Süddeutsche Zeitung

Fußball-WM 2022:Ping Pong ums Geldtascherl

Lesezeit: 3 min

Und wer soll die ganzen Kosten tragen? Europas Topklubs reagieren gereizt auf die Fifa-Ankündigung, keine Entschädigung für die Verlegung der WM in den Winter zu bezahlen - eine Allianz zwischen Bundesliga und der englischen FA kündigt sich an.

Von Christof Kneer und Thomas Kistner

Es sah ein bisschen so aus wie bei der CSU. Was fehlte, war die Sonne, auf die legt die CSU ja immer besonderen Wert, wenn sie sich im Januar zur Klausurtagung in Wildbad Kreuth trifft. An der Sonne muss Karl-Heinz Rummenigge noch arbeiten, aber ansonsten war das schon ein staatstragendes Bild: ein Funktionär, ausgestattet mit professionellem Gesichtsausdruck, im Hintergrund ein Trainingsgelände und, Stichwort Wildbad Kreuth, ein sehr seriöser Schnee.

Das Bild findet sich auf der Homepage des FC Bayern, man kann das Bild anklicken, dann beginnt es zu sprechen. Der FC-Bayern-Vorstandsvorsitzende Rummenigge sagt dann unter Zuhilfenahme seines Gesichtsausdrucks jene Sätze, die auch als gedruckte Erklärung vorliegen. Er sagt, dass "die Neuterminierung der Fifa-WM 2022 eine sehr schwierige und anspruchsvolle Aufgabe" darstelle; er sagt, dass es "eine große Kompromissbereitschaft von allen" verlange, die weltweiten Terminkalender auf eine Winter-WM 2022 abzustimmen.

Und er sagt: "Den europäischen Klubs und Ligen kann nicht zugemutet werden, allein den Preis für die Verlegung in den Winter zu bezahlen. Wir erwarten ebenso die seriöse Bereitschaft, den Schaden für die Klubs fair zu kompensieren."

Noch keine 24 Stunden war die Empfehlung einer Fifa-Arbeitsgruppe auf dem Markt, da wurde schon ausgiebig Ping-Pong gespielt. Der erste Schlag kam von der Fifa, indem sie für 2022 eine November/Dezember-WM in Katar ankündigte, mit einem Finale am Tag vor Heiligabend. Den Return setzten die großen europäischen Ligen und ihre Klubs, die - siehe Rummenigge - umgehend finanzielle Entschädigungen forderten; eine Winter-WM plus Vorbereitung würde ja bedeuten, dass die Ligen ihre lukrativen Läden von Oktober bis Januar schließen müssten.

Auf diese glasklare Positionierung antwortete die Fifa ebenso unmissverständlich: Es werde keine Entschädigung geben, sagte Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke am Mittwoch. Eine Verschiebung in den Winter sei zwar "nicht perfekt, wir wissen das, aber warum sprechen wir über Kompensation? Es passiert einmal, wir zerstören nicht den Fußball". Und um Pläne für eine vorübergehende Neu-Organisation der Ligen zu entwerfen, habe man ja "noch sieben Jahre Zeit".

Keine Entschädigung also? "Diesen lapidaren Satz kann man nicht akzeptieren", konterte nun wiederum Reinhard Rauball, der deutsche Ligapräsident; die Fifa sei "verpflichtet, Kompensationszahlungen gegenüber Ligen mit erkennbaren Nachteilen zu leisten", er sei da "ganz bei Karl-Heinz Rummenigge".

In kaum mehr als 24 Stunden waren alle entscheidenden Argumente ausgetauscht, alle Positionen umrissen. Es geht um mehr als um die technischen Details eines Ligakalenders. Es geht, wie in Wildbad Kreuth, um große Politik. Und ums große Geld.

Die Vereine haben gute Gründe, sich gegen ein Turnier mit absurden Nebenwirkungen zu wehren. Was würde ein Klub wie Real Madrid mit einer Hundert-Millionen-Investition wie Gareth Bale machen, der in seiner Eigenschaft als Waliser eher nicht an einer WM teilnimmt? Würde so ein Spieler von Oktober bis Januar mit einem Trainingsplan bei Laune gehalten, würde er mit der zweiten Mannschaft trainieren oder bei vollen Bezügen in Urlaub gehen? Was wäre mit den zweiten und dritten Profiligen - hätten die auch WM-Pause?

Auf die Vereine kommen Probleme zu, für die es keine Erfahrungswerte gibt, und es wird interessant sein zu verfolgen, wie frontal sich die Ligen und die großen Klubs am Ende an die Fifa heranwagen. "Von allen großen europäischen Ligen ist eine ähnliche Haltung zu dem Thema zu erwarten", sagte Ligapräsident Rauball der SZ und kündigte an, "dass wir unsere Schritte in enger Abstimmung mit der englischen Liga machen werden". Der deutsche und der englische Fußball, das wäre eine mächtige Allianz, sie wäre in der Lage, die Fifa herauszufordern. In den europäischen Topligen ist ja ein Großteil jener Spieler angestellt, die auch eine WM schmücken.

Den Widerstand solcher Ligen könnte die Fifa nicht ignorieren, und so wird eine WM, die in siebeneinhalb Jahren stattfinden soll, schon jetzt zu einer Herausforderung für den Fußball. Nach all den kämpferischen Protestnoten sind nun die großen Klubs am Zug, sie müssen zeigen, wie einig sie sind und wie ernst es ihnen ist mit jenen Forderungen, die Rauball am Mittwoch erneut bekräftigte. "Mich überrascht, dass über die Menschenrechtsfrage in Katar in diesen Tagen zu wenig gesprochen wird", sagte er, "wir werden über diese Termindebatte nicht vergessen, dass wir hier weiter keine Lösungen vorgelegt bekommen."

Als nächsten Schritt werde man nun "Expertisen einholen, welche Nachteile durch eine Winter-WM auf uns zukommen", sagt Rauball, "ich bin aber fast sicher, dass unsere Fernsehpartner Abschläge auf die Übertragungshonorare machen werden". Das Hausrezept der Fifa für solche Fälle ist bekannt: Fifa-Boss Sepp Blatter ist ein virtuoser Taktiker, er wird alles daran setzen, die großen Klubs ins Boot zu holen, und er weiß, dass das - ob man es Kompensation oder anders nennt - übers Geld funktioniert.

Zu erwarten ist, dass die European Club Association, jene von Rummenigge angeführte Interessenvertretung europäischer Klubs, höhere Abstellungsgebühren bei WM-Turnieren herausholen wird; nach der WM 2014 überwies die Fifa insgesamt 70 Millionen Dollar an jene Klubs, die Profis fürs Turnier abstellten. Das Gremium hat lange um diese Selbstverständlichkeit gekämpft, und die Klubs werden es bei einer Erhöhung der Gebühren nicht bewenden lassen wollen.

Auch deshalb wird Katar zur Herausforderung für die sogenannte Fußballfamilie: Wenn sie nicht aufpasst, wird die Hausordnung durch Katar weiter zementiert. Wenn die Großklubs sich diese WM üppig bezahlen lassen, entfernen sie sich nur noch weiter von Mainz 05 oder dem SC Freiburg.

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Quelle:
SZ vom 26.02.2015
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