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Wolfsburgs Aus in der Champions League:Plötzlich Überraschungsteam der unguten Art

Lesezeit: 3 min

Letzte Saison noch im Finale der Königsklasse, jetzt die Niederlage in der Qualifikation: Der VfL Wolfsburg muss früh einen schweren Rückschlag wegstecken. Auch für den Interimsbundestrainer Hrubesch sind das keine guten Nachrichten.

Von Anna Dreher

Als die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg Anfang Juni das Finale der Champions League gegen den FC Barcelona verloren, schmerzte diese Niederlage besonders. Sie hatten mit zwei Toren geführt und die Katalaninnen recht gut im Griff gehabt, bis ihnen diese nach der Pause drei Mal gnadenlos einen Stich ins Herz versetzten. "Wenn du so nah dran bist und das Spiel aus der Hand gibst, dann tut es einfach nur brutal weh", sagte Kapitänin Alexandra Popp damals fassungslos mit geröteten Augen. Eine Aussage, die sie so schnell nicht wieder bemühen wollte. Aber zu ihrem eigenen Erstaunen war es schon wieder notwendig.

Am Mittwochabend stand die 32-Jährige vor einer Sponsorenwand, das knallgrüne Mikrofon des Klubsenders vor sich, und schnaufte nach ihrer ersten Spielanalyse kurz durch: "Das tut brutal weh!" Da war er also wieder, dieser Satz, bepackt mit womöglich noch mehr Enttäuschung als vor ein paar Monaten. Denn nun sprach Popp ihn zu einer Phase der Saison aus, in der sich der VfL in den vergangenen Jahren mit Niederlagen nicht groß beschäftigen musste. Doch der Champions-League-Finalist von 2022/2023 und Titelträger von 2013 und 2014 ist auf ungute Weise zum vorläufigen Überraschungsteam dieses Wettbewerbs geworden: Wolfsburg hat sich gar nicht erst qualifiziert.

Nach dem 3:3 im Hinspiel vergangene Woche bei Paris FC gelang es den Wolfsburgerinnen nicht, sich entschlossen genug aufzubäumen. Sie wirkten gestresst auf der Suche nach Lösungen und Selbstvertrauen, während die Gäste Druck und Tempo hochhielten. Torgelegenheiten erspielten sie sich zwar, doch mal war der Pfosten im Weg, mal wurde lieber noch ein Pass gespielt oder der Abschluss geriet zu ungenau. Lisa Schmitz, die die verletzte Nationaltorhüterin Merle Frohms vertrat, verhinderte die frühe Führung der Französinnen durch einen Handelfmeter und wehrte diverse Chancen ab. Aber zweimal war der Ball eben drin: Erst traf Julie Dufour (38. Minute), dann Louise Fleury (90.).

"Wenn man beide Spiele betrachtet oder generell unsere Spiele, ist es vielleicht gerade einfach zu wenig", sagt Alexandra Popp

Vielleicht wäre Wolfsburg weitergekommen, hätte Dominique Janssen (61.) einen Foulelfmeter zum Ausgleich genutzt. So aber musste Ralf Kellermann, Direktor Frauenfußball beim VfL, eine "riesige Enttäuschung" konstatieren: "Ausreden brauchen wir nicht, wir haben es einfach in beiden Spielen nicht auf den Platz gebracht, so wie wir es können." Damit fehlt auch das Startgeld in Höhe von 400 000 Euro in der Kasse. Seit 2012 hat das Team immer mindestens im Viertelfinale gestanden und es, abgesehen von den beiden Siegen, noch 2016, 2018, 2020 und 2023 ins Finale geschafft. Ganz natürlich zählten die Wolfsburgerinnen stets zu den Titelkandidatinnen.

Da dürfte es kaum ein Trost sein, dass Paris FC in Frankreich mit vier Siegen in vier Ligaspielen gestartet ist, nun so viele Punkte gesammelt hat wie Tabellenführer Olympique Lyon und womöglich eine größere Rolle spielt als in der jüngeren Vergangenheit. Mit dem Resultat bewahrheitete sich auch, was VfL-Trainer Tommy Stroot im Juni gesagt hatte: dass es in Zukunft nicht leichter werde, ins Finale zu kommen, "wenn man sieht, was international so passiert". Er zielte damit auf die wachsende Zahl an Klubs ab, die mehr und mehr in den Frauenfußball investieren und so die Bedingungen professionalisieren. Paris FC etwa wird seit 2020 vom Königreich Bahrain mitfinanziert.

Dass auch die Wolfsburgerinnen auf dem Papier optimal in die Bundesliga gestartet sind und nach vier Siegen in vier Partien vor der TSG 1899 Hoffenheim sowie dem Meister FC Bayern die Tabelle anführen, täuscht etwas über die Verfassung des Teams hinweg. Mit Hoffenheim diesen Sonntag und München Anfang November kommen die großen Herausforderungen erst noch. "Wenn man beide Spiele betrachtet oder generell unsere Spiele, ist es vielleicht gerade einfach zu wenig", gestand Popp am Mittwoch. Die Defensive müsse konstanter werden, die Offensive ihre Leichtigkeit finden: "Das fehlt irgendwie gerade, und das müssen wir schnell wieder reinkriegen."

So oder so ähnlich wird sich das auch ein anderer Beobachter gedacht haben. Im Stadion saß Interimsbundestrainer Horst Hrubesch, der in Abwesenheit der erkrankten Martina Voss-Tecklenburg die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 retten soll. Mit dem erhofften Nebeneffekt, dass Sicherheit und Selbstvertrauen ins deutsche Nationalteam zurückkehren. Das wird nun insoweit erschwert, als dass in seinem Kader für die Nations-League-Partien am 27. Oktober in Sinsheim gegen Wales und am 31. Oktober in Island diverse Spielerinnen des VfL Wolfsburg stehen, die seit dem historisch frühen Aus bei der Weltmeisterschaft in Australien ihre Bestform nicht gefunden haben.

In der Defensive hatte Voss-Tecklenburg auf den eingespielten VfL-Block gesetzt - ob Hrubesch nun aufgrund seiner Beobachtungen etwas daran ändern wird, bleibt abzuwarten. Schließlich sind auch bei anderen Nationalspielerinnen die Nachwehen des Sommers zu spüren. Eine Fraktion aber hat in der Champions League einen Selbstvertrauensschub erhalten: Eintracht Frankfurt steht nach dem zweiten Sieg gegen Sparta Prag dank eines Dreierpacks der Österreicherin Barbara Dunst erstmals seit 2016 - damals noch als 1. FFC Frankfurt - international wieder unter den besten 16. Der FC Bayern war als Meister ohnehin qualifiziert. Wie weit die Reise der beiden Klubs gehen könnte, kann schon bald besser eingeschätzt werden: Am Freitag wird die Gruppenphase ausgelost.

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