften einmischen. "Ja, dieses Land muss sozial gerechter werden, mehr in nachhaltige Zukunft investieren", sagte die 43-Jährige. "Jörg Hofmann hat die entscheidende Frage gestellt, um die es im Wahlkampf gehen sollte: In was für einem Land wollen wir eigentlich leben?"

FDP-Generalsekretär Volker Wissing geht auf Hofmanns Kritik an seiner Partei nicht direkt ein. Die Aussagen der IG Metall zeigten, dass sie genau wie die Freien Demokraten eine steuerliche Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für notwendig halte. "Es wäre nun an der Zeit, dass sich auch der Spitzenkandidat der CDU, Armin Laschet, klar zu Steuersenkungen bekennt", so Wissing. Die FDP wolle den Aufstieg leicht machen. "Uns geht es nicht um Umverteilung, uns geht es um die steuerliche Entlastung gerade niedriger und mittlerer Einkommen." Der IG-Metall-Vorsitzende Hofmann will kleine und mittlere Einkommen bis hin zu 5000, 6000 Euro Brutto-Monatsverdienst besserstellen - um 400 bis 700 Euro. Ganz anders als FDP und CDU/CSU will er den Spitzensatz für Topverdiener aber erhöhen.

Der Obermetaller verbindet seinen Vorstoß mit der Tarifrunde 2021, wo er für kürzere Arbeitszeiten der vier Millionen Beschäftigten in der Transformation warb. Firmen können nun mit Arbeitnehmervertretern eine Vier-Tage-Woche vereinbaren. Den teilweisen Lohnausgleich für kürzeres Arbeiten will Hofmann steuerfrei stellen. Bei den Arbeitgebern stößt das nicht auf Gegenliebe: "Wir lehnen das strikt ab, wie es die Politik auch schon aus guten Gründen abgelehnt hat", sagt Peer-Michael Dick, Geschäftsführer von Südwestmetall. "Wir stehen vor größten Herausforderungen, die Anpassungen erforderlich machen. Da können wir nicht weitermachen wie bisher." Auch Luitwin Mallmann lehnt eine steuerlichen Bevorzugung von Beschäftigten mit einer Vier-Tage-Woche "schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit" ab. "Wer weniger arbeitet, darf steuerlich nicht bessergestellt werden als die Masse die Arbeitnehmer", so der Geschäftsführer von Metall NRW.

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